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Katholische Kirche
Overbeck: Brauchen generelle Lösung für Wiederverheiratete

Weil viele Ehen und Partnerschaften scheiterten, gehe es darum, nicht mehr nur Einzelfallentscheidungen für den Umgang mit solchen Fällen zu treffen, sagt der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck im Deutschlandfunk. Auch in Bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften sei ihm wichtig, dass niemand ausgeschlossen werde.

Franz-Josef Overbeck im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Bischof Franz-Josef Overbeck
    Bischof Franz-Josef Overbeck (Nicole Cronauge)
    Jürgen Zurheide: Das jetzt zu Ende gehende Jahr war für die katholische Kirche nicht nur einfach, zumal für die katholische Kirche in Deutschland: Da ist einmal die Missbrauchsdebatte, aber da gibt es auch kritische Fragen zum Umgang mit Geld, und das eben nicht nur in Limburg, und dann gibt es die wachsende Distanz mancher Gläubiger zu ihrer Kirche, wie die Kirche jetzt in einer internen Befragung selbst festgestellt hat. Über all das wollen wir reden, und wir wollen reden mit dem Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Morgen!
    Franz-Josef Overbeck: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Zunächst einmal: Sie haben ja in Essen in Ihrem Bistum, noch bevor Rom diesen Dialogprozess angestoßen hat und genauer wissen wollte, was die Gläubigen eigentlich denken, haben Sie in Ihrem Bistum so etwas schon gemacht. Was war eigentlich die Idee, mal genauer nachzufragen?
    Overbeck: Die Idee damals war der Anstoß durch den Dialogprozess, den wir auf der Ebene Deutsche Bischofskonferenz und für Deutschland gemacht haben. Mir war klar, als ich damals Bischof von Essen wurde, das war in meinem ersten Amtsjahr: Wir müssen auch etwas tun, um inhaltlich zu gucken: Wie gehen wir eigentlich weiter nach vorne und was heißt das auch für unsere Art und Weise, als Kirche zusammenzuleben? Wir haben dann einen Dialogprozess auf den Weg gebracht, der sowohl sich mit allen Themen inhaltlicher Art beschäftigt hat, wie auch mit den Fragen, wie geht Gemeindeleben und was gehört dazu et cetera. Das hat ein Zukunftsbild hervorgebracht, mit dem wir jetzt die nächsten Jahre, glaube ich, gut nach vorne gehen können, in dem einfach mit sieben einfachen Worten dargelegt wird, wie heute Katholischsein gehen kann.
    Zurheide: Ich fasse das mal aus meiner Sicht zusammen, ich habe mir das genauer angeschaut. Wenn man sagt, die kirchliche Dogmatik ist zum Teil weit weg von der Lebensrealität der Menschen - das ist ja auch, was diese Umfrage in den verschiedenen Bistümern jetzt gezeigt hat, die anschließend gekommen ist -, ist das zu hart zugespitzt?
    Overbeck: Es kommt, glaube ich, eher darauf an, um welche Lebenswirklichkeiten es sich handelt. Im moralisch-sittlichen Leben ist es schon lange eine große Frage: Wie geht es eigentlich mit der (unverständlich, a. d. Red.) des Lebens sowohl mit dem Leben der Einzelnen weiter, wie aber auch mit dem Leben als Gemeinschaft? Und dann sind eben die Fragen der Sexualmoral wie auch der sozialethischen Perspektiven auf dem Prüfstand. Und das erleben wir momentan allerdings nicht neu, sondern schon sicherlich seit 30, 40 Jahren, so zumindest nehme ich das wahr.
    Zurheide: Die entscheidende Frage ist ja, was daraus folgt. Lassen Sie uns die Bereiche durchgehen: Ehe zum Beispiel. Da sagen Sie in Ihrem Dialogprozess oder das sind die Dinge, die Sie dort aufgeschrieben haben zum Beispiel: Besser wäre es, wenn das Scheitern als ein Teil des Lebens akzeptiert werden kann und ein neuer Anfang auch innerhalb der Kirche möglich ist. Was bedeutet das konkret?
    Overbeck: Es geht ja um die vielen Fragen, die die Geschiedenen und Wiederverheirateten betreffen, einmal, glaube ich, sehr im Sinn des Dienst- und Arbeitsrechtes - wo wir ja auch auf einem guten Weg sind, auch im Rahmen der Bischofskonferenz, Einzelfallentscheidungen sind immer schon möglich, die praktizieren wir auch -, es geht, glaube ich, aber angesichts dieser ja auch radikalen Dramatik, die das betrifft - sehr viele Ehen und Partnerschaften scheitern - um generelle Lösungen. Und das Zweite ist die immer wiederkehrende Frage: Was heißt das für den Zugang zur Eucharistie? Eine Frage, um die wir weiter ringen, das tun wir auch in der Bischofskonferenz - von daher, glaube ich, zumindest gute Zeichen, dass wir da einen Schritt nach vorne gehen.
    Zurheide: Ein Schritt nach vorne - heißt das automatisch, dass das harte Nein, das es bisher gibt, dass das möglicherweise verändert werden kann? Nur in Einzelfällen, oder welche Bedingungen brauchen Sie da?
    Overbeck: Also ich glaube, es ist erst mal angesagt, immer jeden Einzelfall anzuschauen und dann zu gucken: Was hat denn zu diesem Scheitern geführt und was bedeutet das auf Dauer? Und die wichtige Frage ist auch auf Dauer: Welche Bedeutung hat die Eucharistie und wie ist sie für die Menschen ein Mittel, das ihnen eben auch im Glauben hilft?
    Zurheide: Dann kommen wir noch mal auf ein anderes Thema, was auch schwierig ist: gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Da sagen Sie auch: Wer fest im Glauben steht, für den sollte eine kirchliche Segensfeier ermöglicht werden. Was bedeutet das?
    Overbeck: Das habe nicht ich gesagt, sondern das haben viele gefragt. Ich habe dann gesagt, es ist schon mal wichtig, anzunehmen und wahrzunehmen, dass es da viele Verhältnisse von Treue gibt. Dann gibt es aber auch die vielen Spannungsprozesse, in denen wir stehen, die sowohl mit der Bibel zu tun haben als auch mit der langen kirchlichen Lehre der letzten 2000 Jahre. Mir ist erst mal wichtig, ein sehr positives Signal zu setzen, dass niemand ausgeschlossen ist.
    Zurheide: Ich frage mal ganz grundsätzlich: Was wir gerade hier diskutieren - muss katholische Kirche, ja, ich benutze dieses Wort, weil es auch umstritten ist bei Ihnen, sich anpassen an Zeitgeist? Da werden Sie wahrscheinlich sagen: Nein. Aber wie muss sich katholische Kirche verändern, um wieder näher an die Gläubigen heranzurücken?
    Overbeck: Ich glaube, wir müssen mal wieder die Hierarchie gerade rücken: Was kommt zuerst und was kommt danach? Und das Allerwichtigste ist erst mal, dass sehen wir in diesen Zeiten ja sehr besonders deutlich, dass Menschen im Glauben leben, dass sie sich von Gott angenommen, aber auch gerufen wissen. Das hat dann immer Konsequenzen für das sittliche Leben, und das betrifft natürlich auch die Sexualmoral, aber nicht nur, das betrifft die Weise, wie wir sozial zusammenleben, aber nicht nur, und das wieder neu zusammen zu sehen, das ist mir wichtig, und dabei ja zu sagen: Zuerst geht es um den Glauben, den Gott schenkt. Wenn wir das nicht in einer solchen Weise neu an die Menschen bringen, werden immer Dinge zuerst genannt, die zwar auch wichtig sind, aber die nicht das Allerwichtigste sind.
    Zurheide: Stimmt denn die These, dass manche lebensfremde, auch katholische Dogmatik, dass das die Kluft zu den Gläubigen vergrößert, oder ist die These aus Ihrer Sicht falsch?
    Overbeck: Ich glaube, es ist heute neu angedacht, zu fragen: Was hat jeweils die einzelne Entscheidung, die da getroffen worden ist, mit dem Leben zu tun, und wie ist das im Leben auch umsetzbar? Und wir leben in wirklich radikal neuen Welten, die mit dem, was vor uns gewesen ist, oft nicht mehr ganz viel zu tun haben. Das hat sehr viel Konsequenzen für das Leben, vor allen Dingen für das Lebensgefühl der Menschen, und auch für die Art und Weise, wie sie glauben. Das kann ich auch an mir selber sehen. Und von daher hoffe ich, dass wir da wirklich einen guten Schritt weitergehen, da wir in einer neuen Kultur leben.
    "Papst Franziskus ist ein Riesen-Segen für uns"
    Zurheide: Der Papst gibt ja jetzt Impulse, ich fasse das auch mal mit einem Satz zusammen, dass die Kirche mehr ins normale Leben muss und auch vielleicht ins normale Leben ohne bestimmte Zeichen von Macht und Wohlstand. Ist das etwas, wo Sie sagen, eigentlich richtig und da müssen wir uns auch neu erfinden?
    Overbeck: Ja, wir müssen sicherlich neu sehen, wie wir leben, ohne dabei den kühlen Kopf zu verlieren, den man immer braucht, wenn man für ganz viele Menschen zuständig ist, die ja in sehr, sehr unterschiedlichen Lebensumständen leben. Aber Bescheidenheit, Transparenz, Kontrolle, das sind wichtige Stichworte, die da gelten, und gleichzeitig auch das, was der Papst selber - wie ein großer und guter Pastor - ja vorlebt: die Nähe zu den Menschen, wobei ich beim Letzten sagen muss: Das tun wir schon auf tausendfache Weise und das geschieht auch sehr glaubwürdig. Aber wir müssen da ein neues Miteinander finden von Glaube und Kultur, wie ich gerade schon einmal gesagt habe, und das ist dasjenige, was wir, durch den Papst angestoßen, glaube ich, noch mal neu nach vorne bringen können. Von daher ist Papst Franziskus ein Riesen-Segen für uns.
    Zurheide: Sie haben ja, als diese Finanzdebatten - auch bezogen auf Limburg - da waren und die katholische Kirche bedrängt haben, haben Sie als einer der Ersten offengelegt, welches Vermögen Sie in Essen haben. Was war das für ein Zeichen?
    Overbeck: Das war für mich ein ganz wichtiges Zeichen, um deutlich zu machen: Es gibt nichts zu verheimlichen. Alle Menschen reagieren sehr sensibel, wenn es um das Geld geht, so natürlich auch ich persönlich und die Kirche als Ganze. Und da wir nichts zu verheimlichen haben und da wir ja das Geld anderer Leute verwalten, die es uns gegeben haben aus welchen Gründen auch immer und mit welchen historischen Bedingungen auch, machen wir es offen und zeigen, was wir da haben. Wichtig ist nur, dass man auch klar macht: Diese Zahlen kann man nur im angemessenen Rahmen verstehen. Sie alleine da hinzustellen, reicht nicht aus, um zu sagen: Welche Bedeutung haben sie und wofür sind sie eigentlich da, die Summen, die da angesammelt worden sind? Gleichzeitig denke ich, für uns im Bistum Essen ist Transparenz immer schon ein wichtiges Kriterium gewesen - daran halte ich mich.
    Zurheide: Sie haben diesen Dialogprozess angesprochen, der auch sehr früh bei Ihnen im Bistum begonnen hat. Wie weit geht das eigentlich, heißt Dialog jetzt Mitbestimmung? Also in vielen politischen Parteien haben wir das inzwischen, dass dann die Mitglieder befragt werden. Also dass die Mitglieder demnächst befragt werden, welcher Bischof irgendwo hinkommt, das geht dann zu weit oder wie weit geht dieser Dialogprozess für Sie?
    Overbeck: Der Dialogprozess betrifft alle Ebenen unseres Bistums, und im Rahmen der Mitsprache haben wir, glaube ich, schon eine gute Form gefunden mit den Gremien, die hier von den Laien und anderen gebildet worden sind, die mitbestimmen. Mir ist auch wichtig, zu zeigen: Das, was wir da tun, müssen wir auch geistlich machen, das heißt, es hat immer was mit dem Glauben zu tun und ist nicht einfach ein Abbild dessen, was die demokratisch-politische Kultur momentan macht. Aber es ist gleichzeitig ernst- und anzunehmen, was das Volk Gottes sagt. Wenn ich dann daran denke, der Papst wird gewählt, ein Abt eines Klosters wird gewählt, aber gleichzeitig ist die letzte Entscheidung immer eine persönliche Entscheidung dessen, der die letzte Verantwortung hat, und daran zu halten, glaube ich, ist gut katholisch, und sich gleichzeitig immer verbindlich beraten zu lassen und das nicht ins Unverbindliche zu führen, eine Aufgabe, die heute zu erfüllen ist.
    Zurheide: Welche Wünsche haben Sie für das kommende Jahr für Ihre Kirche, oder haben Sie eher Wünsche für die anderen, die sich Ihnen anvertrauen?
    Overbeck: Zum einen für die Kirche und selber, dass wir offen sind für die vielen, vielen Suchenden - hier als Ruhrbischof in unserer Region kann ich das ja tausendfach feststellen -, gleichzeitig viel Mut, die vielen Formen von Armut wahrzunehmen und sich dafür einzusetzen, das tun wir schon, das können wir noch intensivieren. Ich finde wichtig, Gottesdienste zu feiern, die die Menschen anrühren. Das wünsche ich mir für unser Bistum. Wir sind ja mit unserem Zukunftsbild da auf einem guten Weg und werden viele Schritte tun, um das näher an die Menschen zu bringen. Ich wünsche uns in Deutschland ein waches Gespür - ich bin ja für Adveniat auch zuständig, also Lateinamerika und als Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr - für die Aufgaben, die wir in der Welt wahrzunehmen haben. Das gilt nicht nur für uns Katholiken, das gilt für alle Menschen, mit denen wir hier leben.
    Zurheide: Das war der Essener Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch, danke schön!
    Overbeck: Bitte schön und frohe weihnachtliche Tage noch!
    Zurheide: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.