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Kein Platz für Laizisten in der SPD

Die sozialdemokratische Partei entstammt ursprünglich einem antiklerikalen Milieu. Erst mit dem Godesberger Programm 1959 überwand die SPD ihre antikirchliche Haltung. Heute will sie keinesfalls erneut in den Verdacht geraten, eine Partei mit kirchenfeindlichen Positionen zu sein. Doch die Gesellschaft ist längst viel pluraler.

Von Annette Rollmann |
    Informell treffen sich Laizisten mit sozialdemokratischem Parteibuch aus allen Teilen der Bundesrepublik bereits seit dem Jahr 2010. Doch jetzt wollen sie aus der Anonymität heraus und offiziellen Arbeitskreis innerhalb der Partei gründen, der gleichberechtigt neben dem Arbeitskreis der Christen auftreten darf. Mittlerweile kommen die Laizisten auf rund 1000 Anhänger. Doch der Parteivorstand verwehrt ihnen den offiziellen Status. Nicht einmal die Bezeichnung "laizistische Sozialdemokraten" ist dem Willy-Brandt-Haus genehm.

    "Laizistische Sozis" nennen sie sich deshalb. Ihre inhaltlichen Forderungen: Sie wollen den Religionsunterricht an den Schulen und die theologische Forschung an den Universitäten verbannen, alle Kreuze aus öffentlichen Gebäuden abhängen und sogenannte kirchliche Privilegien abschaffen. Rolf Schwanitz, sächsischer Bundestagsabgeordneter und einer der Sprecher der Laizisten, tritt ganz grundsätzlich für eine strenge Trennung von Staat und Kirche ein:

    "Wir müssen weg von einer Tabuisierung dieser Fragen, nur weil dort Kirche drauf steht. Wir sind der Auffassung, dass Deutschland sich weltanschaulich, auch glaubensseitig, erheblich verändert hat und weiter verändert. Die SPD kennt Arbeitskreise für Religionsgemeinschaften; den Arbeitskreis Christen oder den Arbeitskreis für jüdische Sozialdemokarten. Wir sind der Auffassung, dass es höchste Zeit ist, dass auch konfessionsfreie Sozialdemokraten sich organisieren und ihre Interessen bündeln."

    Unterstützung bekommen die Laizisten auch aus der Wissenschaft. Professor Thomas Stamm-Kuhlmann, der in Greifswald Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit lehrt und sich als Historiker und Parteimitglied mit der Geschichte der Sozialdemokratie befasst hat, kritisiert die Linie der Parteiführung:

    "Ich kann das Verbot schwer nachvollziehen, das wird zwar mit der Beschlusslage der Partei begründet, aber man müsste schon den Mitgliedern in der Partei entgegen kommen und ihnen eine deutliches Zeichen setzen, dass die Konfessionsfreien in der SPD einen Platz haben."

    Die Laizisten verweisen auch auf die stark anwachsende Gruppe der Konfessions- und Religionslosen in Deutschland. Die machen inzwischen ein Drittel der Bevölkerung aus. In Ostdeutschland gehören sogar etwa 70 Prozent der Bevölkerung keiner Glaubensgemeinschaft an. Die beiden großen Kirchen kämpfen mit einem Mitgliederschwund. Gleichzeitig wächst die Zahl der Muslime in Deutschland: Rolf Schwanitz:

    "Wir sind nicht mehr wie 1945 eine Bevölkerung, die zu 95 Prozent aus Christen besteht. Nach unserer Überzeugung muss das Verhältnis zwischen Staat und Religion neu justiert werden, neu ausgerichtet werden, im Sinne eines gleichen Abstandes für alle."

    Der SPD-Parteivorstand sieht das jedoch anders. SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm unter anderem bei Facebook dazu Stellung: Zwar habe er nichts gegen Laizisten, aber eine strikte Trennung von Kirche und Staat liege nicht auf Parteilinie. Deshalb wolle er auch nicht, dass solche Forderung von einem Arbeitskreis der Partei und damit im Namen der SPD propagiert würden. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, prominenter Sozialdemokrat, steht den Laizisten kritisch gegenüber. Thierse ist Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und einer der Sprecher der Christen in der SPD.

    "Die Laizisten sind an die Öffentlichkeit getreten mit einem Forderungskatalog, der das Programm der SPD, der im Grunde auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verändern will ... Darin steckt der Versuch, anstelle der weltanschaulichen Neutralität des Staates, eine laizistische Weltanschauung also eine staatsoffizielle Weltanschauung treten zu lassen ... Der Staat der Bundesrepublik Deutschland ist aber nicht laizistisch, sondern lädt alle Menschen mit ihren unterschiedlichen religiösen Überzeugungen ein, am Gemeinwesen mitzuwirken. Er verlässt sich geradezu darauf, dass es Menschen gibt, die aus ihren religiösen Überzeugungen politisch, sozial, kulturell mitwirken an diesem Gemeinwesen. Er vertritt selber keine Weltanschauung."

    Wolfgang Thierse versteht die Laizisten also nicht als eine neutrale Gruppe, die lediglich fordert, was auch das Grundgesetz formuliert. Sein Argument lautet: Ein Staat, der sich aus dem Bereich der Religion heraushält und Kruzifixe in Schulen verbietet, gibt seine Neutralität auf. Den Laizismus stuft Thierse gerade nicht als neutral ein. Für ihn ist er Partei im Streit der Weltanschauungen.

    Das sieht auch der evangelische Theologieprofessor Rolf Schieder von der Humboldt-Universität Berlin so.

    "Das Problem der Laizisten ist, dass ihr politisches Programm darin besteht, dass sie das Religiöse aus dem öffentlichen Leben überhaupt verdrängen wollen und damit käme die SPD in einen Selbstwiderspruch."

    Schieder, der auch Sprecher des Forschungsbereichs Religion und Politik an seiner Universität ist, räumt zudem mit einem Missverständnis auf.

    "In unserer Verfassung ist nirgendwo die Rede von Trennung von Kirche und Staat. Das ist eine Formulierung, die sich im Alltagsgebrauch durchgesetzt hat. Staat und Kirchen arbeiten auf allen Ebenen engstens zusammen."

    Ganz anders sieht das Historiker Stamm-Kuhlmann. Er räumt zwar ein, dass das Grundgesetz eine Nähe des Staates zu den christlichen Kirchen vorsieht. Doch grundlegende Bedenken hat er angesichts der Forderungen der Laizisten nicht.

    "Es geht nicht um den Wesensbestand des Grundgesetzes und der dort geschützten Rechte. Die will ja niemand antasten. Sondern ganz im Gegenteil. Es käme viel mehr darauf an, dass die Werte, die das Grundgesetz vertritt, auch auf andere Weise als auf christlichen Wegen erreicht und begründet werden können ... Zunächst einmal gibt es Gewissensüberzeugungen, die sehr viele Menschen teilen, die nicht religiös erzogen wurden, und das sind dann merkwürdigerweise dieselben wie die, die religiöse Menschen auch haben, sodass ich annehme, wir könnten hier eine gemeinsame Basis finden ... Ich gehe vom Modell des Pluralismus aus."

    Auch der Bundestagsabgeordnete Schwanitz will sich persönlich seine Werteorientierung nicht absprechen lassen, nur weil er kein Christ ist.

    "Was mich ... stört ist, ich erlebe das oft als eine Art Monopolanspruch. Sie können davon ausgehen, dass ich als Atheist ein zutiefst werteorientierter Mensch bin und ich lasse mich mit meiner Weltanschauung nicht einordnen als jemand, der einen Nachhilfeunterricht in Wertorientierung bräuchte nur weil ich keinen christlichen Glauben pflege."

    Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum die SPD-Spitze beim Thema Laizismus so empfindlich reagiert: Die sozialdemokratische Partei entstammt ursprünglich einem antiklerikalen Milieu. In der Weimarer Republik war die Arbeiterpartei für Christen kaum wählbar. Erst mit dem Godesberger Programm 1959 überwand die SPD ihre antikirchliche Haltung. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Volkspartei Die SPD dürfe daher keinesfalls erneut in den Verdacht geraten, eine Partei mit kirchenfeindlichen Positionen zu sein, mahnt Wolfgang Thierse:

    "Die Sozialdemokratie ist ein Teil der Arbeiterbewegung. Die Arbeiterbewegung musste, auch um sich gleiche Rechte zu erkämpfen, gegen die Obrigkeit wenden, deren Teil auch die Kirchen waren. Deswegen gab es einen starken antikirchlichen, antichristlichen Affekt in der ursprünglichen Arbeiterbewegung. Aber es gehört zum Lernprozess einerseits der Sozialdemokratie, andererseits auch der christlichen Kirchen, diesen Gegensatz überwunden zu haben ... Diesen großen historischen Fortschritt sollte die SPD nicht in Frage stellen lassen, dadurch dass jetzt Laizisten sich bemühen aus der SPD eine atheistische, antikirchliche Partei zu machen, genannt eine laizistische Partei."

    Der Streit um einen laizistischen Arbeitskreis in der SPD, ist auch ein Streit um die Frage: Ist die Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Raum, die angemessene Antwort auf die wachsende religiöse Vielfalt in Deutschland und in der westlichen Welt?

    Historiker Stamm-Kuhlmann schaut über die nationalen Grenzen hinaus.

    "Barack Obama hat in seiner Inaugurationsrede die "Nonbelievers" ausdrücklich einbezogen. Da war er weiter."

    Innerhalb Zentraleuropas ist Frankreich neben Portugal, der einzige streng laizistische Staat. In Frankreich ist der Laizismus seit 1905 in der Verfassung verankert. Er entwickelte sich dort aus dem Geist der Französischen Revolution.

    Sozialdemokraten wie Wolfgang Thierse lehnen dieses Modell für Deutschland ab. Thierse erinnert daran, dass die Systeme in Osteuropa ja gezeigt hätten, dass die Isolierung der Kirchen und der Verlust von Glauben nicht zu mehr Demokratie, Gerechtigkeit oder gar Freiheit geführt hat.

    "Ich wünsche mir, dass die neuen, modernen Atheisten und Laizisten ein wenig Selbstkritik üben und sich daran erinnern, dass Religionsfreiheit eines der wichtigsten Güter der Freiheit ist. Von dem berühmten politischen Philosophen Alexandre de Tocqueville stammt der Satz: Despotismus kommt ohne Religion aus, Freiheit nicht – weil Freiheit darauf angewiesen ist, dass ihre Gesellschaftsmitglieder für die Freiheit immer wieder neu eintreten, aus ihren unterschiedlichen weltanschaulichen Motiven. Und das bleibt wichtig."