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Laue Hurrikansaison 2006

Meteorologie. – Anders als im vergangenen Jahr wurden die USA und die Karibik in der Hurrikansaison 2006 weitgehend verschont. Nur neun statt der vorhergesagten 15 tropischen Stürme entstanden über dem Atlantik, keiner davon erreichte die USA. Schuld daran ist offensichtlich das Klimaphänomen El Nino im Pazifik.

Von Volker Mrasek | 08.12.2006
    "The forecast was for about 15."

    15 Wirbelstürme. So viele hätte es in diesem Jahr eigentlich im Atlantik geben sollen, nach der offiziellen Saisonvorhersage in den USA.

    "They again predicted that there could be some major landfall activity at the US coast."

    Vorhergesagt wurde auch, dass einige Hurrikans erneut die US-Küste erreichen könnten. Es sollte kein Rekordjahr werden wie 2005, sagt der Meteorologe Chris Velden von der Universität Wisconsin in den USA. Aber doch eine überdurchschnittlich aktive Saison. Elf tropische Stürme und Hurrikans gelten als normal im Spätsommer und Herbst. Doch nicht einmal so viele entwickelten sich in diesem Jahr. Velden:

    "”Unsere nationale Wetterbehörde NOAA gibt die offizielle Hurrikan-Vorhersage in den USA heraus. Es existieren aber auch noch andere Modelle, zum Beispiel an der Universität von Colorado, in Mexiko und in England. Alle haben mehr Wirbelstürme als normal vorhergesagt. Aber es waren nur neun Stück in dieser Saison, und keiner davon hat die US-Küste erreicht. Die, die sich bildeten, waren schwächer als erwartet. Sie lösten sich alle schon über dem Meer auf.""

    Velden war kürzlich in Costa Rica, auf der Welt-Konferenz über tropische Wirbelstürme. Eine der brennendsten Fragen dort: Warum lagen die Vorhersagen in dieser Saison so gründlich daneben? Der Schuldige scheint bereits gefunden. Er heißt El Nino. Das ist die stärkste natürliche Schwankung im Klimasystem der Erde. Eine periodische Erwärmung des tropischen Pazifik alle drei bis acht Jahre. Velden:

    "Der Hauptgrund für die Vorhersagefehler ist, dass sich derzeit wieder ein El Nino entwickelt, und das schon seit Juni. Die Saisonvorhersage für Hurrikans kam aber noch früher heraus. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Hinweis darauf, dass im Pazifik ein neuer El Nino im Anmarsch ist."

    dass die Macht El Ninos weit reicht, hat sich zuletzt vor acht Jahren gezeigt. Da provozierte er Wetterkatastrophen rund um den Globus: lang andauernde Dürren in Indonesien und Australien, starke Überschwemmungen in Chile, Peru und Kalifornien. Doch diesmal soll El Nino zunächst einmal Gutes bewirkt haben. Nach Auffassung der Wetterexperten bewahrte er die USA, Mexiko und die Karibikstaaten vor einer weiteren, verheerenden Hurrikan-Saison. Velden:

    "”El Nino ist zwar ein Meeresphänomen. Er hat aber auch starke Auswirkungen auf die Atmosphäre. Die Luftströmungen verändern sich, und das rund um die Erde. Auch im Atlantik. Dort entstehen dann mehr Scher-Winde als sonst, das heißt: Der Wind in Höhen um sieben bis acht Kilometer bläst sehr stark. Und das mögen Hurrikans gar nicht gern. Von den Scherwinden werden sie regelrecht zerzaust. Auf diese Weise unterdrückt El Nino Wirbelstürme im Atlantik.""

    Die wenigen Wirbelstürme, die in diesem Jahr von Ost nach West über den Atlantik wanderten, bogen schon frühzeitig nach Norden ab. An der US-Küste kamen sie erst gar nicht an. Dafür war ihr Einfluss auf Europa diesmal größer. Denn wenn die Megastürme in den Nordatlantik einwandern, geraten sie mitten in Europas Wetterküche. Manche drehen sogar eine halbe Pirouette und laufen zurück nach Osten. Einen solchen Fall hat Tim Hewson in dieser Saison beobachtet. Der Meteorologe ist einer der Vorhersage-Chefs beim britischen Wetterdienst:

    "”Ein solcher Wirbelsturm lebt dann noch einmal auf. Er kann sehr starke Niederschläge und Winde in Teilen Westeuropas mit sich bringen, vor allem an der britischen Küste. Ein Beispiel dafür war Hurrikan Gordon in dieser Saison. In Irland und Nordirland hat er im Oktober Sturmschäden verursacht.""

    El Nino selbst lässt sich übrigens nicht besonders gut vorausberechnen, was sich ja in dieser Saison zeigte. Deshalb gehen Meteorologen davon aus, dass sie mit ihrer Hurrikan-Vorhersage auch in Zukunft nicht immer richtig liegen werden.