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Klimawandel verringert Biodiversität
Mit jedem Grad mehr sterben weitere Arten

Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass der Klimawandel nicht nur mehr Hitzewellen und Überflutungen verursacht, sondern auch so manchem Lebewesen den Garaus machen wird. Ein Ökologe der Universität von Connecticut hat all diese Studien in einer Meta-Analyse ausgewertet; mit dem Ziel, die globalen Folgen der Erwärmung auf die biologische Vielfalt abschätzen zu können.

Von Monika Seynsche | 04.05.2015
    Ausgetrockneter Boden
    In Südamerika, Australien und Neuseeland könnte die Biodiversität besonders stark unter den steigenden Temperaturen leiden. (AFP PHOTO / Nelson Almeida)
    Wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher, und immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre pumpt, könnte bis zum Ende des Jahrhunderts jede sechste Pflanzen- und Tierart ausgestorben sein.
    "Und was vielleicht noch überraschender ist: In meinen Daten zeigt sich, dass sich diese Aussterbewelle mit jedem Grad Temperaturanstieg immer mehr verstärkt. Die Kurve geht also steil bergauf, wenn wir nichts tun, um die Treibhausgasemissionen zu kontrollieren."
    131 Studien zu den möglichen Folgen des Klimawandels für die biologische Vielfalt in verschiedensten Weltregionen hat Mark Urban von der Universität von Connecticut in seiner Meta-Analyse ausgewertet. Dabei stieß er auf drei Gebiete, in denen die Biodiversität besonders stark unter den steigenden Temperaturen leiden könnte: Südamerika, Australien und Neuseeland.
    "In diesen drei Gebieten gibt es eine große Zahl endemischer Arten, also Tiere und Pflanzen, die nur in einem sehr kleinen Verbreitungsgebiet vorkommen. Solche Arten stehen generell unter einem erhöhten Aussterberisiko, weil sie nicht viel Platz haben, um Veränderungen auszuweichen. Schon ein kleiner Wandel ihrer Heimat kann sie gefährden."
    Besonders wärmebedroht: Südamerikas Bergregionen
    Australien und Neuseeland seien darüber hinaus relativ kleine Landmassen, sagt der Ökologe. Je stärker sich das Klima hier erwärmt, desto weiter Richtung Südpol wandern die einzelnen Klimazonen. Sobald sie die Südküsten Australiens und Neuseelands verlassen haben, können die auf sie angewiesenen Tiere und Pflanzen des Festlands nicht mehr folgen und gehen zugrunde. In Südamerika vollzieht sich das gleiche Schauspiel in den hohen Bergregionen. Je stärker die Temperaturen steigen, desto wärmer werden auch die bislang kalten Berggipfel. Arten, die heute schon auf den Gipfeln leben, können nicht in noch größere Höhen ausweichen. Die Ökologin Janneke Hille Ris Lambers von der Universität von Washington in Seattle hält die Arbeit Mark Urbans für sehr interessant.
    "Urbans Studie liefert eine umfassende Analyse des Artenschwunds, den wir auf globaler Ebene im Zuge des Klimawandels zu erwarten haben. Diese Zahlen allein sind schon hilfreich. Aber die Studie zeigt uns auch, wo noch Lücken in unserem Verständnis des Artenschwunds liegen, und welche Fragen wir erforschen müssen, um Aussterberisiken besser einschätzen zu können."
    Zum Beispiel sei völlig unklar, wie die Folgen des Klimawandels mit anderen menschengemachen Umweltproblemen zusammenspielten, wie etwa der Zersiedelung von Lebensräumen oder der Einschleppung neuer Arten aus anderen Weltregionen. Trotz all dieser Unbekannten sei jetzt der richtige Zeitpunkt zum Handeln, sagt Janneke Hille Ris Lambers.
    "Als Wissenschaftler und Ressourcenmanager müssen wir Strategien erarbeiten, die den Arten helfen, mit dem Klimawandel klarzukommen und die das Aussterberisiko verringern."
    So könnten etwa Landschaftskorridore zwischen einzelnen Schutzgebieten den Tieren helfen, zu wandern. Wird es ihnen in einem Gebiet zu warm, haben sie dann immerhin die theoretische Möglichkeit, in ein anderes auszuweichen.