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Klimapolitik der Bundesregierung
"Nur noch neun Jahre"

Das Pariser Klimaschutzabkommen hat das weltweite Budget für CO2-Emmissionen gedeckelt. Deutschland verursache mit 1,1 Prozent an der Weltbevölkerung mehr als 2 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes, sagte der Klimaforscher Stefan Rahmstorf im Dlf. Daher müsse es ab heute bis 2036 linear runterfahren auf null Emissionen.

Stefan Rahmstorf im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 18.10.2017
    Dicht befahrene Berliner Stadtautobahn mit Blick auf das Heizkraftwerk Wilmersdorf: In den Städten sind die C02-Emmissionen besonders hoch.
    Dicht befahrene Berliner Stadtautobahn mit Blick auf das Heizkraftwerk Wilmersdorf: In den Städten sind die C02-Emmissionen besonders hoch. (imago/photothek)
    Susanne Kuhlmann: Einige Wochen werden die Koalitionsgespräche wohl in Anspruch nehmen, bevor eine neue Bundesregierung steht. Zum Auftakt heute in Berlin hat Stefan Rahmstorf, Physikprofessor und Klimaforscher am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, gestern einen Kommentar in seinem Internet-Blog veröffentlicht. Thema ist das deutsche Emissionsbudget für CO2. Stefan Rahmstorf ist jetzt am Telefon in Potsdam. Guten Tag!
    Stefan Rahmstorf: Guten Tag, Frau Kuhlmann.
    Kuhlmann: Wie ist dieser Begriff zu verstehen, auch vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens aus dem vergangenen Jahr?
    Rahmstorf: Die globale Erwärmung wird ja durch Kohlendioxid verursacht und sie hängt davon ab, wieviel insgesamt ausgestoßen worden ist in der Geschichte von allen Ländern gemeinsam. Und wenn man die globale Erwärmung auf einen bestimmten Wert begrenzen will, kann man insgesamt einfach nur noch eine bestimmte Menge CO2 ausstoßen. Das ist so ähnlich, wie wenn man eine Badewanne volllaufen lässt. Da passt einfach nur eine gewisse Wassermenge hinein.
    Kuhlmann: Sie bezeichnen die Klimapolitik der letzten Bundesregierungen als ungenügend. Was sollte die neue denn anders machen?
    "Wenn wir so weitermachen wie bisher, reicht dieses Budget nur noch neun Jahre"
    Rahmstorf: Die Emissionen in Deutschland sind in den letzten 20 Jahren zwar gesunken, aber viel zu langsam, wenn man sich das Pariser Abkommen vor Augen hält. Das Pariser Abkommen - auf das haben sich ja 195 Länder einstimmig geeinigt und auch Bundestag und Bundesrat haben dem einstimmig zugestimmt -, das sieht vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst sogar eher in Richtung 1,5 Grad. Und das bedeutet, dass wir bei einer mittleren Abschätzung noch weltweit 600 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausstoßen können. Wenn wir bedenken, dass Deutschland 1,1 Prozent der Weltbevölkerung beheimatet, würde das, wenn man es gerecht verteilt auf alle Menschen, für Deutschland ein Budget noch von sieben Milliarden Tonnen CO2 bedeuten. Wenn wir das einhalten wollen, müssten wir von heute bis 2036 linear runterfahren auf null Emissionen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, reicht dieses Budget nur noch neun Jahre.
    Kuhlmann: Der weitaus größte Anteil an der CO2-Freisetzung stammt ja aus natürlichen Quellen wie Vulkanen und Pflanzen zum Beispiel.
    Rahmstorf: Das ist Unsinn!
    Kuhlmann: Das ist Unsinn?
    Rahmstorf: Ja.
    Kuhlmann: Der Anteil, den Deutschland - darauf wollte ich jetzt hinaus - an den globalen menschengemachten Emissionen hat… - Sie hatten es ja gerade auch schon thematisiert - beträgt nur ein paar Prozent. Wie groß ist der Einfluss der deutschen Klimapolitik?
    "Jahrtausendelang war die CO2-Menge in der Atmosphäre konstant"
    Rahmstorf: Diese Aussage, die können Sie von der AfD hören, dass der größte Teil natürlichen Ursprungs ist. Der natürliche Kohlenstoffkreislauf ist ja ein geschlossener Kreislauf. Deswegen war jahrtausendelang die CO2-Menge in der Atmosphäre konstant. Wir haben sie durch unsere Emissionen um 40 Prozent erhöht. Sie liegt höher als jemals seit drei Millionen Jahren. Der deutsche Anteil ist: Wenn wir die Gesamtemissionen in der Historie betrachten, liegt Deutschland auf Rang vier von den Staaten weltweit, hinter USA, China und Russland. Das ist doch ein erheblicher Anteil. Die aktuellen Emissionen von Deutschland betragen zwei Prozent der weltweiten Emissionen, oder 2,2 sogar. Das heißt, da wir nur 1,1 Prozent der Bevölkerung stellen, emittieren wir etwa doppelt so viel, als uns gerechterweise zustehen würde.
    Kuhlmann: Die Koalitionsgespräche und das deutsche CO2-Emissionsbudget - Einschätzungen des Klimaforschers Stefan Rahmstorf waren das. Danke schön dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.