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Kampf um Kobane
Der Druck auf die Türkei wächst

Luftangriffe der internationalen Koalition haben den Vormarsch der IS-Terrormiliz in Kobane nach kurdischen Angaben vorerst gebremst. Deutsche Außenpolitiker fordern nun die Türkei zum Handeln auf – und auch die Bundesregierung: Berlin müsse Ankara mehr Druck machen.

12.10.2014
    Von der Terrorgruppe IS getötete Kämpfer der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG sind in der türkischen Stadt Suruc beerdigt worden.
    Von der Terrorgruppe IS getötete Kämpfer der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG sind in der türkischen Stadt Suruc beerdigt worden - wegen der Kämpfe und der Massenflucht verschärft die Türkei ihre Grenzkontrollen. (AFP / Aris Messinis)
    Der Druck auf die Türkei wächst, Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien forderten das Land am Bosporus auf, dem Vormarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat IS nicht länger tatenlos zuzusehen. Die Erklärung der türkischen Regierung, sie werde nicht zusehen, wie die belagerte Grenzstadt Kobane durch die selbsternannten Gotteskrieger zerstört werde, müssten nun Taten folgen, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der Welt am Sonntag. Es seien jedoch kein türkischer Alleingang gefragt, sondern ein international abgestimmtes Vorgehen.
    Auch der Fraktions-Vize von CDU und CSU, Andreas Schockenhoff plädierte dafür, den politischen Druck auf die Regierung in Ankara zu erhöhen. Die Nato muss auf ihren Partner Türkei einwirken, forderte Schockenhoff. Die Luftangriffe der von den USA geführten Militärkoalition seien von begrenzter Wirkung, deshalb werde die Frage nach dem Einsatz von Bodentruppen immer relevanter.
    Volker Beck von den Grünen sieht auch Deutschland in der Pflicht, seinen Einfluss geltend zu machen. "Die Bundesregierung schweigt dazu, wo deutliche und klare Worte an unseren türkischen Verbündeten notwendig wären. Es ist höchste Zeit, dass Berlin den türkischen Botschafter einbestellt", sagte Beck Handelsblatt online. Die Linkspartei geht noch einen Schritt weiter. Mit dem Abbruch der militärischen Beziehungen und dem sofortigen Abzug der Patriot-Raketen müsse die Bundesregierung ein deutliches Zeigen gegen die fortgesetzte Blockadehaltung der Türkei setzen, forderte Sevim Dagdelen von der Linkspartei.
    Steinmeier verteidigt Ankara
    Außenminister Frank-Walter Steinmeier wies die Kritik zurück. Die Türken hätten Millionen von Menschen geholfen, in Flüchtlingslagern wenigstens ihr Leben zu retten. "Ich halte es daher nicht für ratsam, der Türkei aus der Ferne kluge Ratschläge über das richtige Verhalten zu geben", sagte Steinmeier dem Berliner Tagesspiegel. Kein westlicher Staat sei bereit, mit eigenen Bodentruppen in Syrien einzumarschieren, sagte Steinmeier. "Mit welchem Recht dürfen wir das dann von der Türkei fordern", fragte auch der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz im Deutschlandfunk:
    "Die Türkei soll in Syrien einmarschieren. Etwas, was die NATO bisher aus guten Gründen vermieden hat. Kein NATO-Staat möchte mit Bodentruppen in Syrien sein. Die Türkei soll das jetzt auf einmal machen, ohne dass jetzt wenigstens für den Norden Syriens ein abgestimmtes Konzept vorliegt, was aus meiner Sicht mindestens eine Flugverbotszone und einen Schutzkorridor für Flüchtlinge beinhalten müsste."
    "Mit militärischen Mitteln versuchen wir, den Aktionsraum des islamischen Staates einzudämmen", sagte Steinmeier, verwies auf die US-geführten Luftangriffe und Waffenlieferungen an die Kurden. "Mit der gleichen Kraft müssen wir aber einen neuen Anlauf für eine politische Lösung des syrischen Bürgerkriegs unternehmen", sagt der Sozialdemokrat. "Doch wie soll das gelingen?", fragt der Christdemokrat Polenz:
    "Die internationale Koalition ist dadurch auch gelähmt, dass der UN-Sicherheitsrat handlungsunfähig ist, weil Russland seine schützende Hand über Assad hält. Dazu die Verbindung von Iran zu Assad. Das ist schon eine ziemlich verknäuelte Gemengelage, die ein strategisch kluges Handeln auch schwierig macht."