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Längste Trockenzeit passt zufällig in einen Monat hinein

Festgetackert habe sich das Wetter derzeit, sagt Jörg Kachelmann, Wetterexperte und Moderator. "Wetter rastet sich gerne ein." Von Vorhersagen, die nun schon das Wegbleiben eines Winters befürchten, hält er allerdings nichts.

Jörg Kachelmann im Gespräch mit Dirk Müller | 25.11.2011
    Dirk Müller: Ganz gleich, auf welche Wetterkarte man in den zurückliegenden Wochen geschaut hat, alle Vorhersagen waren sich einig: Es bleibt sonnig und regenfrei - und so war es auch, in Deutschland und in Mitteleuropa. Brandgefahr in deutschen Wäldern, kaum noch Rinnen befahrbar für die Binnenschiffer – und das alles im späten Herbst. Sintflutartige Ergüsse hingegen im Süden des Kontinents mit katastrophalen Folgen in Italien beispielsweise: Erdrutsche, Überschwemmungen, überflutete Wohngebiete. Das Wetter, kommentieren viele, spielt also wieder einmal völlig verrückt. Ein blockierendes Hochdruckgebiet hat uns fest im Griff, sagen die Fachleute.

    – Darüber sprechen wir nun mit Wetterexperte Jörg Kachelmann. Guten Morgen.

    Jörg Kachelmann: Schönen guten Morgen.

    Müller: Herr Kachelmann, fünf Wochen fast nur Sonne. Ist das die himmlische Antwort auf die Eurokrise?

    Kachelmann: Das ist manchmal so. Das Wetter ändert sich zwar im Schnitt alle fünf bis sieben Tage, aber wenn es sich mal so festtackert, dann ist mit jedem Tag, an dem es so weitergeht mit dieser festgetackerten Lösung, auch die Wahrscheinlichkeit immer größer, dass es noch ein bisschen länger so bleibt. Wetter rastet sich gerne ein und entsprechend auch gerade im Herbst und im Spätherbst nichts Außergewöhnliches, dass das mal passiert. Auch wenn natürlich das doch, wenn man sich die Zahlen anguckt, recht außergewöhnlich ist. Der Wallberg hat gestern die 200-Stunden-Sonnenscheingrenze durchbrochen, im November ist das doch sehr außergewöhnlich. Allerdings natürlich gibt es auch die Kellerkinder, die fast durchweg unter dem Nebel waren. Ulm und Hermaringen-Allewind 20 Stunden Sonnenschein. Also dort war es eher etwas trist den ganzen November über. Große Unterschiede auch in ganz Deutschland.

    Müller: Wenn Sie, Herr Kachelmann, das nicht so ganz überrascht hat, viele Zahlen sagen jedoch, es ist der trockenste November seit Messbeginn.

    Kachelmann: Das ist schon so. Ich meine, es ist schon am unteren Ende dessen. Auch wie die Sonnenscheindauer auf den Bergen am oberen Ende ist, ist die Trockenheit natürlich auch am oberen Ende, auch wenn es im Saarland zum Beispiel doch Orte gibt, an denen es nicht ganz so trocken war. Man guckt natürlich immer vor allem auf die Rekorde. Allerdings Nohfelden-Gonnesweiler immerhin 13 Liter pro Quadratmeter im November, der Bostalsee zwölf Liter pro Quadratmeter. Aber gesamthaft über Deutschland gesehen ist es extrem trocken. Man darf nicht vergessen: Diese Rekorde kommen auch immer deshalb zustande, dass es auch in diesem Jahr mal gut in den Kalendermonat reinpasst. Es gab viele ähnliche Ereignisse, die fingen dann aber am 15. Oktober an und hörten dann am 15. November auf. Und wenn es dann in der ersten Oktoberhälfte tierisch regnet und in der zweiten Novemberhälfte auch wieder tierisch regnet, dann kommen statistisch zwei normale Monate heraus. Deswegen muss man immer ein bisschen aufpassen bei dieser Rekordlust. Es ist eben auch dann meistens so, dass bei den ganz großen Rekorden es zufällig in den Kalendermonat reinpasst, in dem dann auch abgerechnet wird.

    Müller: Sie müssen uns jetzt, Herr Kachelmann, aus der wissenschaftlichen Perspektive weiterhelfen. Das Hochdruckgebiet, seit fünf Wochen steht das da, eingekeilt von Tiefdruckgebieten. Wie kommt das denn, dass es so lange Bestand hat?

    Kachelmann: Das ist einfach mit der ganz gemeinen Antwort zu beschreiben: ist so. Das ist einfach so. Die Frage ist, warum regnet es nicht? ..., weil das Hoch das Tief blockiert und die Westwindzone nicht durchbricht. Das bleibt eben mal eine Weile so. Da sieht man, wenn man in das gesamte Gefüge reinguckt: Da blockiert ein Tief und ein Hoch das nächste wiederum. Aber da kommt jetzt auch die Bewegung rein. Die Westwindzone bricht jetzt dann durch. Das wird man spüren, vor allem in der Nordhälfte Deutschlands mit dem vielen Wind übers Wochenende, dass sich da was tut. Da kommt auch der Regen. Man muss eben auch einsehen, dass eben all diese unseriösen Sachen, die es gibt – Sie haben gesagt, wir bleiben in der Wissenschaft -, dass im November es jetzt schon einen Horrorwinter geben würde, oder dass jetzt Sandstürme am Wochenende uns betreffen. Das ist alles Unsinn. Es regnet zwar nicht den ganz großen Haufen vom Himmel herunter in der Nordhälfte Deutschlands, aber doch so, dass wenigstens ein bisschen was runter kommt. Und es wird auch so kalt in der nächsten Woche, dass wenigstens die Mittelgebirge mal ein bisschen Schnee abbekommen. In den Alpen, da ist noch nicht viel zu sehen. Da werden die Sonnenrekorde weiter purzeln für den November. Da gibt es mal zwischendurch ein paar Tröpfchen und ein paar Flöckchen. Also, es gibt jetzt auch was ganz Normales im November oder Anfang Dezember: Die Westwindzone bricht durch, es kommt Wind auf und die letzten Blätter fallen von den Bäumen und es wird so mäßig kühl mit einer Schneefallgrenze meistens zwischen 500 und 1.000 Metern kommende Woche. Also, es ist nicht der Wintereinbruch, der da droht, aber diese große Trockenheit, die ist zumindest für die Mitte und den Norden vorbei. Und mit der Zeit ist vielleicht auch ein bisschen was für den Süden Deutschlands in Sicht. Allerdings dort wird es noch ein bisschen mit der relativen Dürre weitergehen.

    Müller: Bleiben wir ein bisschen bei der Schneeperspektive, die Sie angesprochen haben. Im Internet stöhnen schon die Skigebiete darüber, dass es ganz, ganz schwierig wird diese Saison. Werden die überhaupt aufmachen können?

    Kachelmann: Das weiß man noch nicht, wie diese Saison wird. Das ist ja das Furchtbare, dass nur in Deutschland immer in den Medien zwei Dinge zu lesen sind, die es sonst praktisch nirgendwo auf der Welt zu lesen gibt, weil sie unseriös sind. Das eine ist das Biowetter und das andere ist der Versuch, eine Vorhersage für den ganzen Winter zu machen. Wir haben ja in manchen Boulevard-Medien gelernt, dass es einen Horrorwinter geben möge mit Schneechaos schon im November. Wir haben gelernt, das ist alles Unsinn, es gibt kein Schneechaos im November, sondern das Gegenteil davon. Das ist aber gleichzeitig auch Hoffnung machend. Es bedeutet noch gar nichts, dass es jetzt noch nicht geschneit hat. Wir können im Dezember gut und gerne zu Weihnachten zwei Meter Schnee haben in weiten Teilen Deutschlands, es ist alles noch offen. Das ist das Wunderbare am Wetter: Das wird laufend neu entschieden und nichts ist sicher für die Saison. Das heißt, man darf auch noch nicht verzweifelt sein. Und wenn man Ski und Schlitten zu Weihnachten schenken möchte, dann hat man immer noch gute Chancen, dass das ein gutes Geschenk sein möge.

    Müller: Wie schwierig ist das für Sie als Profi, wenn Sie immer sich damit beschäftigen, ganz intensiv, und dann feststellen, das Wetter macht ja doch, was es will?

    Kachelmann: Das Wetter macht nicht, was es will. Wir können das doch gut und gerne auf zwei Wochen recht gut vorhersagen, das machen wir auch für unsere Kunden jeden Tag und mit großem Erfolg. Aber es gibt eben ein paar Dinge, die man wie gesagt nicht kann. Man wird auch noch in ganz vielen Jahren bis Jahrzehnten nicht wissen, ob es zu Weihnachten jetzt schon weiß sein wird, ob der Winter jetzt schneereich oder eben nicht so schneereich sein wird. Jahreszeitenvorhersagen gehen generell noch nicht und damit muss man sich abfinden. Und es wäre schön, wenn die Boulevard-Medien in Deutschland und auch die normalen Zeitungen sich mal damit abfinden würden, weil es ist immer anstrengend für uns zu sagen, ja wo ist jetzt euer Horrorwinter und euer Schneechaos im November geblieben. Da hilft dann die Ausrede, aber das sind nur die Scharlatane in der Branche, wenig. Wir würden uns wünschen, dass die Wissenschaft da auch sich die Bahn bricht. Und die macht ja auch Hoffnung. Wie gesagt, kann alles noch werden.

    Müller: Wie wir es gerade hier im Deutschlandfunk gehört haben, Herr Kachelmann. Sie sind ja voll engagiert wieder ins Wetterbusiness eingestiegen. Sie haben uns im Vorgespräch verraten, dass Sie auch versuchen, in Asien und so weiter Fuß zu fassen mit Blick auf das Wetter. Nach dem umstrittenen Prozess, wie sind Sie in den Alltag zurückgekehrt?

    Kachelmann: Na ja, Sie haben es ja vorher von Max Mosley gehört, was so eine Sache ist. Falschbeschuldigung ist immer etwas Verheerendes für jeden. Das ist ja das Tolle für die Leute, die so etwas mit einem tun, dass man selbst nach einem rechtskräftigen Freispruch wie bei mir nicht mehr dort weitermachen kann, wo man vorher aufhören musste. Was aber viele Leute eben auch nicht wissen, dass das Fuchteln vor der Wetterkarte bei mir, glaube ich, etwa so fünf Prozent meiner Aufgaben bei Meteomedia entsprach. Also wenn diese fünf Prozent wegfallen, ist das zwar auch bedauerlich, bringt jetzt aber weder mich, noch die Firma um. Wir expandieren, wie Sie gesagt haben, weiter nach Asien. Das ist kein Versuch, da arbeiten schon zehn Leute in Manila seit kurzer Zeit und in Nordamerika. Da ist die ausführliche Beschäftigung der Medien, ob ich jetzt fünf Tage im Monat für 13 Prozent der Fernsehzuschauer mit einem Altersschnitt von knapp 70 Jahren tätig sein kann oder nicht, eher rührend.

    Müller: Also Sie haben schnell wieder Fuß gefasst?

    Kachelmann: Ja, auf alle Fälle - schon lange. Ich bin seit 1. Januar wieder voll am Werk und das mit unveränderter Lust und Verve am Wetter.

    Müller: Wetterexperte Jörg Kachelmann bei uns im Deutschlandfunk-Interview. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören in die Schweiz.

    Kachelmann: Danke Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.