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Lehrstelle trotz Handicap

Viele junge Behinderte haben Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Das will ein Förderprogramm in Nordrhein-Westfalen ändern. Es bietet jährlich 100 jungen Menschen die Chance auf einen Ausbildungsplatz in einem Wirtschaftsbetrieb.

Von Stephanie Kowalewski | 13.02.2013
    Die Regale in der Lagerhalle der Firma Pannenbecker in Moers sind prall gefüllt mit KFZ-Ersatzteilen und allem möglichen Autozubehör. Hier arbeitet der 19-jährige Fabian Pütz. Er macht eine Ausbildung zum Fachlageristen.

    "Ich hole mir vorne den Auftrag ab und dann laufe ich durch die Gänge zu den Lagerorten und kommissioniere die Ware und bringe sie dann nach vorne an die Endkontrolle."

    Dass Fabian Pütz in einem ganz normalen Wirtschaftsbetrieb diese Ausbildung machen kann, ist ein Glücksfall, sagt er strahlend, denn Fabian gilt als lernbehindert.

    "Ich habe eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, eine ziemlich starke. Und ich habe ein Problem mit dem linken Auge, dass ich da nicht richtig sehen kann."

    Der 19-Jährige war auf Förderschulen, hat den Hauptschulabschluss gemacht und Berufsvorbereitungskurse besucht. Doch seine Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz waren allesamt erfolglos. Dann kam die Zusage, dass er im Rahmen der Aktion 100 beim CJD-Berufsbildungswerk Niederrhein eine Ausbildung machen kann. Fabian Pütz hat mit dem Berufsbildungswerk einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen. Das CJD in Moers koordiniert und begleitet die gesamte Ausbildung, erklärt Martin Lueb. Er ist Ausbildungsleiter beim CJD und Praxisanleiter von Fabian Pütz:

    "Das sieht so aus, dass der Jugendliche in dem Fall bei uns zur Schule geht, wir haben eine eigene Schule, dass er bei uns auch vor Ort zusätzlichen Unterricht bekommt, nach Bedarf speziell für ihn. Und dass er dann halt im Betrieb die Praxis erfährt, aber auch in der Verbindung mit einem Praxisanleiter, hier von uns."

    Martin Lueb hat auch die Firma Pannenbecker mit ins Boot geholt. Sie ist Kooperationspartner in der Ausbildung, nicht Arbeitgeber. Kosten entstehen den beteiligten Unternehmen also nicht. Regelmäßig besucht der Praxisanleiter den Azubi im Betrieb, hält engen Kontakt zum dortigen Ausbilder.

    "Der Betrieb kann sich an uns wenden, wenn es Probleme vor Ort gibt, dann sind wir ziemlich schnell da. Das wird so abgepolstert, dass der Betrieb eigentlich auch keine Probleme damit hat. Funktioniert der Jugendliche vor Ort nicht, kann er immer sagen, tut mir leid und zieht sich wieder aus dem Vertrag zurück."

    Bei Fabian Pütz läuft aber alles bestens. Sein Ausbildungsleiter im Betrieb, Thomas Klatt ist hoch zufrieden mit ihm und mit dem Programm Aktion 100. Für ihn steht Fabian trotz seines Handicaps auf einer Leistungsstufe mit den anderen Auszubildenden:

    "Momentan ist das gut, dass fast gar kein Unterschied zu sehen ist. Man merkt eigentlich gar nicht, dass er irgendwo eine Schwierigkeit hat. Und wenn, dann haben wir ihn jetzt schon so weit, dass er die schon so ein bisschen ausgeräumt hat. Also wirklich kann nicht sagen, dass man da differenzieren muss."

    Mit der richtigen Unterstützung können eben auch Menschen mit Behinderungen vollwertige Mitarbeiter sein, betont er. Fabian Pütz sei der Beweis, dass die Aktion 100 und die enge Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungswerk erfolgreich ist - auch wenn das hier und da mal etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt. Thomas Klatt:

    "Kann man nicht sagen, dass fas für mich eine große Belastung ist. Ganz im Gegenteil. Macht Spaß auch die Leute dann zu fördern, weil, wie gesagt, unterschieden sich kaum."
    So wie Fabian Pütz haben seit Beginn des Programms im Januar 2007 mehr als 500 junge Menschen in über 300 Kooperationsbetrieben eine Chance auf eine Ausbildung in mehr als 80 verschiedenen Berufen bekommen. Eine Chance, die sie ohne diese spezielle Förderung wohl kaum gehabt hätten. Und viele von ihnen haben dadurch einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Darauf hofft auch Fabian Pütz. Er ist inzwischen im zweiten Ausbildungsjahr.

    "Das ist auf jeden Fall eine Riesenchance zu beweisen, ich kann trotzdem arbeiten, ich schaffe meine Ausbildung. Klar, das macht natürlich selbstbewusster, macht Mut, es fühlt sich echt gut an und macht auch Spaß."

    Gut möglich, sagt auch sein Ausbilder Thomas Klatt, dass Fabian nach der Ausbildung als Fachlagerist bleiben kann.

    "Wenn wir den Bedarf zu dem Zeitpunkt haben, auf jeden Fall."

    Übrigens sind beim CJD-Berufsbildungswerk in Moers noch sieben Plätze in der Aktion 100 frei. Interessierte sollten sich an ihren Berater bei der Arbeitsagentur wenden und können sich dann noch bis Ende März für eine Ausbildung beim CJD bewerben.