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Keine" aussichtslose Lage" in der Eurozone

Eine Gruppe von 17 Ökonomen hat vor einer dramatischen Verschärfung der Schuldenkrise in den Euroländern gewarnt. Die Experten reden davon, dass der Euroraum an der Schwelle einer Katastrophe stehe. Sie verlangen ein schnelles Umsteuern.

Von Brigitte Scholtes |
    Europa taumelt schlafwandelnd auf eine Katastrophe mit unkalkulierbaren Ausmaßen zu. So warnen 17 renommierte Ökonomen in einem Gutachten der amerikanischen Denkfabrik Institute für New Economic Thinking. Zu ihnen gehören mit Peter Bofinger und Lars Feld zwei Mitglieder des Deutschen Sachverständigenrats. Sie erkennen in den letzten Wochen eine dramatische Verschlechterung der Krise in den Schuldenländern. Das sieht man im politischen Berlin anders, sagte heute Georg Streiter, stellvertretender Sprecher der Bundesregierung:

    "Die Einschätzung, dass Europa an der Schwelle einer Katastrophe stehe, wird von der Bundesregierung ausdrücklich nicht geteilt."

    Die Lage sei aber noch nicht aussichtslos, meinen die Ökonomen und fordern eine stärkere Lastenteilung unter den Euroländern. Gleichzeitig müssten kurzfristig die Krisenländer stabilisiert werden. Dazu sei ein Mittel ein Schuldentilgungsfonds, so wie ihn schon der Sachverständigenrat ins Spiel gebracht hatte. Eine gute Idee, meint auch Horst Löchel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance & Management:

    "Der hat den Vorteil, beispielsweise gegenüber Eurobonds, dass er in die Vergangenheit gerichtet ist und nicht in die Zukunft. Die Eurobonds würden ja heißen, wir würden die zukünftigen Schulden vergemeinschaften. Und so würden wir die Altlasten abtragen und da einen Neustart ermöglichen. Das halte ich schon zumindest für eine gangbare Möglichkeit, besser als Eurobonds. Und ich befürchte eben auch, das ist eine Sorge dieses Aufrufs, die ich teile, dass der ESM nicht ausreichen wird und von den Märkten auch nicht als eine dauerhafte Lösung akzeptiert wird."

    Wolfgang Wiegard, zwischen 2002 und 2005 Vorsitzender des Sachverständigenrats, sieht einen Schuldentilgungsfonds jedoch eher skeptisch, er sei eine Variante von Eurobonds. Kurzfristig sei es sinnvoller wenn vor allem die Europäische Zentralbank das Feuer lösche, sagte er heute Mittag im Deutschlandfunk:

    "Irgendjemand muss sich die Hände schmutzig machen. Für mich ist der wichtige Punkt, wer bekommt die Hände schneller wieder sauber, und da bin ich überzeugt, dass die EZB, wenn man die Krise einigermaßen in den Griff bekommen hat, sich schneller wieder zurückziehen kann. Die Politik würde das nicht machen. Wenn die einmal Eurobonds eingeführt hat, gelten Eurobonds auf Dauer. Die EZB kann sich schneller wieder zurückziehen, von daher ist für mich die EZB der bessere Feuerwehrmann."

    Unruhe erzeugte heute auch wieder die amerikanische Rating-Agentur Moody's, dieses Mal warnte sie vor einer Herabstufung des Ratings für den Rettungsschirm EFSF. Das sei eine logische Konsequenz nach dem negativen Ausblick für Deutschland, Belgien und Luxemburg gestern, meint Professor Löchel:

    "Wir sind eben Teil dieser Währungsunion. Das ist das eine. Wir sind vor allem aber auch eine exportstarke Nation andererseits. Also müssen wir auch ein Interesse daran haben, dass unsere Partner eine gewisse Stärke behalten, sodass wir weiter gut exportieren können. Und es ist klar, wenn die anderen eben schwächeln, fällt das auch auf Deutschland zurück und führt eben zu diesen schlechteren Bewertungen."

    Wie schwierig die Lage inzwischen ist, zeigte heute auch der Ifo-Geschäftsklimaindex: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich zum dritten Mal hintereinander eingetrübt.