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Konsequenzen aus dem Abgasskandal
"Es gibt keinen Grund für Steuervorteile für Diesel"

Nach dem Abgasskandal wollen mehrere Bundesländer die Steuervorteile für Diesel-Kraftstoff abbauen, darum geht es auf einem Sondertreffen der Länder-Umweltminister in Berlin. Das sei ein wichtiger Schritt, sagte Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland im Deutschlandfunk. Er reiche aber nicht.

Michael Müller-Görnert im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Abgase kommen aus einem Auspuff
    Abgase kommen aus einem Auspuff (Marcus Führer/dpa)
    Es würden immer mehr Diesel-Fahrzeuge auf den Markt kommen, die vor allem besonders groß, leistungsstark und schwer sind und entsprechend viel verbrauchen, sagte Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD). Daher sei der Vorschlag von Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Bremen und Hamburg, Steuervorteile für Diesel-Kraftstoff abzubauen, ein wichtiger Schritt. "Denn es gibt absolut keinen vernünftigen Grund, warum Diesel niedriger besteuert wird als Benzin."

    Um langfristig die Belastung von der Luft mit Stickoxiden aber zu reduzieren, unterstütze der VCD auch weitehrin die Forderung nach Tempo 30 in Innenstädten als sogenannte Basis- oder Regelgeschwindigkeit. Ausnahmen könne es auf wichtigen Hauptverkehrsstraßen geben. Dort könne man auch Tempo 50 erlauben. "Aber Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ist erst mal wichtig, in erster Linie aus dem Aspekt der Verkehrssicherheit, aber auch, um einen gleichmäßigen Verkehrsfluss zu bekommen", sagte Michael Müller-Görnert.

    Das Interview in voller Länge

    Susanne Kuhlmann: Sondertreffen der Länder-Umweltminister heute in Berlin. Anlass ist der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Diesel-Autos. Aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Bremen und Hamburg kommt der gemeinsame Vorschlag, die Steuervorteile für Diesel-Kraftstoff schrittweise abzubauen. Baden-Württemberg und Bayern sind nicht dabei, denn dort haben Daimler, Porsche, Audi und BMW ihre Werke, Hersteller, die auch viele Diesel-Wagen verkaufen. Am Telefon in Berlin ist Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD). Hallo, Herr Müller-Görnert.
    Michael Müller-Görnert: Hallo, Frau Kuhlmann.
    Kuhlmann: Was halten Sie denn vom Vorstoß dieser fünf Ressortchefs?
    Müller-Görnert: Das ist erst mal ein wichtiger Schritt, denn es gibt absolut keinen vernünftigen Grund, warum Diesel niedriger besteuert wird als Benzin. Früher war es ja immer das Argument, ein Diesel ist effizienter und stößt weniger CO2 aus. Das ist auch richtig im Vergleich zu einem gleich großen Benzin-Fahrzeug. Aber was wir erleben ist, dass ja immer mehr Diesel-Fahrzeuge in den Markt kommen, die vor allem besonders groß und leistungsstark und schwer sind und entsprechend viel verbrauchen und insofern im Schnitt gar nicht mehr diesen Effizienzvorteil aufweisen. Und wir haben ja, wie wir erleben, den großen Nachteil: Diesel-Fahrzeuge stoßen mehr schädliche Schadstoffe aus. Insofern ist es richtig, dass man hier an diese Schraube herangeht.
    Kuhlmann: Die Bundesregierung tut auch nach dem Abgasskandal nicht genug, vor allem nicht gegen die Belastung der Luft mit Stickoxiden, sagen Sie, der VCD, in Übereinstimmung mit den großen Umweltverbänden. Sie fordern, die Umweltzonen-Regelung weiterzuentwickeln, und schlagen vor, eine neue, eine blaue Plakette einzuführen. Wer bekäme die denn?

    "Brauchen eine Kennzeichnung für Fahrzeuge, die wenig Stickoxide ausstoßen"

    Müller-Görnert: Es ist ja so, dass bisher die Umweltzonen-Regelung hauptsächlich auf den Schadstoff-Partikel ausgerichtet war und die Plaketten nur diese entsprechenden Begrenzungen der EU-Abgasnorm als Basis hatten. Aber wir brauchen natürlich auch eine Regelung, die auch Fahrzeuge kennzeichnet, die besonders wenig Stickoxide ausstoßen, und deswegen muss dies um eine weitere Plakette erweitert werden, die sogenannte blaue Plakette, die dann in der Wertigkeit der grünen Plakette folgt, und das wären nach unserer Vorstellung auf jeden Fall Fahrzeuge, die den Euro-6-Stickoxid-Grenzwert für Diesel-Fahrzeuge einhalten.

    Das erfüllen bereits alle Euro-3-Benzin-Fahrzeuge, weil die Benziner schon generell einen sehr niedrigen Stickoxid-Ausstoß haben, und bei den Dieseln geht es wie gesagt nur mit der modernsten Abgasnorm. Aber die Werte müssen auch in der Realität eingehalten werden und da hakt es ja derzeit gewaltig. Selbst moderne Euro-6-Diesel-Motoren stoßen in der Realität im Schnitt das Fünf- bis Sechsfache aus. Das ist eigentlich untragbar. Das heißt, wir brauchen auch reale Werte, die eingehalten werden müssen.
    Kuhlmann: Was hält der VCD denn vom Vorschlag, Tempo 30 generell in Innenstädten einzuführen, der heute auch besprochen werden soll, vor allem im Hinblick auf die Luftbelastung?

    "Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ist wichtig"

    Müller-Görnert: Generell unterstützen wir natürlich auch schon lange eine Forderung, die da besagt, wir brauchen in Städten Tempo 30 als sogenannte Basis- oder Regelgeschwindigkeit, so dass man nicht mehr begründen muss, warum muss irgendwo Tempo 30 eingeführt werden, sondern das ist generell die Basis und es kann Ausnahmen geben auf wichtigen Hauptverkehrsstraßen, dass man dort bis Tempo 50 erlauben kann oder mehr. Aber Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ist erst mal wichtig, in erster Linie aus dem Aspekt der Verkehrssicherheit, aber auch, um einen gleichmäßigen Verkehrsfluss zu bekommen. Wie die Auswirkungen für die Luftqualität sind, da sind auch die Experten noch etwas uneins.
    Die einen sagen, wir haben da eine Einsparung; andere sagen aber auch, wir haben einen höheren Schadstoff-Ausstoß. Es kommt dann auch immer darauf an, wie gefahren wird, denn bei niedrigen Geschwindigkeiten werden die Leute oft verleitet, dann in niedrigen Gängen zu fahren. Da fährt man dann im zweiten Gang Tempo 30. Das ist natürlich kontraproduktiv. Das heißt, wir müssen auch hier in einem möglichst hohen Gang fahren, dann kann da auch der Schadstoff-Ausstoß sinken. Aber der indirekte Effekt ist natürlich: Wenn wir Tempo 30 haben, verbessern sich die Rahmenbedingungen für das Fahrradfahren, denn wenn immer mehr Leute vom Auto auf das Rad umsteigen, dann haben wir insgesamt viel mehr gewonnen. Das ist dann ein extrem guter Beitrag zur Luftqualität, aber auch zum Thema Klimaschutz.
    Kuhlmann: Danke schön! Das war Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Ihnen danke nach Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.