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Justiz
Offene Fragen im Redtube-Abmahnverfahren

Eine Rechtsanwaltskanzlei hat Tausenden Internetnutzern eine Abmahnung ins Haus geschickt. Auf dem Portal Redtube.com sollen sie pornografische Filme geschaut und dabei eine Urheberrechtsverletzung begangen haben. Ob die Aktion juristisch sauber lief, ist allerdings mehr als unklar.

IT-Journalist Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 21.12.2013
    Manfred Kloiber: Urheberrechtsverstöße sind ja bekanntlich im Internet nicht gerade selten. Und mit entsprechenden Abmahnungen verdienen einige Advokaten ganz gutes Geld. Doch seit gut zwei Wochen sorgt eine regelrechte Abmahnwelle um Videoabrufe bei Redtube.com für erhebliche Diskussionen. Vor allen Dingen die Technik zur Ermittlung der betroffenen IP-Adressen und im Internet dokumentierte Weiterleitungen auf Redtube haben Zweifel geweckt, ob bei dieser Abmahnwelle alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Doch bevor wir uns die Überwachungstechnik auf besagter Pornoseite genauer ansehen, lassen Sie uns zunächst ganz knapp zusammenfassen, was da konkret in Sachen Redtube-Abmahnungen passiert ist, Peter Welchering:
    Peter Welchering: Da hat die Regensburger Rechtsanwaltskanzlei Urmann + Collegen mehr als 10.000 von Internetanwendern eine Abmahnung ins Haus geschickt. Und mit dieser Abmahnung wird ihnen vorgeworfen, sie hätten eben pornografische Filme auf dem Portal Redtube.com angeschaut und dabei eben eine Urheberrechtsverletzung begangen. Denn die Filmrechte für die frivolen Videos lägen bei einem Mandanten des Berliner Anwalts Daniel Sebastian, mit dem eben die Regensburger Kanzlei zusammenarbeitet. Und dann kam so das Übliche: Die Abgemahnten wurden aufgefordert, eine Erklärung zu unterschreiben, dass man solch eine Urheberrechtsverletzung nicht mehr begeht. Aber vor allen Dingen sollen sie eine Gebühr an den Anwalt zahlen, weil der ja tätig geworden ist. Und in den hier vorliegenden Fällen waren das – zumindest nachdem, was hier bekannt ist – immer so um die 250 Euro. Also gar nicht so furchtbar viel Geld, sodass man das, wenn man belastet wird oder wenn einem vorgeworfen wird, man habe einen pornografischen Film geguckt, vielleicht noch gerne macht, um das eben aus der Welt zu kriegen. Und an die Adressen, an die Identitäten dieser Internetnutzer ist diese Anwaltskanzlei per Beschluss des Landgerichts Köln gekommen. Denn die Liste mit den Internetprotokoll-Adressen ging ans Landgericht. Die hat der Rechtsanwalt aus Berlin ans Landgericht geschickt und einen Antrag, dass eben der Provider die Nutzerdaten wegen eines Urheberrechtsverstoßes herausgeben möge – und das ist passiert.
    Kloiber: Und daraufhin brach ja dann eine ziemlich unübersichtliche Diskussion los. Bringen Sie mal Ordnung hinein.
    Welchering: Es gab mehrere Diskussionspunkt. Zum einen ging es einfach um die Frage, ob ein Streaming wie ein Download behandelt werden muss. Also: Fand eigentlich ein Urheberrechtsverstoß statt? Selbst wenn man mal voraussetzen sollte, dass es sich um tatsächlich urheberrechtsgeschütztes Videomaterial handelt – was immer auch noch nicht so klar ist. Dann gab es einen zweiten Diskussionspunkt: Wird das Anschauen solcher Videos – egal, ob dabei nur eine temporäre Kopie gefertigt wird oder nicht auf dem PC des Anwenders – gedeckt durch das Recht auf Privatkopie oder geht das darüber hinaus? Und Diskussionspunkt Nummer drei ist dann: Wie kamen die angeblichen Rechteinhaber eigentlich an diese Internetprotokoll-Adressen? Der vierte Diskussionspunkt dann letztlich: Einige der Abgemahnten haben Weiterleitungsdaten auf ihrem PC gefunden. Und in welchem Zusammenhang stehen die mit dieser Abmahnwelle?
    Kloiber: Die ersten beiden Punkte waren ja eher juristische. Lassen wir die mal außer Acht. Wie sind denn die IP-Adressen ermittelt worden?
    Welchering: Ermittelt hat eine Firma namens ITGuard Inc, die vermutlich in Kalifornien sitzt. So genau weiß man das nicht. Und die haben dafür eine Software namens Gladii in der Version 1.1.3 eingesetzt. Und das Landgericht Köln hat auch zur Funktionsweise dieser Überwachungssoftware Auskunft erteilt. Sie beziehen sich da auf ein Gutachten, das im Wesentlichen besagt: Es fand eine Testabfrage von drei Testdateien auf drei Webseiten statt – also Videos – und Gladii habe diese Testdateien, diese Videotestdateien identifiziert, den Zeitpunkt des Abrufs protokolliert und die Internetprotokolladresse des Abrufenden. Und das beruhe auf "technisch auf üblichen Internet-Technologien". Und es gibt ein Gutachten der Münchner Kanzlei Diehl & Partner über diese Funktionsweise von Gladii. Dieses Gutachten ist aber nicht öffentlich. Und die Kanzlei verweigerte sich auch dem Deutschlandfunk gegenüber, Auskunft über die technische Funktionsweise von Gladii zu geben. Deshalb kann man da eigentlich nur spekulieren.
    Kloiber: Das ist nicht gerade erschöpfend, diese Auskunft. Gibt es mehr, als öffentlich oder vom Landgericht hier mitgeteilt wurde?
    Welchering: Man weiß inzwischen: Die Dateien wurden wohl anhand einer Prüfsumme auf dem Portal ermittelt. Das ist eine gängige Praxis. Das ist auch glaubwürdig. Allerdings bleibt die Ermittlung der Internetprotokoll-Adressen ziemlich im Dunkeln. Entweder haben tatsächlich die Leute von ITGuard die direkt vom Portal Redtube bekommen oder dort erhoben – beides wäre sehr fraglich. Oder sie haben das Ganze durch Überwachung der nächstgelegenen Internetknotenrechner tatsächlich ausfindig gemacht. Da sind Sie unter Umständen dann mit den Gesetzen in Konflikt gekommen. Oder aber sie haben das über Log-Dateien von Werbenetzwerken, die auf Redtube Werbung geschaltet haben, bekommen. Und dann muss auch noch viertens geklärt werden – auch das ist so eine Möglichkeit –, in welchem Zusammenhang die Ermittlung dieser IP-Adressen mit Weiterleitungen steht, für die einige der Abgemahnten in ihrer Browserhistorie Indizien entdeckt haben. Denn wenn dort abgeleitet wurde, weitergeleitet wurde, dann kann auch die IP-Adresse auf diese Weise ermittelt worden sein.

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