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Kuba
Steinmeiers historische Reise

Schon jetzt wird Steinmeiers Besuch in Havanna, die erste Reise eines Bundesaußenministers nach Kuba, quer durch die deutsche Parteienlandschaft als historisch bezeichnet. Die Annäherung zwischen Kuba und den USA eröffnet neuen Spielraum für Europa, doch auch die Kubaner könnten davon profitieren.

Von Klaus Remme | 16.07.2015
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier reist als erster bundesdeutscher Außenminister nach Kuba.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier reist als erster bundesdeutscher Außenminister nach Kuba. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Historisch, schon wieder? Selten, dass sich Vertreter aller Parteien völlig einig sind, doch angesprochen auf die Bedeutung dieser ersten Reise eines Bundesaußenministers nach Kuba, antworten alle Obmänner im Auswärtigen Ausschuss einhellig mit dem Wort: Historisch. Hier, hintereinander weg, Roderich Kiesewetter, CDU, Niels Annen, SPD und Wolfgang Gehrcke, Linkspartei:
    Roderich Kiesewetter: "Kuba ist vor dem Zerfall und bevor Kuba endgültig dem Chaos anheimfällt, wenn Castro sterben sollte, ist es ein sehr gutes Zeichen, doch mitzuhelfen, dass dieses Land eine neue Perspektive bekommt."
    Niels Annen: "Kubas ist ein kleines Land, aber ein Land, das eine Bedeutung hat, die weit über die geografische Ausdehnung hinausgeht, weil sich viele Menschen in Lateinamerika mit dem Schicksal dieser Insel identifizieren. Und deswegen ist es auch ein Signal an den gesamten Kontinent."
    Wolfgang Gehrcke: "Dass Steinmeier jetzt fährt, finde ich ziemlich toll und damit kann man auch ein Kapitel schlechter Beziehungen abschließen und sagen, wir fangen was Neues an und das möchte ich gerne."
    Der Alt-Linke Gehrcke war 1961 das erste Mal in Kuba, er hat Fidel Castro getroffen, damals, baumlang, bärenstark, ein Rebell für ganz Lateinamerika, so beschreibt er ihn mit einer Bewunderung, die auch heute nicht gewichen ist:
    "Dass die Kubaner die Bilder von Fidel nicht schönen, sondern man sieht, es ist ein alter Mann, der am Ende seines Lebens im Trainingsanzug da sitzt und über die Welt nachdenkt und nennenswertes zu sagen hat, find ich ganz toll."
    "Klares Zeichen von Entspannung setzen"
    Ob Frank Walter Steinmeier den alten Fidel sehen wird, ist fraglich, selbst ein Termin beim Bruder, bei Präsident Raoul Castro wird zurzeit nicht bestätigt. Es vergeht ja inzwischen kaum eine Woche ohne prominenten Politbesuch aus Europa. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini war schon da und Frankreichs Präsident Hollande auch. Sind wir etwa zu spät dran? Omid Nouripour von den Grünen meint:
    "Die Deutschen kommen einen Tacken später als die anderen, aber Gott sei Dank nicht zu spät. Es ist halt notwendig, dass diese Reise jetzt endlich stattfindet, damit man auch ein klares Zeichen von Entspannung setzen kann. Die ritualisierten Kämpfe der letzten Jahre waren ja immer im Windschatten der Amerikaner und die Zeiten sind vorbei, Gott sei Dank."
    Zwei Tage wird Frank Walter Steinmeier in Havanna sein. Politische Gespräche stehen im Mittelpunkt. Natürlich zunächst mit seinem Amtskollegen Parilla, aber auch mit den Ministern für Kultur und Wirtschaft. Der Neubeginn der Beziehungen zwischen Washington und Havanna eröffnet neuen Spielraum für die Europäer, vor allem aber Chancen für die Kubaner, findet Roderich Kiesewetter:
    "In Kuba ist gar nichts gut. Es ist weder die Umwelt, noch die Wirtschaft, noch die Perspektive für die Jugendlichen, es herrscht auch keine Freiheit. Ich hatte Gelegenheit, mit einer Gruppe von - allerdings nur zwölf - jüngeren Oppositionellen Kubas zu sprechen, die für längere Zeit in Deutschland sind. Die sich über das Internet zusammengefunden haben und die uns auch reinen Wein über Kuba eingeschenkt haben.
    Nun wissen wir, wie rasch in Südamerika die Stimmungen umschlagen, wie schnell ein Putsch den anderen ablöst, und diese jungen Leute, mit denen wir da gesprochen haben, die wollen Stabilität, die wollen Verlässlichkeit, und sie wollen in ihrem Land bleiben. Und ich glaube, das ist noch gar nicht so in der Öffentlichkeit angekommen, was diese historische Handreichung der Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet."
    "Kuba war das vergrößerte Bordell der ganzen USA"
    Der deutsche Außenminister hatte im Frühjahr bereits Brasilien, Peru und Kolumbien besucht, Havanna spielt eine wichtige Rolle im Bemühen um eine Versöhnung zwischen Regierung und Rebellen in Kolumbien, Kuba, so Wolfgang Gehrcke, darf ohnehin nicht isoliert gesehen werden:
    "Wer in Kuba gute Beziehungen hat, kriegt gute Beziehungen in Venezuela, kriegt die in Brasilien. Kuba ist nicht völlig reizlos, was auch Bodenschätze angeht. Und man muss jetzt gute Verfahren treffen. Die Kubaner werden sich nicht ausplündern lassen. Die Zeiten, wo wir befürchten mussten, dass die USA in Kuba wieder ihr Bordell aufmachen - Kuba war ja das vergrößerte Bordell der ganzen USA - sind vorbei, sowas wirds nicht geben. Also wird gleichberechtigter Handel eine Rolle spielen können."
    Die Krisen der Welt, sie haben diese Kubareise des Außenministers gleich mehrfach berührt. Die Verhandlungen mit dem Iran zogen sich in die Länge, Steinmeier musste länger in Wien bleiben als gedacht, die Kuba-Reisedaten wurden nach hinten verschoben und jetzt steht morgen die Griechenland-Sondersitzung im Bundestag an.
    Abgeordnete, die eigentlich mitfliegen wollten, müssen nun in Berlin bleiben. Bitter vor allem für Gehrcke von der Linkspartei, wollte der doch aus historischem Anlass eine Machete, die ihm Fidel Castro in den 70er-Jahren geschenkt hat, wieder zurück nach Kuba bringen, vielleicht hätte man sie ja für einen guten Zweck versteigern können, sagt er. Sie hat ungeahnte Folgen, diese Griechenland-Krise.