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Konstantin der Große und die Anfänge des christlichen Europa

In der Nacht vor der entscheidenden Schlacht um Rom im Jahre 312 erschien - so die Legende - Konstantin der Große im Traum das Christus-Monogramm mit den Worten "in hoc signo vinces", "In diesem Zeichen wirst du siegen". Er ließ es auf seine Feldzeichen schreiben und gewann danach den Kampf, eroberte Rom und Kaiserkrone.

Von Peter Leusch |
    " Freunde, was ihr ab jetzt genießt ist römische Luft, die Luft dieser ruhmreichen Stadt Treveris, in der unser Kaiser Konstantin viele Jahre regiert hat, als er hier in Gallien für Ruhe und Ordnung gesorgt hat. Und für Ruhe und Ordnung sorgt auch ihr, stimmt's? - Wegtreten! "

    Erlebnis-Stadtführung in Trier: Der Schauspieler mimt einen römischen Hauptmann, der sich an seine Wachsoldaten wendet. Das sind die Touristen.

    Die römische Geschichte ist allgegenwärtig in Trier, der ältesten Stadt Deutschlands und ehemaligen Residenz des römischen Kaisers Konstantin. Überall hat er seine Spuren hinterlassen, und in diesen Tagen stößt man sogar auf seine Füße.

    Acht Füße, überdimensional wie vom Riesen Gulliver: 2 Meter Lang, 1,60m hoch, aus Leichtbeton, auf Marmor getrimmt - sind an verschiedenen Stellen der Altstadt platziert
    Sie symbolisieren, dass Kaiser Konstantin nach Trier zurückgekehrt ist - in Gestalt einer großen Ausstellung, die sich über drei Trierer Museen erstreckt.
    Der Originalfuß gehört zu einer Kolossaltstatue Konstantins, von der verschiedene Fragmente erhalten sind, darunter als Prunkstück der Kopf.
    Dieser Kopf beherrscht die Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Trier und lässt den Besucher spüren, was es heißt vor einen römischen Kaiser zu treten.

    " Wenn man vor diesem Kopf steht: 6 Tonnen Marmor, in dem Fall, drei Meter hoch, nur der Kopf und der Hals - das ist sehr monumental, und wenn man sich vorstellt, dass der Kopf in 12 Meter Höhe auf der Statue drauf saß, die Statue nochmals auf einem drei Meter hohen Sockel - das ist ein gewaltiges Monument. "

    Eckart Köhne, der Projektleiter der Ausstellung, erklärt, dass das Original die Kapitolinischen Museen in Rom nicht verlassen durfte. Aber diese Kopie wirkt verblüffend echt, weil das Original mit neuartiger Lasertechnik vermessen wurde.

    " Wir haben ihn gescannt mit einem Streifenlichtscanner, ..., und da konnte man den Kopf und die anderen 10 Fragmente im Hundertstel-Millimeterbereich genau aufnehmen, und anhand der Daten ein dreidimensionales Modell am Computer erstellen. .... Es war auch möglich mit diesem Modell eine CnC-gesteuerte Fräse anzutreiben.

    Wir sind dann also nach Carrara gefahren, haben dort einen 25 Tonnen schweren Block Marmor besorgt, haben den im Fränkischen zusägen lassen, also die Grobkonturen, und dann wurden die Fräsarbeiten gemacht, ... und dann hat der Bildhauer Karl Dräger noch die Oberfläche gestaltet, denn wir wollten kein maschinelles Produkt - es sollte so aussehen wie das Original - noch mal komplett von Hand nachmodelliert. Und das Ergebnis macht uns sehr stolz, es ist ein dolles Ding. "

    Ausstellungen zu Kaiser Konstantin gab es bereits in den vergangenen Jahren in Rimini und in schweizerischen Augst. Aber nun hat man in einem großen Wurf alles zusammengetragen an jenem Ort, der mit seinem Aufstieg besonders verbunden ist - in Trier.

    Im Konzert der drei Ausstellungsorte hat sich das Rheinische Landesmuseum auf das Thema "Konstantin - Herrscher des Römischen Reiches" konzentriert. Konstantins erste Residenz war Trier, das im vierten nachchristlichen Jahrhundert an Größe, Urbanität und Bedeutung alle anderen Städte im Westen des Reiches übertraf, Trier war auf einer Höhe mit Rom und Konstantinopel, illustriert an den ausgestellten Stadtmodellen.

    Konstantin wurde irgendwann in den Jahren um 275 n. Chr. geboren. Genauer weiß man es nicht. Sein Vater war der Mitkaiser Konstantius Chlorus, seine Mutter Helena, eine Gastwirtin, mit der der Vater unverheiratet zusammenlebte.

    Das römische Reich des dritten Jahrhunderts befand sich einer tiefen Krise. Es litt unter den wechselnden Germaneneinfällen ebenso wie unter den Machtkämpfen der so genannten Soldatenkaiser. Diokletian hat das Römische Reich noch einmal stabilisieren können, indem er die Macht im Westen und im Osten auf zwei Kaiser übertrug, denen jeweils ein Unterkaiser zur Seite stand.

    Konstantin sprengte jedoch die Hierarchie, als er sich nach dem Tod des Vaters 306 n. Chr. selber zum Kaiser ausrufen ließ. Im Jahr 312 kam es zur entscheidenden Schlacht mit dem Rivalen und Schwager Maxentius an der Milvischen Brücke in Rom.

    In der Nacht vor der Schlacht - so die Legende - sei Konstantin im Traum das Christus-Monogramm erschienen mit den Worten "in hoc signo vinces", "In diesem Zeichen wirst du siegen". Er ließ es auf seine Feldzeichen schreiben und gewann gegen einen überlegenen Gegner. Konstantin eroberte Rom und die Alleinherrschaft im Westen.

    Konstantins Hinwendung zum Christentum bedeutete eine historische Wende, die sich in ihrer Radikalität heute kaum mehr ermessen lässt, meint der Trierer Bischof Reinhard Marx.

    " Vor der Schlacht hat er seine Existenz ganz auf den Gott der Christen gesetzt, das war ein ungeheurer Schritt, dass ein Gott in den Mittelpunkt gestellt wurde, den das Römische Reich selber gekreuzigt hatte, wir stellen uns das wie selbstverständlich vor, aber den Soldaten und der Bevölkerung einen Gott Christus vorzustellen, der als Verbrecher selber von Rom hingerichtet wurde, ist ein ungeheurer Schritt, und das hängt mit Trier schon zusammen, von hier ist das ausgegangen, und von hier ist er losgezogen nach Rom, von daher hat Trier eine Bedeutung, dann natürlich, dass es kaiserliche Residenz war, der Dom ist auf Initiative Konstantins entstanden, ... ohne Konstantin könnten wir uns den Dom, die gesamte Kirchenanlage und die Geschichte des Bistums nicht vorstellen. "

    Fortan ergriff Konstantin Partei für das Christentum, auch wenn er sich selber erst auf dem Totenbett taufen ließ. Konstantin initiierte ein großes Kirchenbauprogramm. Damals entstanden Alt-St.Peter und die Lateranbasilika in Rom, die Kirchen in Jerusalem und Bethlehem, und eine Kirchenanlage in Trier, deren Grundriss größer war als der heutige Dom.

    Die so genannte "Konstantinische Wende" im Jahr 312 verwandelte das junge Christentum aus einem verfolgten Minderheitsglauben in eine staatlich geförderte Religion, die noch im selben Jahrhundert unter Theodosius zur Staatsreligion aufsteigen sollte.

    Damit begann jene Verbindung von Staatsmacht und Kirche, die für das gesamte Mittelalter, ja bis zur Frz. Revolution bestimmend war.

    " Zunächst einmal hat Konstantin Bedeutung für ganz Europa nicht nur für die Kirche. Die Entscheidung für den Gott der Christen, so wie er es verstanden hat, war natürlich eine welthistorische Entscheidung, die Konsequenzen hat bis heute, ... dass sich ein römischer Kaiser, der Herr der damals bekannten Welt, klar und offen und konsequent als Christ bekannt hat. Für die Kirche hat das natürlich auch Folgen, natürlich könnte man spekulieren, wäre die Kirche genauso weiter gegangen ohne diese Entscheidung, das ist reine Spekulation, denn der christliche Glaube braucht natürlich nicht einen Kaiser um lebendig zu blieben, aber dadurch dass er diese Entscheidung gefällt hat, war innerhalb von ein, zwei Generationen das gesamte damalige römische Reich mit dem Gedanken des Christentums vertraut, und war im Grunde geprägt von diesem Glauben, und das hat Auswirkungen bis heute. "Konstantin - Der Kaiser und die Christen": Auf diese Thematik konzentriert sich die zweite Ausstellungsstätte, das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum. Zu seinen Schätzen zählen jene Deckenmalereien, die bei Ausgrabungen unter dem Dom gefunden wurden. Sie gehörten vermutlich zu einem Zimmer des kaiserlichen Palastes.

    " Komplett ist diese Decke seit 1984, und sie stellt ein Glanzstück der spätantiken Malerei dar. Ich hatte neulich einen Kollegen aus Rom, der sagte: ‚Ist ja schön diese Deckemalerei, hat nur einen Fehler, sie müsste in Rom hängen." - Selbst die Römer haben nichts Vergleichbares aus dieser Zeit. Und das macht das Besondere dieses Stücks aus. "

    Der Archäologe Winfried Weber, Direktor des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums, stellt die ausgestellten Bilder vor, die aus 40.000 Fragmenten zusammengesetzt worden sind.

    " Die Qualität dieser Malerei ist außerordentlich., ... wie raffiniert der Maler das gemacht hat, sehen Sie hier an der Frau mit dem Schmuckkasten, die zieht aus der Kiste eine Kette heraus, und wenn Sie weiter zurücktreten, sie schaut einen an, und selbst wenn Sie im Saal herumgehen, verfolgt Sie dieser Blick. Das hängt mit der Geste zusammen, sie zieht die Kette heraus, als wollte sie sagen: "Schau, was ich hier Schönes und Kostbares habe."

    Die Bilder sind zugleich schön und rätselhaft. Wer ist die Frau im zentralen Bild, die eine realistische zeitgenössische Frisur trägt und mit einem kaiserlichen Nimbus, einer Lichtscheibe ausgezeichnet ist? Handelt es sich um die Kaiserinmutter Helena oder um die Ehefrau Fausta, wie Winfried Weber vermutet?

    Die Bilder führen mitten hinein ins Familiendrama Konstantins, in dem er sich wenig christlich verhielt.
    Was für eine persönliche Einstellung hatte Konstantin eigentlich zum Christentum, das er als Kaiser so gefördert hat?

    " Dieses Thema wird bei uns ganz brisant sein, wenn Sie an die Deckenmalerei denken, in der Mitte ist die Fausta dargestellt, und Konstantin hat im Jahr 326 seinen Sohn Crispus und im Sommer desselben Jahres seine Frau in Rom im Bade ersticken lassen, weil er ihr Ehebruch vorwarf, und da ist sofort die Frage, wie verträgt sich das denn mit dem ersten christlichen Kaiser? "

    Konstantin handelte wie andere nicht-christliche Kaiser Roms. Staatsräson und Machtkalkül bestimmten seine Politik. Ein Christ im religiös-moralischen Sinne, der seinen Glauben lebt, war er sicherlich nicht, soweit sind sich die Historiker einig.

    Wahrscheinlich konvertierte Konstantin zum Christentum, um dem bröckelnden Römischen Reich in den Wirren der Spätantike eine neue religiös-ideologische Einheit zu schaffen.

    Aber warum entschied er sich angesichts der Vielfalt der Kulte und Mysterienreligionen gerade für jenes Christentum, das insbesondere im Westen des Reiches kaum Anhänger besaß?
    Winfried Weber wagt eine Hypothese:

    " Das ist die spannende Frage, und da muss man eben in die christlichen Gemeinden hineinschauen, allein die Tatsache, dass die Christen Gemeinden gebildet haben, die für alle offen waren, ob Sklave, Freier, Arme oder Reiche, die konnten Christen werden, und in diesen Gemeinden zusammenarbeiten, ... Und dieses Gemeinschaftserleben war in ganz bestimmten Fällen sehr wichtig: wer z.B. allein war, Arme, Kranke, der war im römischen Staat verloren, es gab keine Alters- oder Krankenversorgung, und wer starb und keinen Pater familias hatte, der für das gesamte Hauswesen und das würdige Begräbnis Sorge trug, - und für den antiken Menschen war das Weiterleben im Gedächtnis der Nachfahren sehr wichtig, - wenn da keiner war, dann wurde der einfach verscharrt, und bei den Christen war das anders. Wenn keine eigene Familie da war, war der Bischof derjenige, der mit seinen Diakonen für ein würdiges Begräbnis Sorge getragen hat. "

    In den frühchristlichen Gemeinden war es üblich, dass die Vermögenden in den Gottesdienst Gaben mitbrachten, die anschließend an die Armen und Bedürftigen verteilt wurden. Hat Konstantin in dieser gelebten Solidarität, im Füreinander-Einstehen eine Integrationskraft gespürt, die den inneren Zerfall aufhalten und das Römische Reich erneuern könnte?

    Handelte Konstantin aus Kalkül oder war er bekehrt?

    Konstantin förderte das Christentum, ohne allerdings die anderen Kulte zu unterdrücken. Als Kaiser hatte er auch das Amt des Pontifex maximus inne, d.h. er war die höchste Institution für die traditionelle römische Götterverehrung. Die Inschrift auf dem Konstantinsbogen in Rom, den er sich zu Ehren seines Sieges von Senat und Volk errichten ließ, enthielt die Formulierung, er habe - instinctu divinitatis - "durch Eingebung einer Gottheit" gesiegt. Dass es der Christengott war, wurde diplomatisch verschwiegen.

    Im Edikt von Mailand 313 n. Chr. gewährte Konstantin freie Glaubensentscheidung in Bezug auf alle Religionen. Den Christen widerfuhr Toleranz, die ihnen lange vorenthalten wurde. Doch schon am Ende desselben Jahrhunderts wird Kaiser Theodosius im Namen eben des Christentums die Toleranz gegenüber den anderen Religionen abschaffen. Aufgrund dieser Entwicklung ist die Konstantinische Wende auch als Sündenfall der Kirche angeprangert worden.

    Die historischen Quellen über Konstantins Persönlichkeit bleiben dürftig. Seine überlieferten Briefe betreffen öffentliche Angelegenheiten. Und die zeitgenössische Biographie "Das Leben Konstantins" stammt von Bischof Eusebius von Cäsarea. Eusebius entwarf das Bild eines idealen christlichen Kaisers, das bis in die Gegenwart hinein wirkungsmächtig blieb.

    Das Stadtmuseum Simeonstift widmet seinen Part der Aufgabe, die Wirkungsgeschichte Konstantins aufzuhellen. Tradition und Mythos - lautet der Titel der Ausstellung. Über die Jahrhunderte ist den Menschen dieses Konstantinbild vermittelt worden - nicht nur in Worten, sondern auch in Bildern und Figuren, z.B. am Kölner Dom, erläutert die Kunsthistorikerin Bärbel Schulte, stellvertretende Leiterin des Stadtmuseums.

    " Wir haben hier die beiden Skulpturen Konstantin und Karl d. Gr. vom Westportal des Kölner Doms. Konstantin in antikischem Gewand mit der Kreuzstandarte in der Rechten und dem Schwert in der Linken, mit einer Krone, langem welligen Haar, und Schnauzbart. Und auf der rechten Seite haben wir Karl d. Gr. mit Schwert und Reichsapfel, auch mit einer Krone. Die beiden werden - wenn die Ausstellung beendet ist, - das Westportal des Kölner Doms zieren, sie sind beide frisch restauriert worden, Karl d. Gr. wird praktisch in die Nachfolge Konstantins gestellt, als Beschützer der Kirche, Konstantin galt als der Bewahrer des Glaubens, Beschützer der Kirche und in diesem Zusammenhang ist dann eben Karl der Gr. Ihm zur Seite gestellt worden als Portalsprogramm des Westportals des Kölner Doms. "

    Den Mythos aufzubrechen und zu einer Neubewertung von Konstantin und seiner Zeit zu kommen, dazu lädt auch der zweibändige Ausstellungskatalog ein. Bildmaterial und Aufsätze wenden sich dabei ebenso an Wissenschaftler wie an eine interessierte Öffentlichkeit.