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Krim
Russlands gigantisches Anschluss-Projekt

Die Krim zu entwickeln, gehört zu den Prestigeprojekten der russischen Regierung. Den Menschen soll es besser gehen als noch in der Ukraine. Vor allem aber geht es um den Anschluss an Russland. Alleine die 19 Kilometer lange Brücke zum russischen Festland hat rund drei Milliarden Euro gekostet.

Von Thomas Franke |
    Die Brücke verbindet die Krim mit Russland. Seit Mai ist sie auch für Autos befahrbar.
    Seit Mai für Autos befahrbar: die Brücke von der Halbinsel Krim nach Russland (picture alliance / RIA Nowosti / Vitaliy Timkiv)
    In einem Wohnhaus in Jalta betreiben Schanna und Dmitrij Kuprijanow ein Küchenstudio. Fünf Küchenzeilen haben sie aufgebaut, in weiß, in grau, in schwarz, matt und glänzend, darauf Plastikobst als Dekor. Seit 2013 verkaufen sie Küchen des deutschen Küchenherstellers Nolte. Damals war die Krim noch Teil der Ukraine: "Alle Verträge haben wir mit dem Vertriebsbüro in Moskau abgeschlossen."
    "Was Geld und Zeit betrifft, ist das praktisch das gleiche wie über Kiew. Die Logistik ist sogar besser. Weil in Russland das Netz von Nolte besser entwickelt ist und dorthin öfter Ware kommt als in die Ukraine."
    "Die Baubranche boomt"
    Verboten ist das nicht. Der Handel mit Küchen fällt nicht unter die EU-Sanktionen. Die neue Brücke von Russland auf die Krim vereinfache noch einmal vieles, sagen die Kuprijanows. Maksim Papuschenko ist Wirtschaftsentwicklungsminister in der angrenzenden Region Rostow am Don. Seit der Weg durch die Ukraine auf die Krim zu ist und erst recht seit es die Brücke gibt, erlebe Südrussland wegen der Krim Zuwächse, versichert er: "Jedes Infrastrukturobjekt, das den Warenfluss und den Verkehr beschleunigt, ist wirtschaftlich nützlich. Es senkt die Kosten für die Unternehmen, die Kosten der Staatsunternehmen, das ist immer gut."
    Auch auf der Krim investiert Russland deshalb weiterhin in die Infrastruktur. Seit Mitte Mai fahren Autos und Busse auf die Krim, an der Eisenbahntrasse wird weiter gebaut, ebenso an der Autobahn quer über die Halbinsel.
    Ivan Plochotnitschenko, Vertreter einer Unternehmervereinigung auf der Krim, spricht von einem Aufschwung: "Die Baubranche boomt. Seit Russland hier regiert, werden Straßen repariert, wird Wohnraum geschaffen, was unter der Ukraine Jahre nicht gemacht wurde."
    Investitionen auf der Krim steigen
    Russlands Regierung hat ein Förderprogramm für die Entwicklung der Krim aufgelegt. Der russische Rechnungshof bemängelte im vergangenen Sommer, dass nur ein Bruchteil der Gelder abgerufen wurde: 23,6 Prozent in 2015, 63Prozent in 2016. In diesem Jahr verkündete die Ministerin der Krim für Wirtschaftsentwicklung, Natalja Tschaban, eine Wende. Demnach sei das Bruttoinlandsprodukt der Halbinsel im Jahr 2017 um zehn Prozent und die Investitionen auf mehr als das Doppelte gestiegen. Knapp die Hälfte davon waren allerdings Staatsinvestitionen. Zahlen sind in diesem Kontext grundsätzlich mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Die Krim ist das Prestigeprojekt der Regierung.
    Die Russische Industrie- und Handelskammer berichtete in diesem Frühjahr, der Lebensstandard auf der Krim liege weiterhin unter dem russischen Durchschnitt, Infrastruktur und Anlagen seien stark abgenutzt. Nach wie vor hat die Krim Probleme mit der Energieversorgung. Vor allem aber mit dem Wasser. Seit der Annexion 2014 kommt nur noch ein Sechstel der Wassermenge auf der Krim an. Große Teile versteppen. Landwirtschaft ist aber ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor der Halbinsel.
    "Jetzt herrscht Ordnung"
    Russischen Angaben zufolge ist die Schattenwirtschaft im Vergleich zur Ukraine zurückgegangen, sei aber höher als im Rest Russlands. Das Küchenstudio den russischen Gesetzen anzupassen, koste Zeit und Geld, berichtet das Ehepaar Kuprijanow. Sie täte das aber gern: "Wir zahlen jetzt alle Steuern. Unter der Ukraine war das nicht so. Eindeutig. Jetzt aber herrscht Ordnung." Zum Beleg zeigt ihr Mann auf elektronische Abrechnungsgeräte. Jede Zahlung werde dort gebucht und automatisch an die Behörden übermittelt.
    "In der Ukraine haben wir in Kiew Bargeld übergeben, was damit dann passierte, wussten wir nicht. Jetzt zahlen wir per Überweisung an das Vertriebsbüro in Moskau, die tauschen die Rubel nach offiziellem Tageskurs in Euro um und leiten das Geld nach Deutschland weiter. So können wir beruhigt sein, auch in Bezug auf die Steuerinspektion. Wir arbeiten jetzt sauber."