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Katholische Sexualaufklärung
Die große Zyklusshow

Die Pille ist nach katholischer Lehre verboten. In einem Workshop bringen Fruchtbarkeitsexpertinnen Schülerinnen und Schülern Grundlagen für die natürliche Familienplanung nahe. Das Angebot ist gefragt und umstritten: Konservativen Kreisen ist es zu freizügig, liberalen zu lebensfern.

Von Lena Gilhaus | 20.02.2019
Eine Gebärmutter aus Samt, die Herzchen symbolisieren das Hormon Östrogen - ein Ausschnitt aus dem Workshop "Die große Zyklusshow".
Die Gebärmutter ist aus Samt, die Herzchen symbolisieren das Hormon Östrogen. (Deutschlandradio/Lena Gilhaus)
Das Klostergelände Knechtsteden bei Dormagen. Hier liegt das katholische Norbert-Gymnasium. Und hier findet heute für die Mädchen der Klasse 6d eine Zyklusshow statt. Die Schülerinnen warten noch auf dem Flur, Referentin Elena Werner vom Erzbistum Köln ist schon in der Klasse und legt Pannesamt aus:
"In Form einer Gebärmutter, zwei Eileitern und der Scheide", erklärt sie. "Und das muss ich im Vorhinein machen, damit es schön aussieht, wenn die Mädchen reinkommen und einige Materialien sind auch versteckt unter dem Stoff."
Der Stuhlkreis wird gestürmt. Ein blondes, lockiges Mädchen schaut runter auf den violetten Pannesamt, rümpft die Nase und rollt mit den Augen.
"Ich möchte euch heute einen Einblick geben, was zwischen einer Blutung und der anderen, Spannendes passiert.", erklärt Elena Werner und legt eine goldene Kugel, einen Luftballon und eine Babypuppe auf den Samt.
Die "Gleichung des Lebens", sagt Elena Werner, werde Wirklichkeit, wenn ein Mann und eine Frau, die schon miteinander bekannt seien, einander ihre Liebe zeigten: "Und in diesem Moment wird der Penis des Mannes steif und kann in die Scheide der Frau gleiten und inmitten von ganz schönen Gefühlen hat der Mann einen Samenerguss in die Scheide der Frau."
Kuscheltiere und Herzchen wandern
Die Mädchen kichern. Sie dürfen jetzt rosafarbene und blaue Ballons mit Lieblingsmädchen- oder -jungennamen beschriften. Dabei sind: "Lucie, Sophie, Max, Paul."
Die Spermien-Ballons liegen auf Plastikzitronenscheiben auf dem Samt: Die symbolisieren das saure Milieu in der Scheide, erfahren die Mädchen. Eine unwirtliche Gegend für Spermien. Und zu den Eierstöcken geht’s auch nicht, den Muttermund verschließt ein Karabinerhaken:
Elena Werner vom Erzbistum Köln erklärt Schülerinnen den weiblichen Zyklus.
Elena Werner vom Erzbistum Köln erklärt Schülerinnen den weiblichen Zyklus. (Deutschlandradio/Lena Gilhaus)
Elena Werner verteilt rote Herzchen auf der Gebärmutter. "Das ist das weibliche Hormon, es heißt Östrogen", sagt sie. Und das fegt jetzt den Karabiner weg und wählt eine der Eizellen zur Königin, die springen darf. Kuscheltiere und Herzchen wandern in die Gebärmutter, Nährstoffe für den Embryo. "Das Luxushotel in der Gebärmutter wird vorbereitet", erklärt Elena Werner.
Dann holt sie Schokolade und Trinkpäckchen unter dem Stoff hervor, auf dem die Spermien-Ballons liegen. "Die sind nicht mehr sauer, sondern süß", sagt eine Schülerin. "Genau, Zucker." Der Zucker stellt Zervixschleim dar. Den hat Zyklusshow-Erfinderin Elisabeth Raith-Paula bei der Recherche für ihre Doktorarbeit kennengelernt:
"Eine Frau geht auf die Toilette, wischt sich mit dem Toilettenpapier anschließend ab und es flutscht. Was ist das? Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt: ,Gott, es ist irgendetwas mit mir nicht in Ordnung.' Und im Nachhinein hab` ich natürlich erfahren, dass dieser Zervix-Schleim im Grunde das wichtigste Zeichen unserer Fruchtbarkeit ist, ohne das es uns nicht gäbe. Da herrscht eine große Unwissenheit."
"Wir sind alle Gewinner!"
Mit teils dramatischen Folgen, sagt die Anästhesistin: "Ich werde nie vergessen: Eine 17-jährige Realschülerin hat mich mit großen Augen angeschaut und gesagt: 'Ich verklage heute noch meinen Bio-Lehrer.' Was war passiert? Sie hat sich Schulwissen gemerkt, dass der Eisprung am vierzehnten Tag stattfindet und hatte nur ein einziges Mal am 26. Tag mit ihrem Freund Verkehr, ist ungeplant schwanger geworden und hat erst in dieser Runde erfahren, dass es eben nicht so ist."
Ausgehend von solchen Erfahrungen habe sie 1999 das Projekt "My Fertility Matters", "Meine Fruchtbarkeit zählt" gegründet: "Ich möchte Frauen unterstützen, einen positiven Zugang zu ihrem Körper zu gewinnen. Und daraus ist dann die Zyklusshow entstanden - für die Mädchen am Anfang der Pubertät", sagt Raith-Paula. In der "Zyklusshow" heute gehen die Spermien jetzt gestärkt ins Rennen zum Ei. Nur ein Mädchen kann heute den Hauptgewinn ziehen.
Elena Werner fragt: "Aber wie sind wir entstanden? Die Königin der Eizellen und die Spermie war eine von mehreren Tausend. Und wenn wir jetzt Lose ziehen und nur eine gewinnt, müssen wir uns trösten, dass wir alle schonmal gewonnen haben.
Schülerin: "Wer hat gewonnen?"
Die weibliche Spermie "Mia" von der stillen Sophia. Ei und Spermie ersetzt jetzt eine Babypuppe. Verliererin Sarah nimmt Abschied. Sie sagt lachend: "Die arme, kleine Victoria überlebt nicht, sie bleibt in unseren Herzen. Victoria! Eine Trauersekunde für Victoria!"
Aber dann erinnern sich die Mädchen an die Ansage der Referentin: Wir sind alle Gewinner!
Was der Papst dazu sagt
Die erste Halbzeit ist rum. Wie fand sie das lockige Mädchen, das anfangs die Nase gerümpft hat?
"Wir dachten, vielleicht wäre Schule jetzt doch ein bisschen geiler, aber im Nachhinein ist es auch interessant. Ich fand`s gut, dass so viel bildlich erklärt wurde, mit den ganzen Herzen."
Was war neu für die Schülerinnen? Sarah: "Das mit dem Östrogendings". "Das ist wohl ein Hormon, das irgendwie, den Muttermund öffnet und dass es den Spermien besser geht."
Elena Werner koordiniert alle Workshops von "My Fertiliy Matters" im Erzbistum Köln. Warum führt die katholische Kirche solche Zyklusshows durch? Sie sagt: "Die Zyklusbeobachtung hat einen speziellen Wert in der Kirche. Es gibt auch Zeiten, die fruchtbar und unfruchtbar sind, und dieses Wissen darum, macht es überhaupt erst möglich, dass Frauen, Mädchen, die natürlichen Methoden der Empfängnisregelungen kennenlernen."
Undatierte Aufnahme von Papst Paul VI.
Papst Paul VI. (picture alliance / dpa)
Ausgerechnet 1968 erklärte ein Papst: Künstliche Verhütungsmittel wie Kondome und die damals noch recht neue Pille sind verboten. "Humanae Vitae" hieß das Schreiben Pauls VI. Es wird zwar von Katholikinnen und Katholiken kaum noch befolgt, wie Umfragen zeigen, aber dass es das Verbot gibt, gehört zu den bekanntesten Inhalten der katholischen Lehre. Außerdem wurde der dafür zuständige Papst Paul VI. im vergangenen Jahr heilig gesprochen.
"Was wollen Sie mit dem Quatsch?"
Zyklusshow-Erfinderin Elisabeth Raith-Paula ist eine Vertreterin der "natürlichen Familienplanung". Dabei bestimmen Mädchen anhand ihrer Basal-Temperatur, des Muttermundes und der Zervixschleim-Konsistenz ihre frucht- und unfruchtbaren Tage. Die katholische Organisation "Malteser" hat diese Methode unter dem Namen "Sensiplan" patentiert. Ihren Angaben zufolge sei diese Verhütungsform sicherer als die Pille – bei korrekter Anwendung und bei Verzicht auf Sex an den fruchtbaren Tagen, wohlgemerkt.
Elisabeth Raith-Paula kritisiert, dass darüber wenig bekannt sei, stattdessen häufig die Pille empfohlen werde, die, wie sie sagt, die körpereigenen Abläufe künstlich ersetze und schädlich auf Knochenbau und Blutgerinnung wirke.
Dass wenig bekannt sei, bestätigt auch Gabrielle Stöcker. Sie sitzt in einem gemütlichen Sprechzimmer in Köln Kalk, einer der 180 Beratungsstellen von Pro Familia und beantwortet hier häufig Fragen zur Verhütung. Aus ihrer Ausbildung zur Frauenärztin stamme ihr Wissen aber nicht, sagt sie:
"Da spielten die Verhütungsmittel gar keine Rolle. Das ist natürlich sehr schade und das würde ich schon so unterschreiben, dass es in der Ärzteschaft durchaus auch Unwissen da ist."
Eine Frau greift am nach ihrer Pille, die auf dem Nachtschrank liegt
Eine Frau nimmt die Pille ein (dpa / Christin Klose)
Die Gynäkologin hat eine Sensiplan-Fortbildung besucht und hält die Verhütungsmethode für sicher, wenn man sich an das Regelwerk halte. Von Frauen in ihrer Beratung höre sie aber oft:
"Bei meinem Frauenarzt, Frauenärztin geht es eigentlich immer nur um die Pille und alles andere wird als unsicher abgetan. Und was wollen Sie mit dem Quatsch?'"
Joghurt und Aloe Vera
Schlecht aufgeklärt fühlte sich auch Anna Maskos, die gerade auf der Ehrenstraße in Köln steht.
Sie erzählt: "Ich hab` von 17 bis 25 hormonelle Verhütung angewendet. Und mit 25 musste ich dann wegen eines Verdachts auf ein Gerinsel hinterm Auge, ausgelöst durch die hormonelle Verhütung, die Hormone absetzen und hab daraufhin von natürlicher Familienplanung erfahren. Da ist mir aufgegangen, dass das viel früher schon im Leben einer Frau oder eines Mädchens vorkommen sollte."
Heute verhütet sie mit "Sensiplan", ist Zyklusshowreferentin und angehende Beraterin für natürliche Familienplanung. Sie höre oft, dass Frauen mit Kinderwunsch falsch beraten würden: "Dass die Ärzte den Leuten dazu geraten haben in der absolut unfruchtbaren Zeit Verkehr zu haben. Da herrscht ein großes Unwissen anscheinend."
Das will Anna Maskos jetzt mit einer Umfrage zeigen. Sie fragt Passantinnen und Passanten: Wie lang ist die Zeitspanne, in der eine Eizelle befruchtet werden kann?
Passantin 4 mit Mann: "Ich glaube, das sind schon zwei, drei Tage, oder?"
Junger Mann: "Ich glaub, ein Monat."
Passantin: "Ich glaube einen Tag, aber ich weiß es nicht genau."
Anna Maskos: "Es sind tatsächlich nur zwölf bis 18 Stunden. Wie können Spermien lange verharren und warten, bis sie springt?"
ausl Frau: "Die Bedingungen sind eigentlich egal." (lacht) "Die sind sehr zäh!"
Passantin mit Mann: "Weil sie sich an der Gebärmutterwand festkrallen?" (Beide lachen).
Anna Maskos: "Wusstest du von Zervixschleim?"
Frau: "Nee wusste ich nicht. Ich bin sehr gut im Bilde, wie ihr seht."
Illustration: Befruchtung einer Eizelle durch Spermien
Illustration: Befruchtung einer Eizelle durch Spermien (imago stock&people)
Zurück in der "Zyklusshow" lernen die Schülerinnen den Zervixschleim jetzt näher kennen. Elena Werner gibt Joghurt, Mehl mit Wasser und eine angeschnittene Aloe Vera-Pflanze herum:
"Dann könnt ihr mal prüfen, wie sich das anfühlt, die Proben auch ein bisschen vergleichen."
Mädchen: "Das fühlt sich an, wie flüssiger Teig, schleimig."
Erst lustig, dann eklig
Die Schülerinnen vollführen mit den künstlichen Proben eine Art Zervixschleimuntersuchung, die Teil der "Sensiplan"-Methode ist. Dass die Vorführung Berührungsängste nimmt, bezweifelt Gabriele Stöcker allerdings.
Sie sagt: "Wenn die das so schon eklig finden und die finden das ja ganz lustig und spannend. Aber das auf sich selbst zu übertragen und zu sagen: Boah, da muss ich mir in meine Scheide fassen und diesen Schleim anfassen. Das ist schon ein großer Schritt und ich glaube, den finden erst mal viele ganz eklig."
Darum gehe es in der Vorführung auch nicht, bekräftigt Elisabeth Raith-Paula: "Sensiplan" und "Zyklusshow" hätten nichts miteinander zu tun. Sie erklärt: "Da geht es zunächst einmal darum, dass die Mädchen erfahren, es gibt diesen Schleim. Da ist eben nichts Krankhaftes, keine Infektion."
Ihr Buch "Was ist los in meinem Körper – Alles über Zyklus, Tage, Fruchtbarkeit" für Mädchen in der Pubertät und junge Frauen spricht die "Sensiplan"-Methode aber explizit an – als "sicherste Methode" zu verhüten.[*] Das Buch hat bei Amazon fast nur positive Bewertungen, aber diese Rezensentin kritisiert, "... dass die relativ große Gefahr besteht, bei nicht sachgemäßer, disziplinierter Kontrolle schwanger zu werden, wird hier meines Erachtens außer Acht gelassen. Das halte ich für äußerst problematisch."
Hält Gynäkologin Gabrielle Stöcker "Sensiplan" für eine adäquate Verhütungsart für Jugendliche? "Je mehr ich verstehe, desto besser kann ich ungewollte Schwangerschaften verhindern. Ich muss das lernen. Mir persönlich sind kaum Jugendliche bekannt, die mit ,Sensiplan' verhüten."
Verzicht statt Verhütung
Elisabeth Raith-Paulas Antwort fällt ähnlich aus: "In der Jugend brauche ich eine ganz sichere Verhütung, und ich habe vielleicht auch nicht die feste Beziehung. Und da ist natürlich die Pille oft die Entscheidung, die ich treffen muss in der Abwägung. Dazu braucht man die nötige Information."
Anders sieht das Elena Werner vom Erzbistum Köln. Würde die Partnerschaft für "Sensiplan" nicht passen, empfiehlt sie Jugendlichen Verzicht statt Verhütung. Sie sagt: "Meiner Meinung nach gehören Themen auch noch in dieser Altersstufe überhaupt: Wie baut sich Beziehung auf, mit wem will ich Geschlechtsverkehr haben? Diese Geschichte gehört ja noch davor, bevor ich überhaupt über Geschlechtsverkehr nachdenke."
Die katholische Kirche erlaubt Sex nur innerhalb der Ehe, und die Methode "Sensiplan" setzt eine eheähnliche, vertrauensvolle und monogame Beziehung voraus: Denn sie schützt nicht vor Geschlechtskrankheiten. Das Paar muss während der fruchtbaren Tage auf Sex verzichten, und das können 30 bis 50 Prozent der Zykluszeit sein.
Gabrielle Stöcker: "Das Zauberwort ist Enthaltsamkeit. Und Teenager sind nicht unbedingt die Altersgruppe, die sich an Regeln hält. ,Sensiplan' wird ja auch von den Maltesern gefördert. Ein sehr katholischer Verband. Dieses Thema Enthaltsamkeit hat sicherlich etwas mit diesem katholischen Blick auf Sexualität zu tun."
Warum den Spermientod im Kondom verhindern? ,Sensiplan' rettet ihr Leben auch nicht. In der enthaltsamen Phase lösen sich Spermien ständig im Hoden wieder auf oder sie sterben in der Frau, beim Sex an den unfruchtbaren Tagen…
Gabrielle Stöcker sagt: "Wenn ich moralisch und ethisch denke, suche ich mir natürlich auch Aspekte raus, die ich brauche und die, die ich nicht brauche, die lasse ich unerwähnt."
Mann-Frau-Ehe-Kinder
Zurück im Klassenraum springt wieder ein goldenes Ei auf den Pannesamt. Diesmal sind aber keine Spermien-Ballons da.
Ein Schaubild aus dem Workshop "Die große Zyklusshow".
Ein Schaubild aus dem Workshop "Die große Zyklusshow". (Deutschlandradio/Lena Gilhaus)
Es gibt Trauer um das unbefruchtete Ei. Kinderkriegen außerordentlich positiv darzustellen, sei aber nicht die Absicht ihres Aufklärungsprogramms, sagt Elisabeth Raith-Paula: "Das ist ein wirklich wichtiges Missverständnis. Fruchtbarkeit ist viel mehr als Kinderkriegen. Das ist nur ein ganz winziger Anteil, Fruchtbarkeit ist unsere Identität, mit unserem Körper, mit unseren Symptomen."
Elena Werner hat in der Pannesamt-Gebärmutter wieder ein Luxushotel aus Spielsachen gebaut, aber das sei ohne Befruchtung überflüssig: "Was macht der Körper mit der ganzen Luxusausstattung?", fragt sie.
Ein Mädchen antwortet: "Der spült das raus."
Elena Werner: "Und was ist das dann?"
Mädchen: "Die Blutung!"
Die Mädchen schieben jetzt gemeinsam Herzchen und Kuscheltiere aus der Gebärmutter hinaus. Frauenärztin Gabrielle Stöcker findet die Vorführung anschaulich, gut, um Kindern den Ekel zu nehmen, kritisiert aber, dass ausgeblendet werde, "dass man eben manchmal einfach nur Sex miteinander hat, und gerade kein Kind haben möchte, weil es auch lustbetont ist."
Homosexuelle und Transgender kommen in der "Zyklusshow" nicht vor. Elena Werner sei das bislang noch gar nicht aufgefallen, sagt sie. "Da könnte man natürlich auch diese Offenheit reinbringen, aber mir ist es in dieser Altersstufe tatsächlich noch nicht groß als Thema begegnet, außer natürlich Transgender… da ist natürlich die Frage, wie nehmen die diese Kurse an?", sagt Werner.
Gynäkologin Gabrielle Stöcker glaubt: weniger gut. Sie sagt: "Mann-Frau-Ehe-Kinder. So! Das ist der Weg, den die katholische Kirche vertritt, in diesen ,Zyklusshows'. Jugendliche, die sich da nicht wiederfinden, werden sich aber in solchen Kursen auch eher nicht zu Wort melden …"
Nicht katholisch genug?
Anderen ist das Programm nicht katholisch genug: Der "Freundeskreis Maria Goretti" kämpft für das Recht auf ein Aufwachsen in Keuschheit und Reinheit. Der Verein, zu Interviews nicht bereit, zitiert online eine Mutter, die auf der Website von "My Fertility Matters" erschreckende Bilder gefunden habe:
"Es ist erschreckend, wie ausnahmslos alle Kinder in Mimik und Gestik zeigen, was sie fühlen. Vier Stunden müssen sie sich mit einer Plüschriesenvagina (…) beschäftigen. Meine Kritik wird von allen Seiten abgelehnt (…). Ich denke, es liegt daran, dass die jetzige Elterngeneration selber schon so sexualisiert ist …"
"Ja, es sind alle sexualisiert. Es ist echt erstaunlich, dass eine Frau eine Vagina hat und n` Mann einen Penis hat", amüsiert sich Gynäkologin Gabrielle Stöcker über den Eintrag. Solche Kritik treffe ihren Verein selten, sagt Elisabeth Raith-Paula:
"Allerdings ist natürlich in manchen Kreisen der Ansatz, die Kinder komplett nicht aufzuklären. Mit dem Ansatz tun wir uns auch schwer. Und da gibt es vielleicht bei manchen Einstellungen dann keine Brücke."
Sarah: "Iii, guck mal, uuh, iiih! Das geht mega auf!"
Sarah beträufelt gerade einen Tampon mit Traubensaft. Die Mädchen lernen zum Schluss Hygieneartikel kennen. Welches Fazit ziehen die Schülerinnen der 6d jetzt am Ende der Zyklusshow?
Sarah: "Das haben wir hier neu gelernt. Dass man auch schwimmen gehen kann mit diesen Tampons."
Jana: "Also ich fand, dass die Workshopleiterin wirklich gute Ideen hatte, mit Gegenständen irgendwelche Sachen darzustellen."
Mädchen: "Ich sag mal, diese Wörterbenutzung, wo alle lachen und nicht mehr reden wollen und dann konnte man sich einfach normal hinsetzen und darüber reden."
"Schamzerstörend und stimulierend"
Das lehnt der Freundeskreis Maria Goretti in einem Online-Statement zu "My Fertility Matters" entschieden ab und findet:
"Dass das intensive, detaillierte Beschäftigen und Befrachten von Kindern schamzerstörend und stimulierend wirkt und nicht der überlieferten kirchlichen Lehre (…) entspricht, auch wenn man sich darauf beruft, "wertorientierte sexualpädagogische Präventionsangebote" zu machen und sich darin wohl von "pro familia" etc. unterscheiden mag."
Bei Pro Familie arbeitet Gynäkologin Gabrielle Stöcker, die wiederum die katholischen Werte hinter den "Zyklusshows" kritisiert. Dennoch verteidigt sie den Verein gegen die Kritik der Aufklärungsgegner:
"Also, jetzt gibt man sich schon Mühe, das Thema Sexualität mal grundsätzlich aus der Tabuzone zu holen. Das ist ja schon mal ein Ansatz. Dass es so ja ganz unter den Tisch gekehrt werden soll, ist glaube ich für die psycho-emotionale Entwicklung nicht unbedingt förderlich."

[*] Anmerkung der Redaktion: Elisabeth Raith-Paula legt Wert auf die Feststellung, dass "Sensiplan" nur unter den Methoden der natürlichen Familienplanung die sicherste ist. Die Behauptung, sie sei bezogen auf alle Verhütungsmethoden die sicherste, hat sie nicht aufgestellt.