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Kampfzone USA

Der Soldat Mike Deerfield kehrt aus dem Irak-Krieg zurück in die USA. Doch das, was er während seines Einsatzes erlebt hat, hat ihn grundlegend verändert und steht einer Heimkehr im Wege. Paul Haggis hat mit "Im Tal von Elah" einen eindrucksvollen Anti-Kriegsfilm gedreht.

Von Josef Schnelle | 06.03.2008
    Wenn ein Soldat heimkommt, dann bringt er den Krieg mit nach Hause. Die Angst, traumatische Erfahrungen, eine gewisse archaische Rohheit, vielleicht auch Schuld. Und manchmal ist er so tief verstrickt in die Kriegserlebnisse, dass an Heimkehr gar nicht zu denken ist. Wenn der Krieg das Mutterland erreicht, dann ist er nicht mehr die ferne Nachricht von einem Abenteuerschauplatz am anderen Ende der Welt. Das war das Thema deutscher Heimkehrerfilme der 50er Jahre und amerikanischer Filme der 70er Jahre, die vom Vietnamkrieg handelten. Wenigstens war der reale Krieg schon vorbei, als Hal Ashby 1977 "Coming Home - Sie kehren heim” eine Liebesgeschichte im Veteranenlazarett ansiedelte und Michael Cimino 1978 in "Die durch die Hölle gehen” von Männern erzählte, die von der Kriegserfahrung nicht loskommen.

    Jetzt entstehen in Amerika immer mehr Filme, die sich mit einem Krieg beschäftigen, der immer noch im Gange ist und sehr viele Menschen verändert hat. Paul Haggis, mit "Million Dollar Baby” gefeierter Drehbuchautor von Clint Eastwood, hat sich in seinem zweiten Film als Regisseur eine Heimkehr vorgenommen, die keine ist. Mike Deerfield ist tatsächlich schon daheim, aber den Weg zurück nach Hause hat er nicht gefunden. Dann gibt eine verkohlte Leiche Rätsel auf und Vater Hank Deerfield will sich nicht damit abfinden, dass sein Sohn auf die schiefe Bahn geraten sein könnte. Per E-Mail hat ihm sein Sohn irritierende Videos geschickt. Der pensionierte Militärpolizist will nicht glauben, dass sein Sohn sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hat.

    Diese Videos und Fotos – kleine rohe Amateurfilme und Schnappschüsse - repräsentieren das Element des Realismus und nur in diesen notizbuchartigen Filmzitaten zeigt uns der Film den Krieg im Irak. Filme wie sie wahrscheinlich gerade jetzt zu Tausenden gedreht werden und die die ganze Hässlichkeit des Krieges dokumentieren. Mit der Entdeckung solcher Filme hat das ganze Projekt eines Films über die Heimkehr ohne Hoffnung überhaupt angefangen. Das berichtet Paul Haggis im Interview:

    "Es war 2003, als ich ein paar merkwürdige Dinge über den Krieg hörte. Dann sah ich ein paar Videoclips, die Soldaten im Irak mit ihren Handys und Videokameras gedreht hatten. Das waren wirklich verstörende Bilder und ich fragte mich: Was geht da eigentlich vor? Und dann sprach ich mit einigen Kriegsveteranen, die mir ein paar wirklich harte Geschichten erzählten."

    Haggis hat sich entschieden, die Geschichte des Films ganz in der amerikanischen Gegenwart anzusiedeln. Tommy Lee Jones forscht der Geschichte seines Sohnes hinterher wie ein Sheriff aus einem Spätwestern. Er ist zäh und unberechenbar, so unbehaglich ihm die Geschichte seines Sohnes auch ist. Er will die Wahrheit herausfinden. Und er ahnt schon, dass sein Sohn nicht der kleine Junge geblieben ist, der die Geschichte vom Riesen Goliath, der vom kleinen Zwerg David mit einer Steinschleuder besiegt wurde, so geliebt hat. Im "Tal von Elah" hat - so steht's in der Bibel - diese Begegnung stattgefunden und daher stammt der Titel des Films, der mit Wucht des Archaischen nicht zimperlich umgeht. Mikes Kameraden in Fort Rudd in Mexico wiegeln ab, aber sie verraten doch warum Mike von den Kameraden Doc genannt wurde.

    Paul Haggis beschreibt ein Land, das seine moralischen Maßstäbe verloren hat. Vielleicht deshalb erscheint Hauptdarsteller Tommy Lee Jones so oft wie einer, der aus einem der klassischen Western entsprungen scheint. Am Ende des Films scheint es so, als sei der amerikanische Traum schon begraben. Das Sternenbanner ist nicht mehr die Fahne der Freiheit und der Irak-Krieg ist so hässlich wie alle seine Vorgänger. Das ist es, was dieser Anti-Kriegsfilm so eindringlich beschreibt.