Montag, 29. April 2024

Archiv

Silke Burmester
Der überforderte Mann

Im Jahr 2018 sind viele Menschen des männlichen Geschlechts immer noch nicht in einer medialen Wirklichkeit angekommen, in der auch Frauen Platz finden, meint Silke Burmester. Zeit, Abhilfe zu schaffen.

Von Silke Burmester | 21.06.2018
    Porträt von Silke Burmester
    @mediasres-Kolumnistin Silke Burmester (imago / Sven Simon)
    Hallo, liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
    Im Moment ist ja viel in Bewegung. In der Welt und auch in der deutschen Gesellschaft ist es, als brächen die Erdplatten auf und verschöben sich. Das Internet ermöglicht es, dass nun auch jene Cluster an Lebewesen sichtbar und hörbar werden, denen bis dato wenig Beachtung zuteilwurde.
    So etwa der von der Realität überforderte Mensch, vornehmlich der von der Realität überforderte Mann. Das Augenmerk fällt dabei diese Woche auf jenen Vertreter dieser Spezies, der es nicht aushält, wenn eine Frau im Fernsehen WM-Spiele kommentiert. Claudia Neumann tut das beim ZDF und die Beschimpfungen, die Häme und die Niedertracht, die ihr zuteilwerden, übersteigen bei weitem das Maß an Kritik, das als konstruktiv und zielführend gelten kann. Als "Donnerfotze" wird sie etwa von Timmy_GER auf Twitter bezeichnet, die ihm "jetzt auch noch das Kolumbien-Spiel [...] versaut".
    Jetzt kommentieren die schon Fußball!
    Die ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann
    Die ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann (dpa / picture alliance / Rainer Jensen)
    Ein anderer Twitter-User heult, sie möge doch bitte Spiele der dritten Liga kommentieren, und fragt: "100 Jahre war es so üblich, dass Männer die Spiele kommentieren, und plötzlich ist es falsch, wenn man es so beibehalten will?"
    Da muss man sagen, ja, das ist falsch. Der Zug ist seit 1918 weitergerollt. Einen Weltkrieg und die Erfindung der Kaffeemaschine später ist es durchaus normal, dass Frauen Busse und Flugzeuge lenken, Länder regieren und - theoretisch sogar - Spiele der Fußballweltmeisterschaft der Männer kommentieren.
    Nun bin ich ja, liebe Hörerinnen und Hörer, ein mitfühlender Mensch. Und frage mich die ganze Zeit, wie diese armen Männer, die Jetzt-Zeit-Verweigerer unsere Medienrealität aushalten. Nehmen wir die Nachrichten zum Beispiel. Da geht es aktuell meistens darum, dass Männer wie Trump, Erdogan, Assad und Seehofer alles kaputt machen. Demokratien, Länder, die Umwelt, unser Miteinander. Oder es geht darum, wie Männer, zum Beispiel in der Autoindustrie, Millionen von Menschen betrügen und unser aller Gesundheit gefährden. Darüber wird in den Nachrichten berichtet. Und von wem? Von Frauen! Von diesen anderen Menschen, denen mit den Brüsten.
    Oder schauen wir uns das Wetter an. Wer sind die Wettergötter? Unter anderem Thor, Ra, Zeus, Petrus - lauter Herren. Und wer verkündet ständig, was sie vorhaben? Claudia Kleinert, Inge Niedeck, Katja Horneffer, um nur mal einige Fernseh-Nasen zu nennen. Oder die vielen Verkehrsunfälle, die im Radio genannt werden, die meist nicht das Ergebnis einer sich selbst überschätzenden Fahrerin mit ihrem Angeber-BMW sind, sondern das eines Mannes. Welch' Qualen mögen die Verweigerer des Fortschritts aushalten, durch welch ein Höllenfeuer der Historien-Schmachterei mögen sie gehen, wenn eine Frau ihnen diese Informationen zu vermitteln versucht?
    Zeit für einen Männerkanal?
    Vielleicht, so denke ich gerade, ist es gar keine so schlechte Idee, einen Männerkanal aufzumachen. Der hieße dann: "Von Mann zu Mann". Das könnte das ZDF von mir aus gern tun. Da können Männer für Männer in einer Art Endzeit-TV all jene Nachrichten verlesen, bei denen sie als Akteure eine Rolle spielen. Und natürlich Fußballspiele sehen, die ausschließlich von Männern kommentiert werden. Die Sache hätte nur einen Haken: Der Kommentator wäre immer - ja wirklich immer - Béla Réthy.