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Klimawandel
Städte rüsten sich gegen Extremwetter

Von den Folgen des Klimawandels sind viele Küstenregionen besonders betroffen. Sie drohen beim Klimawandel regelrecht zu ertrinken. Aber auch im Binnenland machen sich die Städteplaner Gedanken über die gefährlichen Konsequenzen extremer Wetterlagen für Stadtbewohner.

Von Kai Rüsberg | 27.06.2014
    Ein Frau schaut am 10.06.2014 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) aus ihrem Fenster auf die Sturmschäden der Nacht. Beim schwersten Unwetter in Nordrhein-Westfalen seit Jahren sorgten Sturmböen, Blitzeinschläge und Hagel an vielen Häusern und Autos für Schäden.
    Ein Frau schaut in Düsseldorf aus ihrem Fenster auf die Sturmschäden der Nacht (picture alliance / dpa / Martin Gerten)
    Die Kettensägen laufen in Bochum noch immer - auch noch den ganzen Sommer hindurch. Tausende riesiger Bäume sind allein im Stadtgebiet von Bochum schwer geschädigt oder umgefallen. Dies wiegt um so schwerer, weil sie als Schattenbäume dringend benötigt würden. Sie könnten helfen, das lokale Klima in der Stadt zu regulieren und die Folgen der nächsten Stürme abzuschwächen, meint Monika Steinrücke, Klimatologin der Bochumer Ruhruniversität.
    "Wir haben für Beispiel Bochum Belastungsgebiete identifiziert und Vorschläge gemacht, wie Belüftungsschneisen freigehalten werden und wie man die Hitzebelastungen zu abschwächen kann."
    Die Bochumer Klimaforscher haben herausgefunden: Im Umland sind Temperaturen häufig bis zu zehn Grad niedriger als in städtischen Ballungsräumen. Dies führt dazu, dass Großstadtregionen wie das Ruhrgebiet im Sommer noch stärker von Unwettern getroffen werden. Die starken Extremwetterereignisse lassen sich zwar kaum voraussagen und treten oft nur lokal auf - sind aber nicht zufällig, so die Klimatologin.
    "Zum einen sind das Einzelereignisse. Die gab es immer schon. Auf der anderen Seite sagen Meteorologen, dass das häufiger wird und ein Zeichen dafür ist, was in Zukunft bevorstehen wird."
    Schwere Folgen in eng bebauten Großstädten
    Unwetter führen zwar auch in ländlichen Gegenden zu lokalen Schäden, aber in den eng bebauten Großstädten können die Folgen noch schwerer sein – vor allem, weil mehr Menschen betroffen sind. Bei den Unwettern zu Pfingsten wurden Teile der Verkehrsinfrastruktur der ganzen Region tagelang zum Stillstand. Und noch mehr: Es geht auch um die Gesundheit der Stadtbewohner, so Monika Steinrücke.
    "Es wird dringlich. Wir machen seit 100 Jahren Klimamessungen in Bochum. Vor 100 Jahren hatten wir drei bis vier Hitzetage in Bochum. Damit kann man noch leben. Jetzt sind wir bei zehn Hitzetagen. Aber Prognose sagen in 100 Jahren 30-40 Hitzetage. Damit kommt es dazu, dass alte oder kranke Leute sterben werden."
    Mehr Grün und mehr Luft
    Wenn die Temperaturen selbst nachts über längere Zeiträume nicht unter 20 oder sogar 25 Grad sinken, ist eine Erholung nicht mehr möglich. Bei Kindern und empfindlichen Menschen kann dieser Hitze-Stress bis zum Tod führen, so die Klimaforscher. Im Jahr 2003 gab es Europaweit eine solche Hitzeperiode.
    Am Beispiel Bochum hat die Uni nun Vorschläge für den Städtebau entwickelt, um das Stadtklima zu verbessern.
    "Wir haben für Bochum die Hauptbelastungszonen identifiziert, bei der Hitze ist das einfach - aufgrund der Versiegelung. Und haben Vorschläge für Belüftungsschneisen gemacht, wie man durch Vegetation oder kleine Wasserläufe die Hitzebelastung abschwächen kann."
    Die Anpassung an die zunehmenden Hitzeperioden erfolgt auf drei Ebenen: gesamtstädtisch, auf Stadtviertelebene und auf Gebäudeebene. Gesamtstädtisch überprüfen die Klimatologen die bessere Zufuhr von kühler Frischluft aus dem Umland. Dafür müssten Gebäude aus Grünzonen weichen, die das Stadtgebiet durchziehen. Im Stadtviertel geht es vor allem um Begrünung von Wohnblöcken und auch bei der Gestaltung der Gebäude sollten die Kommunen künftig planend eingreifen und beispielsweise Dachbegrünungen vorschreiben.
    "Man muss in der Stadtplanung, die ja sehr langsam funktioniert, jetzt Maßnahmen ergreifen. Es wird häufiger werden als in der Vergangenheit. Ein Jahrhundertereignis, da werden wir künftig mehrere davon erleben."
    Die Klimatologen machen ganz praktische Städtebauvorschläge: Neben mehr Grün in den Städten könnten alternative Bau-Materialien wie heller Asphalt, rote statt schwarze Ziegel oder mehr Wasserflächen in den Innenstädten das Klima vor Ort verbessern. Lokale Extremwetterereignisse lassen sind dadurch allerdings nicht vermeiden, sondern nur abschwächen, weil die globale Erwärmung einen weit stärkeren Einfluss auf Klimaentwicklungen hat.