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Kompromissvorschlag bei der Endlagersuche

Seit Jahrzehnten wird in Deutschland erbittert über ein Endlager für den deutschen Atommüll gestritten. Jetzt könnte es Bewegung geben. Denn die Bundesregierung will den Salzstock Gorleben nicht mehr erkunden lassen. Doch schon ist die Rede von einer Mogelpackung.

Von Andreas Baum | 23.03.2012
    Geht es nach der Bundesregierung, dann könnte im Salzstock Gorleben schon im Laufe dieses Jahres der Erkundungsbetrieb beendet werden. Dies ist ein Kompromissvorschlag, den Bundesumweltminister Norbert Röttgen den Ländern unterbreitet hat, um auch die SPD- und Grün regierten Bundesländer bei der Suche nach einem Atommüllendlager auf seine Seite zu bekommen.

    Zu dem Kompromiss gehört allerdings auch, dass der Salzstock offengehalten wird – ein sogenannter Forschungslaborbetrieb soll weiterhin möglich sein. In Zukunft kann Gorleben dann als Referenzstandort herangezogen werden, konkret könnte seine Eignung mit der anderer möglicher Standorte verglichen werden. Mit der Energiewende haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, bundesweit nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu suchen.

    Die Opposition fordert, diese Suche gleichsam mit einer weißen Landkarte zu beginnen. In Gorleben dürfe deshalb auch kein Forschungsbetrieb stattfinden. Der SPD-Umweltexperte im Bundestag, Matthias Miersch, hält Röttgens Vorstoß für einen Trick. In Wirklichkeit habe die Koalition das alte Denken in Energiefragen noch nicht aufgegeben. Eine Schließung Gorlebens wäre eine Selbstverständlichkeit gewesen, und zwar nicht nur halb, sondern ganz.

    "Wenn ich dort weiter buddele, werde ich nicht an anderen Standorten glaubwürdig eine Erkundung machen können. Es reicht eben nicht aus. Man muss sagen: Was passiert den nun mit Gorleben? Darum ging es eigentlich in den letzten Wochen und Monaten und es ging um die Frage: Welche Rolle spielt das Bundesamt für Strahlenschutz, wo kritische Geister auch drinsitzen".

    Zu Röttgens Plänen gehört es auch, ein neues Bundesinstitut für Endlagerung einzurichten. Offenbar ist das Vertrauen der schwarz-gelben Bundesregierung in das eigentlich zuständige Bundesamt für Strahlenschutz gestört. Erst vor ein paar Tagen hatte das Bundesamt eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass Deutschland auf einen Atom-Unfall wie in Fukushima nicht vorbereitet wäre.

    Die Grünen räumen ein, dass das Ende der Erkundungstätigkeit in Gorleben positiv ist, bleiben aber skeptisch – ob sie mit dem Minister mitziehen wollen, wenn es um das Gesetz zur Endlagersuche geht, ließ Silvia Kotting-Uhl, Umweltexpertin bei den Grünen, vorerst offen.

    "Das ist ein Schritt auf uns zu, aber man muss schauen ob der Schritt ein ehrlicher ist. Ich habe den starken Eindruck, dass hier so getan wird, als ob. Weil ein Forschungslabor wird niemals den Verdacht ausräumen können, dass da unter dem Deckmäntelchen Forschung tatsächlich weiter erkundet wird".

    Und das Bundesumweltministerium widerspricht auch gar nicht, wenn ihm vorgeworfen wird, die Option Gorleben sei noch nicht vom Tisch. Die Gleichbehandlung mit allen anderen Standorten bedeute eben auch, dass der Salzstock gegebenenfalls wieder geöffnet wird, sagt Christiane Schwarte, Sprecherin des Ministers.

    "Darauf haben sich Bund und Länder schon verständigt. Gorleben bleibt Referenzstandort. Offen ist, was das für die Erkundung bedeutet. Dazu hat der Minister einen Vorschlag vorgelegt, so wie auch zu den anderen offenen Fragen."

    In Gorleben selbst traut man dem Frieden nicht. Zu oft hat man hier erlebt, wie Moratorien ausgerufen wurden, um dann doch weiter zu erkunden. Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz in Lüchow-Dannenberg, stört besonders, dass Gorleben Referenzstandort bleibt.

    "In Gorleben sind schon 1,6 Milliarden Euro investiert worden, es ist weitgehend ausgebaut worden, deshalb vermuten wir hinter diesem Vorschlag von Herrn Röttgen, dass er eigentlich nur den anderen ein Stück entgegen kommt, um am Ende doch Gorleben zu realisieren. Wir sind da unglaublich skeptisch".

    Alle geologischen Argumente gegen Gorleben würden nicht berücksichtigt. Während die niedersächsische Landesregierung Röttgens Kompromissvorschlag lobt, laufen die Verbände Sturm: Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND wirft der Bundesregierung vor, sich ein Hintertürchen offen zu halten. Ein echter Neustart bei der Endlagersuche gelinge nur ohne Gorleben.