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Korruptions-Skandal im Biathlon
Die Biathlon-Familie hält zusammen

Im Fokus des Korruptionsskandals bei der Internationalen Biathlon Union (IBU) stehen Präsident Anders Besseberg und Generalsekretärin Nicole Resch. Doch auch abseits der Hauptbeschuldigten gehören interessante Personen zur "Biathlon-Familie" der IBU.

Von Thomas Purschke | 21.04.2018
    Silhouette eines Biathlon-Sportlers.
    Biathlon (picture-alliance / dpa / Alexander Vilf)
    Man zeigt sich gern als Familie, die Biathlon-Familie. Von tollen Menschen und der guten Atmosphäre, von der besten Sportfamilie der Welt sprechen die Athleten in einem Spot des Welt-Biathlon-Verbands IBU.
    Und diese Familie ist seit der Razzia durch Wiener Ermittler in ihren Grundfesten erschüttert. Doping-Vertuschung, Geschenkannahme, Stimmenkauf. Der Verdacht wiegt schwer und richtet sich aktuell gegen den seit 1993 amtierenden Präsidenten, Anders Besseberg aus Norwegen und die deutsche Generalsekretärin Nicole Resch. Besseberg lässt seither sein Amt ruhen, bestreitet aber die Vorwürfe. Generalsekretärin Resch ist vorläufig suspendiert und möchte sich nicht zu den Vorwürfen äußern, um nicht die polizeilichen Ermittlungen zu gefährden, wie sie dem WDR-Magazin "Sport inside" mitteilte. Jahrelang hatten sich Besseberg und Resch als Dopingbekämpfer inszeniert. Noch im ZDF sagte Resch im Dezember:
    "Sehr viele Dokumente, die wir überprüfen, ob das neue Fakten sind. Da sitzen unsere Rechtsexperten dran. Und wir bearbeiten das unter Hochdruck."
    Dass Funktionär Besseberg seit Jahren auch im Stiftungsrat der WADA sitzt, zeigt zudem die groteske Situation der sporteigenen Kontrollinstanzen und die gegenseitigen Abhängigkeiten im globalen Sportsystem.
    Der DOSB wusste von nichts
    "Die Vorwürfe gegen zwei Offizielle der IBU sind gravierend und schockierend", teilt der Deutsche Olympische Sportbund auf Deutschlandfunk-Anfrage mit.
    "Es ist gut, dass durch die unmittelbar aufgenommenen Ermittlungen nun vollumfängliche Aufklärung erfolgen kann. Wir hoffen, dass die Untersuchungen schnell Klarheit bringen. Sollten sich die Verdachtsmomente bewahrheiten, wären all jene hintergangen worden, die sich für einen fairen und sauberen Weltsport einsetzen und die Verantwortlichen müssten mit aller Konsequenz zur Rechenschaft gezogen werden. Im Übrigen gilt bis dahin jedoch die Unschuldsvermutung. "
    Auf die Frage, ob DOSB-Präsident Alfons Hörmann, früher Präsident des Deutschen Skiverbands und von 2006 bis 2010 sogar selbst mal Vizepräsident der IBU war, dabei etwas von Korruptionsvorgängen im Biathlon mitbekommen habe, die kurze Antwort des DOSB:
    "Nein."
    Nie etwas von den Vorwürfen mitbekommen hat auch der amtierende DSV-Präsident Franz Steinle. Auf Deutschlandfunk-Anfrage teilt der Verband mit:
    "Die aktuelle Situation und Entwicklung beobachte der DSV mit großer Sorge. Es sei absolut notwendig, dass die erhobenen Vorwürfe schnell und umfassend untersucht werden."
    Ansonsten wisse man nicht mehr als in den Medienveröffentlichungen bekannt, heißt es weiter. Aufklärung fordern auch Sponsoren des beliebten Wintersports. Viele von ihnen sind in Deutschland ansässig.
    Ein Sprecher des IBU-Premiumsponsors Viessmann, ebenso ein deutsches Unternehmen, erklärte auf Anfrage, man begrüße alle Maßnahmen zur Aufklärung des Falles. Ähnliches hört man auch vom offiziellen Titelsponsor im Welt-Biathlon, vom Auto-Konzern BMW.
    "Russische Interessen in hohem Maße geschützt"
    Seit 2008 amtiert die 42-jährige Juristin Nicole Resch aus Thüringen als Generalsekretärin des Biathlon-Weltverbandes. Als Jugendliche begann sie in der DDR mit Skilanglauf und war später am Sportgymnasium in Oberhof als Biathletin aktiv. Nach einem Jura-Studium in Würzburg gelangte sie in relativ kurzer Zeit in die wichtige Position der IBU-Generalsekretärin.
    Im internen WADA-Bericht heißt es:
    "Frau Resch wird verdächtigt, russische Interessen in hohem Maße geschützt zu haben, vor allem im Umgang mit den biologischen Pässen russischer Athleten. Frau Resch übt eine nahezu alleinige Kontrolle des biologischen Passprogramms der IBU aus. Sie schließt aktiv andere Mitarbeiter von dem Programm aus."
    Doch auch abseits der Hauptbeschuldigten gehören weitere interessante Personen zur Biathlon-Familie: Zum Beispiel Thomas Pfüller, bis 2016 langjähriger Generalsekretär des deutschen Skiverbands. Der inzwischen 68-jährige Pfüller wurde im September 2010 auf dem IBU-Kongress in St. Petersburg in Russland zum Vize-Präsidenten, zuständig für Marketing, gewählt.
    In der DDR war Pfüller unter anderem Skilanglauf-Cheftrainer und in das staatlich organisierte Dopingsystem eingebunden. Zahlreiche Doping- und Stasi-belastete DDR-Trainer aus dem nordischen Skisport konnten auch dank seiner Protektion im bundesdeutschen Sport viele Jahre überwintern. Und nicht nur das, auch weitere Funktionäre haben eine DDR-Vergangenheit. Frank Ulrich, selbst Olympiasieger von 1980, war später lange Bundestrainer und arbeitet nun seit 2010 im Technischen Komitee der IBU.
    Als Technischer Delegierter der IBU wird noch immer der Thüringer Karl-Heinz Wolf geführt, der in der DDR als Stasi-Spitzel wirkte und als Trainer im DDR-Armeesportklub Oberhof in das Dopingsystem verstrickt war.
    Russischer Vertreter weist Anschuldigungen zurück
    Solidarität und Einigkeit seien die Kardinal-Tugenden der Biathlon-Familie, heißt es in einem weiteren Spot des Weltverbands. Zu dieser Familie gehörte lange auch Gottlieb Taschler, der in seiner Heimat Südtirol öfters als "Biathlonpapst" bezeichnet wurde. Gottlieb Taschler wurde 2017 in Bozen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wegen Beihilfe zum Doping bei seinem Sohn David, der Biathlet ist, in Verbindung mit dem wohl berüchtigsten Dopingarzt Italiens, Michele Ferrari.
    Und auch im Biathlon gibt es in den obersten Führungsgremien Vertreter aus dem russischen Sport. Derzeit erster Vizepräsident der IBU ist Viktor Maigurow.
    Der hatte vergangene Woche in seiner Heimat erklärt: Es habe keine Bestechung bei der IBU im Zusammenhang mit der ursprünglichen Vergabe der WM 2021 an Tjumen in Sibirien gegeben und Besseberg sowie Resch hätten keine positiven russischen Dopingproben verschwinden lassen. Dafür hätten sie kein Motiv gehabt.
    IBU wieder normal im Tagesgeschäft
    Was diese Aussagen des russischen Spitzenfunktionärs Maigurow wert sind, werden die weiteren Ermittlungen der österreichischen Behörden zeigen.
    Unabhängig davon will man in der Biathlon-Familie aber ganz normal weitermachen, wie Geschäftsführer Martin Kuchenmeister dem Deutschlandfunk sagte:
    "Mittlerweile geht unser Tagesgeschäft ganz normal weiter. Wir arbeiten zu 100 Prozent genau wie vorher auch mit dem einzigen Unterschied, dass wir intern die Aufgaben, die die Generalsekretärin wahrgenommen hat, auf mehrere Köpfe verteilt haben, also den größten Teil hab ich bekommen."
    In der Biathlon-Familie hält man zusammen.