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Keine Science Fiction

Der siebzehnjährige Jan und und seine Zwillingsschwester Mirjam, genannt Miri, gehen abends durch den unbeleuchteten Stadtpark. Ein violettes Licht scheint auf - und unversehens finden die beiden Teenager sich an Bord eines Ufos wieder, das sie in ferne Galaxien entführt.

Sabine Sütterlin | 28.02.2004
    Die Szene könnte so in jedem billigen Science-Fiction-Heftchen stehen. "Café Andromeda" ist aber nicht irgendein Schmöker. Sondern, wie der Untertitel ankündigt: "Eine fantastische Reise durch die moderne Physik". Mit anderen Worten: Eine anschauliche Einführung in die Relativitätstheorie, die Quantenphysik und die Kosmologie, locker verpackt in eine Science-Fiction-Handlung, die witzig mit sämtlichen Klischees des Genres spielt.

    Als Jan und Miri wieder zur Besinnung gekommen sind, sehen sie sich einem Mann in silbergrauen Overall mit Abzeichen gegenüber. Im Gegensatz zu dem adretten Captain Kirk aus "Star Trek" hat dieser Raumpilot jedoch verstrubbelte Haare. Das Innere seines Raumschiffs sieht aus wie eine Studenten-WG. Er spricht eine Art weiterentwickelten Jugendjargon. Und ist auf sympathische Weise chaotisch.


    "Es tut mir schrecklich leid", sagte er. "Eigentlich wollte ich ein Kaninchen. Oder wie man diese Biester nennt. Du weißt schon, die mit den seltsamen Ohren. Ich muss mich bei den Koordinaten vertippt haben."

    Jan starrte. Dann sah er sich nach Miri um. Sie saß neben ihm und machte ebenfalls große Augen. "Wo ist der Park?", fragte sie Jan. "Eben waren wir noch im Park..."

    "Gleich seid ihr wieder im Park", sagte der Mann und tippte wie wild auf eine kleine Konsole an seinem Handgelenk ein. "O nein... die Koordinaten ... Gigashit! Nicht gespeichert ... und jetzt ist das Ding auch noch abgestürzt ..."


    Wir befinden uns im 23. Jahrhundert. Der Mann heißt Andy Zero und ist 24 Jahre jung. Mit seinem fusionsgetriebenen Raumschiff "Magellanus" düst Andy kreuz und quer durchs All. Er sammelt Daten, die seine Version der Weltformel untermauern, jener ominösen Formel also, die alle physikalischen Theorien des Universums auf einen Nenner bringt. Unterwegs bastelt Andy an der Weiterentwicklung seines "Photonentunnels", der Zeitreisen ermöglicht.

    Nur funktioniert der Prototyp nicht immer richtig. Die kleine Panne erweist sich jedoch für Jan als Glücksfall: Er kann Nachhilfeunterricht in fortgeschrittener Physik gerade gut gebrauchen. Umso mehr, als Andy Zero die zähe Theorie an konkreten Objekten erlebbar macht. Auf ihren intergalaktischen Expeditionen erleben Andy und die Zwillinge hautnah die Eigenschaften eines Eisplaneten. Sie geraten beim Beobachten eines sterbenden Sterns beinahe in ein Schwarzes Loch. Und schließlich, auf dem dramatischen Höhepunkt der Handlung, werden sie von Andys wissenschaftlichem Rivalen auf eine waghalsige Zeitreise zurück zum Urknall mitgerissen.

    Klar, dass Jan und Miri angesichts all der aufregenden Phänomene viel zu fragen haben. Antworten erhalten sie von Andy - oder einmal sogar von Albert Einstein persönlich. Definitionen und knappe Informationen zu Wissenschaftlerbiographien liefern außerdem ihre Datenbrillen.

    So gibt "Café Andromeda" nebenher auch eine utopische Vorstellung davon, wie sinnvolles Lernen aussehen könnte. Schulen, in denen man still sitzt und sich Dinge erklären lässt, sind im 23. Jahrhundert längst abgeschafft, wie Andy einmal bemerkt. Stattdessen geht man grüppchenweise auf Lernexpeditionen, begleitet von einem Tutor, der auftretende Fragen beantwortet. Das Buch nimmt seine Leser auf eine solche Reise mit.

    Die Jugendbuchautorin Sylvia Englert hat sich die abgedrehte Geschichte ausgedacht, gemeinsam mit dem Physiker Stefan Jäger, der das wissenschaftliche Fundament beisteuerte. Im Vorwort zählen die beiden detailliert auf, wo sie die Wirklichkeit zurechtgebogen haben, um eine plausible Geschichte erzählen zu können, die den aktuellen Wissensstand dennoch korrekt wiedergibt: Zeitreisen mit dem "Photonentunnel" etwa dürften für immer Fiktion bleiben. Auch "Quantenwesen" entspringen der Phantasie, oder Außerirdische, die aussehen wie Seeanemonen oder Kraken.

    Der Rest gibt den Stand der Erkenntnis wieder. Sicher weniger gründlich als das der Wissenschaftsautor Gerhard Staguhn in seinem vortrefflichen Jugendsachbuch "Die Rätsel des Universums" getan hat. Auch "Der Herr Albert" von Frank Vermeulen, eine als Roman verkleidete Einführung in die Relativitätstheorie für Jugendliche ist systematischer aufgebaut. "Café Andromeda" bietet von allen dreien die unterhaltsamste Lektüre. Und das ist für absolute Physikmuffel nicht der schlechteste Einstieg.

    Das einzig Störende an dem Buch sind die Illustrationen im Stil japanischer Mangas. Mag sein, dass das im Trend liegt; aber eigentlich sind die Strichnasen und die überdimensionierten, leblosen Augen eine Beleidigung für jeden Humanoiden.

    Sylvia Englert, Stefan Jäger
    Café Andromeda. Eine fantastische Reise durch die moderne Physik
    Campus Verlag, 205 S., EUR 18,90