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Kollege Roboter II

Robotik. - ISO TS 15066 - darunter soll sich im nächsten Jahr eine Norm für Roboter finden, die mit Menschen zusammen arbeiten. Die Norm definiert, wie ein sicheres Robotersystem gestaltet werden muss. Für das trockene Regelwerk haben Forscher ganz praxisnah mit Robotern geforscht.

Von Thomas Reintjes | 26.04.2012
    Die Barrieren sollen fallen und Roboter nicht mehr abgezäunt in Fabriken stehen, sondern zum echten Kollegen werden. Wenn Roboter aber gemeinsam mit Menschen arbeiten, birgt das Sicherheitsrisiken:

    Diese Geräusche stammen von Kollisionen mit Industrierobotern – nicht mit Menschen, sondern mit Dummys. Solche Versuche hat Susanne Oberer-Treitz vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung durchgeführt. Sie sollten dazu dienen, herauszufinden, wann mögliche Zusammenstöße mit Roboterarmen gefährlich werden. Die in der Auto-Branche bewährten Crash-Test-Dummies stellten sich aber als unzureichende Testpersonen heraus.

    "Der Dummy besteht aus Hartgummi. Das heißt, er ist so aufgebaut, dass er bei einem Automobilcrash mit 50 km/h gegen die Wand wieder ohne, dass er kaputt gegangen ist rauskommt. Das sind schlicht und einfach keine Szenarien, die ich in der Robotik habe. In der Robotik gehts einfach darum: Direkter Kontakt zwischen einer Struktur und dem Menschen und es interessiert mich, was wirken für Kräfte am Äußeren eines potenziellen Dummys, jetzt zum Beispiel im Crash-Test."

    Auto-Crashtests sind für Extremsituationen ausgelegt, in der Kooperation von Menschen mit Robotern geht es eher darum, schon kleinste Verletzungen der Haut zu vermeiden. Auch digitale Mensch-Modelle brachten die Forscher zunächst nicht weiter. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gingen Wissenschaftler daher einen anderen Weg. Sie statteten die Roboterarme mit Schraubendrehern und Scheren aus und ließen sie mit Fleischstücken kollidieren. Alin Albu-Schäffer:

    "Wir haben in Experimenten mit biologischem Material untersucht, wie schlimm die Verletzungen sein könnten. Und wir sind dabei, eine Datenbank zu erstellen, aus der Anwender ableiten können, abhängig vom Gewicht und von der Geschwindigkeit des Roboters, von den beteiligten Körperteilen des Mitarbeiters, was die allerschlimmste Verletzung sein könnte. Und unser Ziel ist es, auch im Fehlerfall des Roboters, im Fehlerfall der Software, nicht mehr als einen blauen Fleck zuzulassen."

    Das scheint schon sehr gut zu funktionieren: Selbst wenn der Roboter ein e Schere hält, kann er bei entsprechend angepasster Geschwindigkeit noch stoppen, sobald er den kleinsten Hautkontakt bemerkt. Eine Schwierigkeit jedoch bleibt: Nicht bei jeder Berührung sollen die Roboter anhalten. Susanne Oberer-Treitz:

    "Ganz klar ist natürlich der erste Ansatz: Kollisionen bringen Gefährdung, also will ich Kollisionen vermeiden. Auf der anderen Seite habe ich Anwendungen, da möchte ich eine direkte physische Interaktion haben. Das heißt, ich möchte gerade das Nutzen, dass der Mensch dem Roboter so nahe kommen kann, dass er ihn auch berühren kann, dass er ihn zum Beispiel manuell führen kann. Sodass ich dann klar hab: Ich möchte Kollisionen vermeiden, aber Kontakt erlauben. Und wo ziehe ich jetzt die Grenze zwischen Kontakt und Kollision?"

    Diese Grenze zu definieren, ist das Ziel der Ingenieure. Deshalb überlegen sie sich verschiedene Szenarien, machen Experimente und beziehen auch Mediziner mit ein, die die Schwere der Verletzungen beurteilen. Ihre Frage: Was passiert bei einer bestimmten Bewegungsgeschwindigkeit im schlimmsten Fall? Entstehen soll aus den gesammelten Daten eine ISO-Norm, die flexibler ist als die bisherigen Regelungen. Die sind sehr starr: Wo Menschen sich bewegen dürfen Roboter heute beispielsweise mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa einem Viertel Meter pro Sekunde fahren. Er darf eine maximale Kraft ausüben, die etwa 15 Kilogramm entspricht.

    "Im industriellen Umfeld sind das Restriktionen, die die Anwendbarkeit solcher Roboter in der Mensch-Roboter-Interaktion stark einschränken."

    Sagt Alin Albu-Schäffer. Die neue Norm, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden soll, wird allgemeingültiger sein und eine individuelle Sicherheitszertifizierung sehr unterschiedlicher Roboter-Anlagen ermöglichen und damit Rechtssicherheit für die Betreiber schaffen. Die Roboter sollen dann wissen, wie gefährlich sie gerade sind. Haben sie einen stumpfen Gegenstand gegriffen, können sie sich schneller bewegen als wenn sie einen spitzen Schraubendreher im Greifer haben.

    Mehr zum Thema:
    Videos auf der Homepage des Institute of Robots and Mechanics - Deparment of Robotic Systems