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John Bolton: Verhandlungen mit Iran sind verschwendete Zeit

Der Republikaner und früherer Botschafter der USA bei der UNO, John Bolton, sieht Verhandlungen mit dem Iran über ihr Atomprogramm als falschen Weg an. Man habe fünfeinhalb Jahre die Europäer in ihren Verhandlungen mit dem Iran unterstützt. Doch diese Zeit habe Teheran nur genutzt, um sein Atomprogramm weiter voranzutreiben. Abschreckung wie zu Zeiten des Kalten Krieges funktioniere bei "solchen religiösen Fanatikern" nicht.

John Bolton im Gespräch mit Mario Dobovisek | 07.02.2009
    Mario Dobovisek: John Bolton ist ein konservativer US-Politiker, für George W. Bush war er Unterstaatssekretär für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit, später dann gut ein Jahr lang US-Gesandter bei den Vereinten Nationen. Er gehört zum neokonservativen Zirkel rund um George W. Bush, heute arbeitet er als Politikberater am American Enterprise Institute. Gestern hatte ich Gelegenheit, mit John Bolton zu sprechen, und meine erste Frage lautete, ob er kürzlich mal mit George W. Bush telefoniert habe.

    John Bolton: Ich habe mit ihm jüngst nicht gesprochen.

    Dobovisek: Wissen Sie, wie es ihm geht?

    Bolton: Ich glaube, er ist jetzt wieder in Texas und gibt sich dem hin, was die ehemaligen Präsidenten in den ersten Monaten nach ihrem Amt üblicherweise tun, nämlich sich zurückzuziehen.

    Dobovisek: Hat seine Politik des Alleingangs versagt?

    Bolton: Na, ich glaube nicht, dass er eigentlich ein Unilateralist war. Wir sind ja nach Irak gegangen, um Saddam Hussein zu stürzen. 26 Staaten sind mit uns gezogen. Wir haben eine Anti-Proliterations-Initiative aufgelegt. Deutschland war bei den ursprünglichen Unterzeichnern, jetzt haben wir mehr als 90 Staaten, die hier diese Initiative gegen die Weiterverbreitung von Waffenmaterial unterstützen. Ich glaube, es trifft nicht zu, wenn man ihn einen Unilateralisten nennt oder seine Regierung eine unilateralistische Regierung. Wir haben im Wesentlichen immer nur die Interessen unseres Landes verfolgt, und ich glaube, in Deutschland würde man das genauso machen.

    Dobovisek: Aber Sie stimmen mir sicher zu, dass es am Ende eine Ein-Mann-Entscheidung war?

    Bolton: Bei uns in der Verfassung ist es so, dass die letzte Entscheidung der Außenpolitik beim Präsidenten liegt. Aber es wäre verfehlt, seine Regierung als unilateralistisch zu kennzeichnen. Wir sind ja nicht jeden Morgen aufgestanden und haben uns gefragt, welche unilateralistische Politik werden wir jetzt weiterführen. Nein, wir haben natürlich die Interessen unseres Landes vertreten, manchmal über die NATO, manchmal auch über die Koalition der Willigen, manchmal auch wirklich alleinstehend. Aber grundsätzlich gilt das nicht.

    Dobovisek: Wenn ich mich nicht irre, dann nimmt die Kreditkrise ihren Ausgang in den USA. Jetzt leidet die ganze Welt. Brauchen wir nicht einen kollektiven Geist und Zusammenarbeit, um der weltweiten Rezession zu begegnen?

    Bolton: Nun, zunächst einmal würde ich die Lenkung der Geschicke der amerikanischen Wirtschaftspolitik nicht in die Hände ausländischer Regierungen geben, die häufig sehr stark mehr auf Intervention, auf Dirigismus erpicht sind. Es stimmt, dass diese globale Wirtschaftskrise alle betrifft. Aber das trifft zum Teil auch deswegen zu, weil ausländische Staaten, ausländische Banken von den Staaten unterstützt worden sind, diese Papiere zu erwerben, die nicht tragfähig waren und die eben in europäischen und auch auf amerikanischen Börsen gehandelt worden sind.

    Dobovisek: Eine Arbeitslosenquote von 7,6 Prozent haben die USA jetzt. Hat Barack Obama die richtigen Ideen, um der Wirtschaftskrise zu entgegnen?

    Bolton: Nun, ich glaube nicht, dass dieses Konjunkturstützungsprogramm ausreichen wird. 7,6 Prozent Arbeitslosigkeit ist natürlich hoch, aber 1992 hatten wir ja denselben Satz. Es ist eigentlich keine starke Rezession. Es ist ein echtes Problem für die Arbeitslosen. Wir müssen natürlich alles tun, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Ich glaube, der Königsweg dazu wären Steuersenkungen, nicht große Ausgabenprogramme. Das bringt nur das Risiko der Inflation mit sich.

    Dobovisek: Am Donnerstag hat der US-Senat den "Kauf-amerikanisch-Passus" aus dem Konjunkturpaket gestrichen. War das ein Fehler?

    Bolton: Nun, ich glaube, dieser Teil des "Buy American" war ein Teil, der verfehlt war, aber der Großteil dieses Konjunkturprogramms ist eigentlich verfehlt. Ich denke, es gibt natürlich ein gewisses protektionistisches Bestreben in den USA, aber das gibt es keineswegs nur in den USA, sondern auch in Europa, Japan und China. Es ist ein weltweites Problem.

    Dobovisek: Aber gibt es auch etwas Gutes an Obamas Konjunkturpaket?

    Bolton: Nun, da sind etwa 275 Milliarden Steuersenkung enthalten. Das hätte man noch sehr viel höher setzen können. Ich glaube, das hätte wirklich einen kraftvollen Anschwung gegeben, das hätte Geld in die Leute der Konsumenten und der Arbeitnehmer gebracht.

    Dobovisek: Am Mittwoch hat der Iran eine Rakete in den Weltraum geschossen. Was bedeutet das für die westliche Welt und den Nahen Osten?

    Bolton: Ich glaube, die Menschen innerhalb der Reichweite dieser Raketen müssen sich wirklich Sorgen machen. Über fünfeinhalb Jahre haben wir in der Bush-Regierung die Europäer unterstützt in ihren Verhandlungen mit Iran, ich glaube, es war ein Fehler. Diese fünfeinhalb Jahre Verhandlungen haben letztlich nur dazu geführt, dass der Iran jetzt fünfeinhalb Jahre näher an der Entwicklung von Atomwaffen ist. Ich glaube, alles was innerhalb dieser Raketen liegt, ist jetzt wirklich bedroht.

    Dobovisek: Nähern wir uns einem neuen Krieg, einem Krieg im Iran?

    Bolton: Nun, nicht dass ich wüsste, dass es hier notwendigerweise einen Krieg gegen Iran geben muss, aber ich kann Ihnen eines sagen: Die Welt wäre sehr viel stärker gefährdet, wenn Iran Atomwaffen hätte.

    Dobovisek: Sollte Israel den Iran angreifen?

    Bolton: Ich glaube, das ist fast schon das Einzige, was Iran daran hindern könnte, die Atomwaffe zu haben. Wir haben fünfeinhalb Jahre praktisch versäumt.

    Dobovisek: Wir haben fünf Jahre verschwendet, sagen Sie, hatten aber keinen Krieg.

    Bolton: Ja, natürlich, wir haben diese Jahre versäumt, weil Iran jetzt fünfeinhalb Jahre näher am Besitz von Atomwaffen ist. Diese Verhandlungen dienten doch nur als Vorwand, um unter diesem Schutz dann das Atomprogramm weiter voranzutreiben. Und jetzt steht es ganz in ihrer Entscheidung, ob sie diese Waffen entwickeln oder nicht.

    Dobovisek: Wie können wir einen Krieg gegen Iran verhindern?

    Bolton: Nun, wenn wir nach vorne schauen, dann müssen wir doch fragen, wie werden wir einen Krieg vermeiden, wenn Iran solche Waffen hat. Diese Machthaber lassen sich ja nicht abschrecken. Solche religiösen Fanatiker, die stärker an das Leben im Jenseits glauben, die lassen sich nicht so abschrecken, wie es damals möglich war mit der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt.

    Dobovisek: Wir erreichen Sie in Dubai, Herr Bolton, Sie waren in Israel, wo Hamas und Israel noch immer die Waffenruhe brechen. Was halten Sie von einer Zweistaatenlösung im Nahen Osten?

    Bolton: Ich glaube, die Zweistaatenlösung ist erledigt, sie ist getötet worden von Hamas. Wenn da immer von einem Bruch des Waffenstillstands gesprochen wird, muss man doch auch bedenken, Hamas ist eine Terrororganisation, Israel hingegen hat sein Recht zur Selbstverteidigung wahrgenommen. Ich glaube, auch europäische Politiker sehen, es gibt einfach keine Gleichwertigkeit zwischen den Terroristen, die Zivilisten als Schutzschilde benutzen, und einem zivilen Staat, der seine Bevölkerung vor solchen terroristischen Angriffen schützen will.

    Dobovisek: Was könnte eine Lösung für den Nahen Osten sein?

    Bolton: Nun, ich glaube, wir müssen uns auf das richten, was ich eine Dreistaatenlösung genannt habe, nämlich die Oberaufsicht über den Gazastreifen in die Hände Ägyptens zurück zu legen und das Westjordanland irgendwie Jordanien anzugliedern. Das ist sicherlich keine vollkommene Lösung, aber die Zweistaatenlösung ist tot. Und deshalb müssen wir kreativ über Alternativen nachdenken.

    Dobovisek: Die Palästinenser sehnen sich seit Jahrzehnten nach ihrem eigenen Staat, warum sollten sie die Besatzung durch einen anderen Nachbarn akzeptieren, selbst wenn es, sagen wir, ein arabischer Freund ist?

    Bolton: Nun, warum halten Sie denn das für eine Besetzung? Kennen Sie denn den Panarabismus nicht? Ich denke an eine panarabische Lösung, und ich denke, eine solche panarabische Lösung nimmt auch stärker das in den Blick, was die humanitäre Situation verlangt. Und die humanitäre Lage lässt sich eben nur bessern, wenn politische Stabilität eingezogen ist. Ich denke, irgendwelche abstrakte Ideale helfen da nicht weiter, solange die nicht in der absehbaren Zukunft verwirklicht werden können. Ich glaube, wir müssen uns von der Zweistaatenlösung abwenden.