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Journalisten in Donezk
"Du müsstest in einem unserer Keller landen"

Sie geben sich als Schaulustige aus, um nicht als Journalisten erkannt zu werden oder sie arrangieren sich mit der Regierung im Donezk, um noch berichten zu können. Es gibt kaum noch ukrainische Journalisten in den Separatistengebieten. Und die, die geblieben sind, bangen täglich um ihr Leben.

Von Florian Kellermann |
    Die Flagge der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" in einer Straße der Stadt
    Die Flagge der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" in einer Straße der Stadt (afp / Max Vetrov)
    Swetlana schreibt anonym für eine große ukrainische Tageszeitung. Für welche, will sie nicht sagen, auch ihren vollen Namen nennt sie lieber nicht.
    Denn Swetlana arbeitet in Donezk, in der von Separatisten gegründeten sogenannten Volksrepublik. Und hier sind ukrainische Journalisten nicht gern gesehen. Wenn Swetlana jemand ansprechen sollte - hier im Café - wird sie sagen, dass sie ausländischen Journalisten bei der Recherche hilft.
    "Eine Zeitung aus Asien hat mich hier akkreditiert, ich habe ab und zu für eine Journalistin von dort gearbeitet. Unsere Redaktion mussten wir schon im Mai schließen. Ich war damals gerade auf dem Heimweg, als mich mein Chef angerufen hat. Wir sollen am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit kommen, hat er gesagt. Er hatte einen Tipp bekommen: Vertreter der Volksrepublik wollten sich am nächsten Tag mit ihm unterhalten."
    Kaum ukrainische Journalisten im Separatisten-Gebiet
    Was das bedeutet, erfuhren die Redaktion, die nicht vorgewarnt wurden. Bewaffnete Kämpfer kamen und verlangten, künftig in ihrem Sinne zu berichten. Für besonders kritische Journalisten wurde es gefährlich: Separatisten hielten sie in Kellern gefangen, verhörten sie wochenlang und folterten sie auch. Schon im Mai verließen deshalb fast alle ukrainischen Journalisten das Separatisten-Gebiet.
    Swetlana blieb nicht nur in Donezk, um berichten zu können, sondern auch wegen ihrer Familie. Sie hat eine 77-jährige pflegebedürftige Oma.
    "Die wenigen Journalisten, die hier geblieben sind, tun so, als hätten sie das Schreiben längst aufgegeben. Wenn auf der Straße etwas passiert, spielen wir naive Schaulustige. Wir können wenigstens über die Stimmung unter den Menschen berichten und darüber, wie sie leben. Es ist ja auch unser Leben. Ich selbst musste gerade nach Mariupol fahren, in das von der Ukraine kontrollierte Gebiet, um dort Geld abzuheben. Denn hier funktioniert kein einziger Geldautomat mehr."
    Arrangements mit den Separatisten
    Weniger Angst vor den Separatisten hat Jewgenij Schybalow, Donezk-Korrespondent der ukrainischen Wochenzeitung "Dzerkalo Tyschnja". Er schreibt weiterhin unter seinem Namen. Bei sich zuhause gibt er gerade dem ukrainischen Fernsehsender "Hromadske" ein Telefoninterview. Warum er sich nicht fürchtet? Zum einen hat er keine Familie in Donezk. Zum anderen hat er sich mit den gegenwärtigen Machthabern arrangiert.
    "Sie haben mir bestimmten Beschränkungen auferlegt. Ich darf keine Militärobjekte besuchen. Ich darf die Kämpfer hier auch nicht Terroristen nennen. Das finde ich auch begründet, denn nur die Ukraine bezeichnet die Volksrepubliken hier als terroristische Organisationen. Ich konnte ihnen immerhin erklären, dass der Begriff "Separatist", den sie auch ablehnen, nicht abwertend ist. Sie wollen nun mal einen eigenen Staat auf dem Gebiet eines anderen Staates schaffen."
    Außerdem schreibt Jewgenij Schybalow über die Dinge, die viele Ukrainer gerne ignorieren: die zivilen Opfer des Konflikts und die sich anbahnende humanitäre Katastrophe. Er kritisiert die Entscheidung der ukrainischen Regierung, im Separatisten-Gebiet keine Renten mehr auszuzahlen.
    Akkreditierung kann schnell entzogen werden
    Auch die Verantwortlichen der Volksrepublik scheinen langsam zu verstehen, dass ihnen die Blockade ukrainischer Medien eher schadet. Die geschäftsführende Informationsministerin Marina Sergejewa schlägt versöhnliche Töne an.
    "Gerade war ein ukrainischer Fernsehsender bei uns. Wir verbieten ihnen ja nicht, aus ihrem Blickwinkel zu berichten. Nur, wenn sie offensichtlich Propaganda betreiben, dann müssen wir ihnen die Akkreditierung entziehen. Ja, am Anfang unserer revolutionären Bewegung gab es Exzesse. Das waren Kämpfer, die nicht verstanden haben, warum es uns geht. Aber heute sind Journalisten bei uns sicher."
    Das können ukrainische Journalisten so nicht bestätigen. Jewgenij Schybalow erzählt von merkwürdigen Begegnungen mit Verantwortlichen der Volksrepublik. Eigentlich müsstest du ja in einem unserer Keller landen, sagte einer vor Kurzem zu ihm." Aber dann gäbe es hier ja gar keinen intelligenten Journalisten mehr, mit dem ich reden kann," fügte er hinzu. Bei solche Bemerkungen bleibt dem ukrainischen Korrespondenten verständlicherweise das Lachen im Hals stecken.