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Junge CDUler: "Mehr als zufrieden mit dem Ergebnis"

Die Interessen der Jüngeren sieht Marco Wanderwitz (CDU), Vorsitzender Junge Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, durch den Kompromiss im Koalitionsausschuss gewahrt. Dass am Ende sich jeder in der Koalition wiederfindet, hält er für "die normalste Sache der Welt".

Marco Wanderwitz im Gespräch mit Sandra Schulz | 06.11.2012
    Sandra Schulz: Am Telefon begrüße ich Marco Wanderwitz, er ist der Vorsitzende der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

    Marco Wanderwitz: Guten Morgen.

    Schulz: Herr Wanderwitz, Sie haben in der "Bild am Sonntag" zusammen mit einigen anderen jüngeren Abgeordneten noch Haushaltsdisziplin angemahnt. Zum Ergebnis des Gipfels habe ich jetzt gestern von Ihnen keine Stellungnahme gefunden zu diesen teueren Verabredungen. Warum kritisieren Sie das nicht?

    Wanderwitz: Wir sind durchaus mehr als zufrieden mit dem Ergebnis des Koalitionsgipfels – vor allen Dingen deshalb, weil es ja noch eine weitere Vereinbarung gab, die jetzt noch nicht genannt worden ist, nämlich die – und das war eine unserer Forderungen an Sonntag -, dass wir frühzeitig, früher als wir nach der Schuldenbremse im Grundgesetz müssten, den strukturell ausgeglichenen Haushalt bereits im Jahr 2014 schaffen.

    Schulz: Aber die Verabredungen kosten den Staat ja Milliarden. Wäre es nicht im Sinne der Jungen, wenn die Wirtschaft jetzt im Moment ja ganz gut läuft, stärker zu konsolidieren und an die Zukunft zu denken und keine Wahlgeschenke zu machen?

    Wanderwitz: Nun, Politik ist natürlich immer das Finden eines Kompromisses. Und so hatten durchaus einige Fachpolitiker aus ihrer Sicht sehr gute Vorschläge, die eben Geld kosten. Wir haben auf der anderen Seite darauf gedrängt, frühzeitiger die Schuldenbremse einzuhalten. Am Ende des Tages sind wir am Montagmorgen aus den Verhandlungen so herausgegangen, dass, ich glaube, alle Beteiligten ganz zufrieden sein können. Wir sind es jedenfalls – ganz einfach deshalb, weil 2016 der Tag gewesen wäre oder das Jahr gewesen wäre, in dem der strukturell ausgeglichene Haushalt hätte sein müssen. Wir wollen es drei Jahre früher schaffen; ich denke, das kann man durchaus als Erfolg bezeichnen.

    Schulz: Aber der Bund der Steuerzahler rechnet ja vor, dass ein Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung auch schon im kommenden Jahr möglich gewesen wäre. Dafür müsste die Regierung aber mal von dem Kurs abkommen, ständig neue Ausgaben zu beschließen. Inwiefern sind Sie da zufrieden?

    Wanderwitz: Schauen Sie, ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden wäre auch vor zehn Jahren möglich gewesen, der wäre vor fünf Jahren möglich gewesen, ...

    Schulz: Wir sprechen aber von jetzt!

    Wanderwitz: ..., nur hat ihn keine Bundesregierung seit Franz-Josef Strauß als letztem Finanzminister mehr geschafft. Wir werden die erste Bundesregierung sein, die es schafft. Insofern bin ich für meinen Teil sehr zufrieden damit und will mich weniger mit den hätte, wäre, wenn's beschäftigen, sondern mit dem positiven Umstand, dass es 2014 erstmals seit Jahrzehnten wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen wird.

    Schulz: Wir halten aber trotzdem heute Morgen fest: Wahlgeschenke sind durchaus auch im Sinne der Jungen Gruppe, auch wenn sie den Haushalt und damit ja die Jüngeren noch stärker belasten?

    Wanderwitz: Schauen Sie, über das Betreuungsgeld haben wir Jahre gesprochen. Das stand schon im Koalitionsvertrag. Ich hätte mir persönlich gewünscht, dass es gleich zu Beginn der Legislaturperiode gekommen wäre. Das ist uns leider nicht gelungen, weil es auch innerhalb der Koalition nicht einfach mehrheitsfähig zu bekommen war. Wenn das nun im Wahljahr kommt, erhält es den Titel Wahlgeschenk. Ich finde das eigentlich sehr traurig, weil es aus meiner Sicht eine gute Sachbegründung dafür gibt. Und nicht alles, was eine Koalition in Abarbeitung ihres Koalitionsvertrages im letzten Jahr tut, ist automatisch ein Wahlgeschenk, sondern das ist eben das, was am Ende dran war.

    Schulz: Also Sie werden – das soll jetzt alles ganz schnell gehen – für das Betreuungsgeld stimmen?

    Wanderwitz: Richtig. Ich bin von Anfang an dafür gewesen. Das ist auch bei uns Jüngeren durchaus ein Thema, wo es verschiedene Meinungen gibt. Ich meinerseits meine, wenn man es mit Wahlfreiheit ernst meint, dann gehören der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, auf einen Kindergartenplatz und das Betreuungsgeld zusammen wie zwei Seiten einer Medaille.

    Schulz: Also es ist Position auch der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion, Steuergeld dafür in die Hand zu nehmen, alte Rollenbilder zu stärken?

    Wanderwitz: Es ist zum einen erst mal meine Position. Wir haben dazu keine abgestimmte Position. Ich meine auch nicht, dass das was mit alten Rollenbildern zu tun hat, sondern ich meine, wenn man es ernst meint mit Wahlfreiheit, dann muss man doch auch bitte den Müttern und oder Vätern, die entscheiden, für eine gewisse Zeit zuhause zu bleiben, die über den Elterngeldbezug hinausgeht, nicht den Vorwurf machen, dass es ein altes Rollenbild ist, sondern dass es ihr Verständnis von wie ziehe ich mein Kind groß ist. Und ich denke, wir tun als Gesellschaft gut daran, alle diese Familienbilder gleichermaßen zu fördern und nicht eins davon zu diskriminieren. Und nichts anderes ist doch das, wenn man all diejenigen, die dieses Familienbild leben, als gestrige beschimpft.

    Schulz: Aber ich muss da noch mal nachfragen. Was Sie am Betreuungsgeld oder an den Plänen kritisiert haben, das war die Art der Finanzierung. Da haben Sie auch geschrieben, im vergangenen Jahr in einem Papier, das wäre eine massive Belastung künftiger Generationen von Steuer- und Beitragszahlern, deren Signalwirkung fatal wäre. Wie gesagt: O-Ton Wanderwitz aus dem letzten Jahr. Welchen Denkfehler haben Sie denn da gemacht?

    Wanderwitz: Nein die große Frage ist natürlich, wie man Dinge finanziert, und für uns ist die Kombination mit dem ausgeglichenen Haushalt, also die Wirkung, einerseits wird es an dieser Stelle eine Mehrausgabe geben, andererseits kriegen wir den Haushalt aufgrund anderer struktureller Entscheidungen schneller als geplant zu. Das darf man natürlich oder das muss man natürlich im Zusammenhang sehen. Ansonsten ist es natürlich richtig, dass zusätzliche Leistungen zusätzliches Geld kosten, und solange wir keinen...

    Schulz: Aber was meinen Sie denn mit strukturellen Leistungen, es ist im Moment gerade Geld da? Es gibt ja keine Kürzungen oder haben wir das falsch verstanden?

    Wanderwitz: Wir haben zum Beispiel im Koalitionsausschuss beschlossen, dass wir den steuerlichen Zuschuss an die Krankenversicherung, an die gesetzliche Krankenversicherung einkürzen. Und das ist natürlich eine strukturelle Kürzung. Sprich: Das ist kein Einmaleffekt, sondern das ist eine dauerhafte Einkürzung.

    Schulz: Jetzt würde ich mit Ihnen gerne noch mal über die Ausgangslage sprechen. Es hieß vorm Koalitionsausschuss immer, es werde nicht gedealt, es werde keinen Kuhhandel geben, das Betreuungsgeld habe nichts zu tun mit der Praxisgebühr. Jetzt gibt es genau das Ergebnis, jeder der Koalitionäre hat das bekommen, was er sich gewünscht hat. Wo ist denn da das politische Konzept?

    Wanderwitz: Schauen Sie, ich habe mir, als ich so die Reaktionen der letzten Stunden mir noch mal angeschaut habe, mal die Frage gestellt: Warum passieren eigentlich in solchen Momenten, wenn Koalitionspartner sich finden – sei es bei einem Koalitionsvertrag, der aufgrund der Wahlprogramme entsteht, sei es bei solchen Entscheidungen nach Koalitionsausschüssen -, immer wieder dieselben stereotypen Anwürfe der Opposition, egal, wer die Opposition ist, dass es sich um einen Kuhhandel handele. So funktioniert Politik! Zwei oder mehr Partner – wir haben ja in diesem Fall CDU/CSU und FDP – haben verschiedene Vorstellungen und diese Vorstellungen werden zusammengebunden und am Ende sollte sich in der Koalition doch jeder wiederfinden. Ich finde, das ist die normalste Sache der Welt.

    Schulz: Und dass Politik so funktioniert, dass eben nicht nach der sachlich vielleicht besten Lösung gerungen wird, sondern es danach geht, wer was will, damit haben Sie sich auch als junger Abgeordneter schon abgefunden?

    Wanderwitz: Der Punkt ist ja: Der objektive Dritte, der sagt, was die sachlich beste Lösung ist, der ist ja nicht vorhanden, sondern wenn man mehrere Partner am Tisch hat, dann ist natürlich jeder ein Stück weit von seiner Sicht der Dinge überzeugt. Sonst hätte er ja diese gefestigte Meinung nicht. Insofern ist in der Tat die eine Variante, man sucht in jedem einzelnen Falle den Kompromiss – das tun wir hier und da -, oder die andere Variante ist eben die zu sagen, in dem einen Politikfeld hat der eine Partner die Lösung, im anderen Politikfeld der andere. Seit ich mich zurückerinnern kann, auch zu Zeiten der Großen Koalition und auch zu Zeiten der vormaligen rot-grünen Regierung, hat Politik immer nach diesem Muster funktioniert. Und auch in den Ländern beispielsweise oder in den Kommunen funktioniert Politik genau so. Hier und da gelingt es, die objektiv beste Lösung zu finden. Und hier und da werden die einzelnen Politikfelder, die beispielsweise von Fachministern der jeweiligen Koalitionspartner besetzt werden, eben entsprechend auf diese Weise verarztet.

    Schulz: Marko Wanderwitz, Vorsitzender der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und hier heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen.

    Wanderwitz: Ich danke Ihnen!

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