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Kabarettistin Lioba Albus
Ohne Feigenblatt vor Mund- und Genitalbereich

Im neuen Programm der Kabarettistin Lioba Albus hat die Demokratie wegen der Wahlmüdigkeit des Volkes ausgedient. Stattdessen übernimmt die Sauerländer Quasselstrippe Mia Mittelkötter das Kommando auf der MS Alemannia. Und sagt, was sie denkt.

Von Achim Hahn | 17.02.2014
    "Wir Deutsche, wir konnten uns immer schon gut zusammenreißen, oder? Wir haben immer schon gelebt nach der Devise, es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur verkehrte Kleidung. Und so ist es bei der Armut auch. Es gibt keine Armut, es gibt nur überhöhte Ansprüche. Ja."
    Man muss sie einfach mögen und frau sowieso: diese Mia Mittelkötter. Powerfrau aus dem Sauerland. Etwas betagt, aber auf der Höhe der Zeit:
    "Was mich aber so unglaublich irritiert, dass mein eigener Mann so fazebuck-süchtig ist. Hören Se mal! Den ganzen Tag. Er ist so stolz drauf. Er hat 800 Freunde. In der Wirklichkeit hat er zwei Kegelbrüder und ich bin mir sicher, wenn ich die mal fragen würde, wie viel Kinder der Gustav hat. - Öh?"
    Nun also steht sie da: in vollem Ornat. Mit rotem Umhang, Hermelin-Imitatkragen und Krone auf der immer schon grauen Dauerwelle.
    " Der Plott ist, dass die MS Alemannia auf einen Schuldenberg aufgelaufen ist, und die Führungscrew hat also komplett das Schiff verlassen, ..."
    ... und Mia ist dann so nett und übernimmt das Steuer.
    "Ihren Anweisungen ist bedingungslos Folge zu leisten."
    Gewagte, fast schon bitterböse These
    Aber nur als Monarchin: Denn Demokratie habe sich in Deutschland aufgrund der hündischen Untertanenmentalität der Mitreisenden nicht bewährt und führe zu Wahlmüdigkeit, wenn es nicht gerade um den royalen Dschungelstatus irgendwelcher XYZ-Promis geht. Eine gewagte, fast schon bitterböse These in dem gut zweistündigen Programm, das mehr Politik verspricht. Obwohl:
    "Sie hat immer schon die Jahren eine aktuelle, politische Ecke drin gehabt, wo sie sich zu aktuellen Themen äußert. Klar."
    Und jetzt hat Mia Mittelkötter -
    "... der verbindende Teil, der am lustigsten ist ..."
    ... und eben auch kabarettistisches Alter Ego von Lioba Albus - jetzt hat Mia eben auch noch den Thron dazu.
    "Also man würde jetzt, äh, brutal sagen, es ist ein Kackstuhl."
    Aber mit schwarz-rot-goldenem Deckel, einem gleichfarbenen Klobürstenzepter und einer Rolle geldscheinbedruckten Klopapiers.
    "Weil ich finde, die Passagiere hier auf der MS Allemania, denen fehlt son bisschen royaler Glanz."
    Mia ist das Flaggschiff
    Allerdings bleibt Mia Mittelkötters ironischer Blick auf die politische Welt auch in diesem Programm vor allem von der Perspektive ihres sauerländischen Eheszenarios geprägt. Das ist ihre Domäne. Und sie sagt, was sie denkt. Offen und ohne Feigenblatt vor Mund- und Genitalbereich.
    "Aber dat waren meine Kerle alle, ohne Ausnahme: Alle eine Katastrophe im Bett. Hömma, so schnell konnt ich denen keinen Orgasmus vorspielen, wie die mir den geglaubt haben."
    "Also Mia ist schon immer mein Flaggschiff. Die muss sozusagen Raum schaffen."
    Etwa für die Dortmunder Pommesschlampe Witta, die meint:
    "Dat ich son Händchen hab für inne Kloake reinzupacken, ne, dat hat vielleicht auch watt damit zu tun, datt ich, äh, beim Denken immer so Pech hab."
    ...oder den im Verlauf seiner Nummer zunehmend besoffeneren Regierungssprecher Detlef:
    "Wenn man das nüchtern betrachtet: Was sind wir denn hier auch großartig? Wir sind doch nix weiter als ein schwimmendes Altenheim. Kuckt Euch doch mal selber an!"
    Steuersünden und Mutterliebe
    Egolandperspektiven aufs Muttiland - aus der Sicht der kleinen Leute: Es geht um Steuersünden und Mutterliebe, modische Egostelzen und Fremdenfeindlichkeit - und irgendwie auch um die unbewältigte Schuldenkrise. Resultat: Die Leute lachen sich schlapp - klar: vor allem die Frauen in diesem Kleinstbiotop von Kabarettbühne, denn auch wir Männer kriegen immer wieder unser Fett weg. Und zwar nicht zu knapp:
    "Deswegen sag ich immer: Ehe, das ist nix weiter als die Abkürzung für das lateinische Errare humanum est. Jawoll. Das heißt grob übersetzt: Irre sind männlich. Ne!"
    "Aber ich möchte in meinen Programmen nicht ausschließlich nur brüllkomisch sein, sondern mir gehts schon auch manchmal um ernstere Sachen, zum Beispiel ganz aktuell: eine nachdenkliche Nummer zum Thema Sterbehilfe. Und dazu brauch ich eben Mia, um da beizubürsten."
    Alles in allem: Ich hatte mir ein politischeres Programm vorgestellt, nach der Presseankündigung. Der Wunsch des Rezensenten. Die eine Sache. Erwartungshaltung: etwas enttäuscht. Aber wichtig ist: Es ist trotzdem ein sehr komisches Programm. Was will man mehr. Und Frau nimmt noch jede Menge Selbstbestätigung mit. Ist doch toll.
    Alle Termine unter: www.lioba-albus.de