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Kopftuchverbot spaltet auch türkische Studentinnen

Republikgründer Atatürk hatte die Trennung von Staat und Religion in der Türkei verordnet. Aus diesem Grund müssen junge Studentinnen am Eingang einer Hochschule ihre Tücher ablegen. Kopftuchträgerinnen hoffen nun, dass die Regierung Erdogan endlich ihr Wahlversprechen einlöst und das Verbot aufhebt.

Von Gunnar Köhne |
    Die private Bahcesehir-Universität ist idyllisch gelegen am Bosporus. Tugba Cosandal, Studentin der Betriebswissenschaften, geht in den Unterrichtspausen gerne am Wasser spazieren. Die 21jährige trägt das umstrittene "Türban"-Kopftuch, um den Hals geschlungen und den Haaransatz bedeckend. Dazu einen langen Mantel, Jeans und Turnschuhe. Bislang muss Tugba damit rechnen, am Eingang des Campus wegen ihres Kopftuchs abgewiesen zu werden. Die Studentin hat die Nase gestrichen voll:

    "Wir gehen doch zur Uni, um zu lernen, aber stattdessen müssen wir uns ständig mit diesem Streit beschäftigen! Das beeinflusst unsere Uni-Laufbahn: Wir begegnen den Professoren mit Vorurteilen und die uns auch. In der Uni werden wir nicht nach unseren Leistungen beurteilt, sondern danach, ob wir ein Kopftuch tragen oder nicht."

    Noch umgeht Tugba das staatliche Kopftuchverbot an den Hochschulen mit einer tief in die Stirn gezogenen Mütze und einem Schal. Doch am kommenden Montag, wenn das neue Semester beginnt, will sie sich nicht wieder so verkleiden. Denn sie hofft, dass das türkische Parlament am Samstag das Kopftuchverbot an den Universitäten endgültig kippt. Für die zierliche junge Frau eine Frage der Gerechtigkeit:

    "Ich fühle mich nicht gleichberechtigt. Ich komme morgens gemeinsam mit meinen Kommilitoninnen an der Uni an, aber während die anderen ohne Kopftuch weiter durch den Haupteingang gehen, muss ich mir eine Ecke suchen und mich umziehen, also meisten diese komischen Mützen – erst dann kann ich an den Eingangskontrollen vorbei. Meistens komme ich ein paar Minuten zu spät zum Unterricht und der Tag fängt schon mit einer großen Wut im Bauch an. Das ist erniedrigend."

    In den Räumen des Istanbuler Vereins "Für die Bewahrung des Atatürkschen Denkens" haben sich gut ein Dutzend junger Leute versammelt, um die nächsten Proteste gegen die Regierung vorzubereiten. Hier will man das Kopftuchverbot an den Hochschulen unbedingt beibehalten. Die Literaturstudentin Semanur Karaman fürchtet einen Dammbruch und ein Ende des Laizismus, der von Republikgründer Atatürk verordneten Trennung von Staat und Religion:

    "Wenn Kopftücher überall getragen werden können, dann werden sie uns am Ende zwingen, auch eins aufzusetzen. Man darf nicht vergessen: Die Türkei ist ein muslimisches Land und die Demokratie gibt es hier noch nicht sehr lange. Auch den Laizismus haben noch nicht alle verinnerlicht. Darum habe ich Angst vor einem schritt weisen Rückfall in den radikalen Islam."

    Der türkische Hochschulrektorenverband hat angekündigt, sich dem neuen Gesetz widersetzen und Kopftuchträgerinnen auch weiterhin vom Unterricht aus schließen zu wollen. Hochschullehrerinnen wie Semsa Özar, Istanbuler Wirtschaftsprofessorin, dagegen sehen den Streit unter ihren Studentinnen gelassen. Özar verweist auf Zahlen, die belegen, dass der Anteil von Kopftuchträgerinnen in der Türkei langsam sinkt. Und sie ist überzeugt, dass liberale Türkinnen ihre Freiheiten auch ohne staatliche Verbote verteidigen könnten:

    "So ist es oft in einer Gesellschaft: Eine Gruppe wird von der anderen unter Druck gesetzt, und die muss sich dagegen wehren. Daran ändern auch Gesetze nichts. Wer will, soll das Kopftuch aufsetzten. Aber wenn die Religiösen uns unter Druck setzen wollen, wissen wir uns zu wehren."

    Ist das Kopftuchverbot erst einmal gefallen, so lautet eines der Argumente der Säkularisten, dann wird der Druck auf unverschleierte Mädchen steigen, ihren Kopf ebenfalls zu bedecken – besonders in der Provinz. Studentin Tugba kann dieses Argument nicht nachvollziehen. Wir Kopftuchträgerinnen sind es doch, die sich gegen staatlichen Druck wehren müssen, sagt sie. Jetzt solle die Regierung Erdogan endlich ihr Wahlversprechen einlösen:

    "Wir erwarten von der Regierung, dass dieses Tabu fällt und wir so wie wir sind zur Uni gehen können."