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Keine Rückgabe

Bei der sogenannten Beutekunst aus deutschen Sammlungen in russischen Museen kommt es manchmal zu überraschenden Funden: So sollen die 87 Bilder im Museum in Simferopol auf der Krim doch nicht alle aus den Beständen des Aachener Suermondt-Ludwig-Museums stammen. Fotos und Videos der Ausstellungsstücke, die von Touristen und einer Presseagentur gemacht wurden, legen diesen Schluss nahe.

Von Mirko Schwanitz | 22.11.2008
    Es herrschte helle Aufregung, als Anfang November das Video eines bayerischen Touristen im Direktorat des Aachener Suermondt-Ludwig-Museum landete. Darin zu sehen: zahlreiche Gemälde, die noch bis Anfang dieses Monats als verschollen galten. Republikweit flammte sofort die Debatte um die sogenannte "Beutekunst" auf.

    Die Website des Aachener Museums spricht von den "sogenannten Trophäenbrigaden", die die Werke bei Kriegsende vom Auslagerungsort nach Russland abtransportiert hätten, und bekräftigt im gleichen Text seine Besitzansprüche. Aus unserem Blickwinkel jedoch, erklärt die Leiterin des Simferopoler Kunstmuseums, stellen sich die Dinge etwas anders dar:

    "Die Ursache dafür, dass diese Bilder sich heute in unserem Museum befinden, ist die Arbeit des Einsatzstabes des ehemaligen Reichsleiters Rosenberg. Von ihm erging die Order, dass alle Kunstwerke, Ausstellungsräume und Museen auf der Krim zu vernichten und ihre Kunstschätze in das deutsche Reich zu bringen sind."

    Die Folgen dieses Beschlusses waren für das 1922 gegründete Simferopoler Kunstmuseum besonders verheerend. Es zählte damals zu den wichtigsten Museen der Sowjetunion. Bis die Deutschen kamen.

    "Der gesamte Bestand des Museums wurde verpackt und abtransportiert. In den Wirren der Kampfhandlungen bombardierte die deutsche Luftwaffe den eigenen Transport und vernichtete den gesamte Bestand des Museums, etwa 2170 Gemälde und Kunstwerke. Die Deutschen hatten aber nicht nur die Kunstschätze geraubt, sondern auch noch die Heizung des Gebäudes zerstört und es danach von zwei Seiten aus in Brand gesteckt."

    Mit der Vernichtung der Simferopoler Kunstschätze durch die deutsche Wehrmacht ging der Sowjetunion und der europäischen Kunstwelt eine der umfangreichsten und wertvollsten Gemäldesammlungen verloren. Bis 1941 beherbergte das Museum einen Großteil der Sammlung westeuropäischer Malerei der Romanov-Dynastie und des Fürstenhauses Woronzow. Das stark beschädigte Gebäude diente später als Pferdestall, als Militärhospital und Seifenfabrik, bevor sein Wiederaufbau als Museum beschlossen wurde.

    "Nach Beendigung des Krieges beschloss der Ministerrat der Sowjetunion die Neueinrichtung des Simferopoler Kunstmuseums. Dieser Beschluss erhielt auch die Weisung, dass neue Sammlung aus Beständen der St. Petersburger Eremitage, des Russischen Museums und der Tretjakov-Galerie zusammenzustellen ist. Mit der Übergabe dieser Stücke erhielten wir auch 87 Gemälde westeuropäischer Künstler, darunter auch die jetzt ausgestellten Bilder des Aachener Suermondt-Museums."

    Mitte der 60er Jahre hätte vielleicht eine einmalige Chance auf Rückgabe bestanden. Damals schickte Moskau aus politischen Gründen 300 Güterwaggons mit Kunstschätzen aus Deutschland zurück an den Bündnispartner DDR. Doch mit den Bildern aus Aachen im Westen gab es ein Problem, meint Larina Kudrjaschova:

    "Als dieser Transport zusammengestellt wurde, war uns hier noch nicht bekannt, woher die Kunstwerke in unseren Depots wirklich stammten. Denn wir erhielten die Bilder ohne Rahmen und ohne jegliche Kennzeichnung, sodass wir lange Zeit nicht feststellen konnten, aus welchem Museum diese Bilder ursprünglich stammten. Bis heute ist die Klärung noch immer nicht ganz abgeschlossen."

    Tatsächlich gibt es aus ukrainischer Sicht einige Unklarheiten bei der Zuordnung der Gemälde. Nur bei etwa 70 sind sich die Simferopoler Experten einig, dass sie aus dem Suermondt-Museum stammen. Bei den anderen gibt es angeblich nach wie vor Zweifel.

    "Die Arbeit ist deshalb noch nicht abgeschlossen, weil in den deutsche Katalogen für die Bilder zum Teil Maße angegeben sind, die nicht den bei uns befindlichen Werken entsprechen. Hinzu kommt, dass die Fotokopien zum Teil sehr schlecht oder gar nicht vorhanden sind."

    Eine mögliche Rückgabe der Gemälde hält Larina Kudrjaschova für ausgeschlossen. Die Rückführung des Notenarchivs der Berliner Singakademie und einiger Grafiken an das Dresdner Kupferstich-Kabinett in den Jahren 2002 und 2004 sind für sie auch keine Präzedenz-, sondern Ausnahmefälle, die auf höchster Regierungsebene geregelt wurden.

    "Es gibt eine Parlamentsbeschluss vom 19. September 1999. Im Artikel drei dieses Beschlusses heißt es, dass alle Kulturgüter, die als Kompensation der durch die deutsche Okkupation erlittenen Schäden und Verluste in die Ukraine gekommen sind, ab sofort als Eigentum der Ukraine gelten und dass eine Ausfuhr dieser Kulturgüter über die Grenzen der Ukraine weder vorgesehen noch zulässig sind."

    Dieses Gesetz allerdings erkennen die westlichen Länder und auch die Bundesrepublik nicht an.