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Kooperationsverbot in der Bildungspolitik
SPD-Politiker Matschie: Bund muss Hochschulen dauerhaft finanzieren

Wegen des Kooperationsverbots mit den Ländern darf sich der Bund nicht dauerhaft im Bildungsbereich engagieren. Thüringens Wissenschaftsminister Christoph Matschie (SPD) möchte das dringend ändern.

Moderation: Jörg Biesler | 16.01.2014
    Außenansicht eines Universitätsgebäudes bei Nacht mit hellerleuchteten Fenstern, im Vordergrund der Schriftzug "Universität".
    Christoph Matschie: "Wir brauchen eine dauerhafte Unterstützung des Bundes für die Hochschulen" (dpa / Jens Wolf)
    Jörg Biesler: Über das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung wird anhaltend gestritten. Seit 2006 steht es im Grundgesetz und legt fest, dass sich der Bund in Sachen Bildung, also an Schulen und Hochschulen nicht dauerhaft engagieren darf, nur zeitlich begrenzte Förderung, wie bei der Exzellenzinitiative oder im Hochschulpakt, die ist erlaubt. Das ist ein Problem, weil Hochschulen und Schulen strukturell unterfinanziert sind. Die Bundesbildungsministerinnen Schavan und Wanka haben für eine Lockerung des Verbots plädiert und auch viele Länderminister – passiert allerdings ist bislang nichts Grundsätzliches.
    Einer, der sich stets gegen das Kooperationsverbot ausgesprochen hat, ist Christoph Matschie, der Bildungs- und Wissenschaftsminister Thüringens. Ihn habe ich kurz vor der Sendung gefragt, warum sich bislang eigentlich nichts bewegt hat.
    Christoph Matschie: Ich denke, man muss jetzt nicht zu lange in die Vergangenheit schauen. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen in einem harten Ringen dafür gesorgt, dass neun Milliarden mehr für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen sollen in dieser Legislaturperiode. Und jetzt brauchen wir ein Paket zur Umsetzung: Wie wollen Bund und Länder zusammenarbeiten? Wie soll das zusätzliche Geld sinnvoll eingesetzt werden? Und wir waren uns auch einig: Im Zentrum muss die Stärkung der Hochschulen stehen.
    Und in dem Zusammenhang muss man jetzt überlegen: Welche Maßnahmen wollen wir, und wie kann man dann mit der strittigen Frage Kooperationsverbot umgehen? Wie kann eine Grundgesetzänderung aussehen, die eine vernünftige Zusammenarbeit von Bund und Ländern ermöglicht?
    Biesler: Lassen Sie uns ganz kurz doch noch mal in die Vergangenheit schauen, denn es ist ja daran gescheitert im Grunde, dass die SPD für die große Lösung plädiert hat in der Vergangenheit – die SPD hat gesagt, Schulen und Hochschulen müssen im Grunde auch mit Bundesmitteln gefördert werden. Und dann gab es Empfindlichkeiten einiger Länderminister, die natürlich auch um ihre eigene Hoheit fürchteten, vor allen Dingen in Bayern, in Sachsen und in Hessen, CDU-, CSU-Minister, die gesagt haben, wenn der Bund jetzt sich an der Finanzierung beteiligt, das machen wir nicht mit, weil der Bund dann sicher auch mit sprechen will.
    Wenn Sie jetzt sagen, an den Hochschulen ist es besonders dringend, dann klingt das so, als ob die SPD, in dem Fall jetzt Sie, so ein bisschen von der großen Lösung abweichen und auf die CDU zugeht. Richtig verstanden?

    Christoph Matschie, Wissenschaftsminister von Thüringen, will das Kooperationsverbot lockern.
    Christoph Matschie, Wissenschaftsminister von Thüringen, will das Kooperationsverbot lockern. (AP)
    Matschie: Also ich will es erst mal inhaltlich sagen, ich fände nach wie vor eine große Lösung sinnvoll, und viele Menschen in Deutschland auch, die sagen, Bund und Länder sollen in der Bildung vernünftig zusammenarbeiten. Aber wir sind in dieser Frage nicht weitergekommen. Wir haben jetzt im Koalitionsvertrag zusätzliche Mittel, neun Milliarden, und wir brauchen jetzt ein Paket zur Umsetzung.
    Für mich würde dort hinein gehören, dass der Hochschulpakt dauerhaft verstetigt wird und damit der Bund sich an der Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligt. Für mich würde hineingehören, dass wir die Exzellenzinitiative weiterentwickeln und sie auch auf eine dauerhafte finanzielle Grundlage stellen. Oder dass wir darüber reden, wie wir mit dem BAföG weiter umgehen, ob der Bund hier einen größeren Anteil finanziert und die Länder entlastet.
    Und in einem solchen Zusammenhang muss natürlich auch darüber geredet werden, welche Grundgesetzvoraussetzung brauchen wir dafür. Und da müssen alle Seiten sich bewegen. Da kann keiner sagen, alles oder nichts. Ich bin jedenfalls dafür, dass man in dieser Frage neu miteinander redet.
    Bund soll in Grundfinanzierung der Hochschulen einsteigen
    Biesler: Das ist im Grunde der Vorschlag, den Bundesbildungsministerin Johanna Wanka auch schon gemacht hat, zunächst mal jetzt die Hochschulen in Angriff zu nehmen – das ist ja auch besonders dringend –, und dann zu sehen, was mit den Schulen anschließend passiert. Das ist etwas, wo Sie sagen könnten, da bin ich einverstanden?
    Matschie: Ich möchte, dass wir ein vernünftiges Finanzierungspaket verhandeln. Was soll in dieser Legislaturperiode passieren? Welches Geld steht den Hochschulen zur Verfügung? Auf welchem Weg soll dieses Geld kommen? Wichtig ist, dass der Bund in die Grundfinanzierung der Hochschulen mit einsteigt. Es macht keinen Sinn, wenn der Bund immer nur ein Projekt nach dem anderen auflegt, die Länder zur Kofinanzierung gezwungen werden und dann das Geld für die Grundfinanzierung der Hochschulen nicht da ist. Und hier muss der Bund über seinen Schatten springen uns sagen, ja, wir wollen in diese dauerhafte Aufgabe hinein gehen.
    Und wenn wir ein Paket miteinander besprechen – wie stärkt der Bund die Hochschulen in der Grundfinanzierung, wie geht es weiter mit der Exzellenzinitiative, wie sieht die Zukunft des BAföG aus – dann muss man in diesem Zusammenhang auch über eine vernünftige Grundgesetzänderung reden. Da sollte niemand die Tür zuschlagen.
    Biesler: Für eine Grundgesetzänderung sind jedenfalls die politischen Verhältnisse gerade sehr gut, denn im Bundestag regiert ja mit der großen Koalition eine mehr als Zweidrittelmehrheit. Wie weit ist das denn abgestimmt mit Ihren Länderministerkollegen von der SPD, die ja bislang auch es lieber gehabt hätten, wenn die Schulen mit dabei wären, ihr Vorschlag?
    Matschie: Das ist eine Frage, die jetzt diskutiert werden muss. Sowohl in der Bundestagsfraktion als auch mit den Länderkollegen. Ich glaube durchaus, wenn man sich auf ein vernünftiges Paket verständigt, dann ist die Zweidrittelmehrheit im Bundestag überhaupt kein Problem, wenn die Koalition sich einigt. Und in den Ländervertretungen muss man jetzt miteinander reden, muss man überlegen, gibt es ein Gesamtpaket, dem auch zwei Drittel der Länder zustimmen können.
    Dazu ist es natürlich auch notwendig, eben nicht nur SPD und Union sprechen miteinander, sondern auch die Grünen müssen mit an den Tisch. Denn ohne die Länder, in denen die Grünen beteiligt sind an der Regierung, kann es keine Lösung geben. Also, da liegt noch ein Stück Weg vor uns. Ich bin aber der Meinung, wir sollten uns jetzt rasch ans Werk machen. Wir brauchen ein Umsetzungspaket für die Stärkung unserer Hochschulen und eine dauerhafte Perspektive dafür.
    Biesler: Ihnen ist wichtig offenbar, dass wieder Bewegung in die Sache kommt, aber Ihnen ist auch wichtig, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass es tatsächlich eine Grundgesetzänderung gibt. Also nicht nur einen Staatsvertrag oder so, der dann zeitlich ja auch wieder befristet wäre.
    Matschie: Ich glaube, dass wir in dem Zusammenhang über eine vernünftige Grundgesetzlösung reden müssen. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass man hier dauerhafte Wege eröffnet, nicht immer nur auf befristete Zeit mit Projekten arbeitet. Ich nehme jetzt mal das Beispiel Hochschulpakt. Das ist befristet angelegt worden, aber allen Beteiligten ist klar, wir brauchen eigentlich eine dauerhafte Unterstützung des Bundes für die Hochschulen, und deshalb glaube ich, man muss hier zueinander kommen.
    Niemand kann hier das Spiel alles oder nichts machen, sondern ein vernünftiges Paket muss jetzt geschnürt werden, das den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Und dann kann man auch zum Ziel kommen.
    Biesler: Jetzt mal salopp gefragt: Wann rechnen Sie denn damit, dass das erste Geld vom Bund auf einem thüringischen Konto eintrifft?
    Matschie: Das ist nicht ganz einfach zu sagen. Im Moment gibt es ja nicht mal einen beschlossenen Bundeshaushalt. Und an der Frage, wann der Bund welche Summen in den Haushalt einstellen kann, passiert da in diesem Jahr schon was, passiert das erst im nächsten Jahr, daran hängt die Frage, wann kann konkret Geld auch auf dem Thüringer Konto eingehen zur Stärkung der Hochschulen. Das ist eine Frage, die der Bund jetzt klären muss und die dann in ein solches Gesamtpaket mit hinein gehört – welche Gelder fließen wann?
    Biesler: Christoph Matschie, Bildungs- und Wissenschaftsminister in Thüringen, mit einem Vorschlag, wie die Diskussion ums Kooperationsverbot vorangebracht werden könnte. Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.