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"Lerchenberg"
ZDF-Mediensatire geht in die zweite Runde

Der ewige Comebackversuch des abgehalfterten Fernsehstars Sascha Hehn: Das ist die Ausgangsidee der satirischen Miniserie "Lerchenberg", die nach dem Standort des ZDF-Sendezentrums in Mainz benannt ist. Auch die zweite Staffel ist ein echtes Vergnügen für Fernsehgucker - voller kleiner, selbstironischer Spitzen auf den Sender.

Von Achim Hahn |
    Blick von oben auf das neue Sendezentrum des Zweiten Deutschen Fernsehens auf dem Lerchenberg in Mainz, aufgenommen im November 1983.
    Der Lerchenberg in Mainz - Standort des ZDF-Sendezentrums - ist der Dreh und Angelpunkt der gleichnamigen Serie. (picture-alliance / dpa)
    Das ZDF - und Sascha Hehn:
    "Sein Lächeln verzauberte die Welt. Nun hat er selbst seine letzte Reise angetreten."
    Einst das Traumpaar der seichten Fernsehunterhaltung. Man denke nur an "Die Schwarzwaldklinik" oder "Das Traumschiff".
    Jan Böhmermann: "Er hat so viele Rollen gespielt, die mir immer unvergesslich bleiben. Zum Beispiel diesen Dings - dieses - wo er da diesen einen ... Ne das war."
    Ewiger Comebackversuch des alt gewordenen Möchtegernschauspielers
    Egal. Sascha Hehn war der schöne, smarte Star. Doch das ist lange her. Immerhin bastelt man beim ZDF an seinem Nachruf. Bis Sascha Hehn dazukommt:
    "Nicht so eilig!"
    Sascha Hehn - gespielt von sich selbst.
    "Also, wenn Sie noch unzufrieden sind, wir haben da noch was aus Ihrem Frühwerk hier."
    Gemeint sind seine erotischen Filme wie .... -
    Iris Berben: "Nackt und heiß auf Mykonos."
    Dazu gehört schon was, sich so durch den Kakao ziehen zu lassen. Denn die Ausgangsidee der satirischen Miniserie "Lerchenberg" ist der ewige Comebackversuch dieses alt gewordenen Möchtegernschauspielers:
    "Ich will der Nachwelt beweisen, dass Sascha keine Witzfigur ist, sondern ein Charakterdarsteller. - Ja ne, is klar! - Und dafür will ich meinen eigenen Redakteur. - Wo soll ich denn den Idioten herkriegen?"
    Tja, "man muss eben einfach nur spitzkriegen, wer mit wem ins Bett steigt, dann ist es ein Leichtes, beim ZDF noch mal durchzustarten": sagt die Pressemappe. In echt.
    "Sascha Hehn braucht ein Lebenswerk, das einem Sascha Hehn gerecht wird. - Wieso? Für einen Gesichtsausdruck hast Du's doch weit gebracht?"
    Detailliert bis klischeehaft: Einblicke in den Alltag hinter der Mattscheibe
    In immer neuen Genres soll er sich in der zweiten Staffel von "Lerchenberg" also beweisen: ob als Schwedenkrimi Kommissar oder Zombiefilmopfer, als Hitlers Hundeführer oder verhinderter Hollywoodstar.
    "Was halten Sie von unserem 'Bergdoktor'? - Das wollen Sie nicht wissen. - Wenn alle auf dem Traumschiff 'ne Fischvergiftung kriegen, dann könnte er für eine Folge das Kommando übernehmen. - Ja oder alle auf dem Traumschiff haben Aids und 'Unser Charlie' rettet sie dann?"
    Das Unterhaltungsangebot des Senders dient als Vorlage, und mit der wechselhaften Geschichte von Saschas Redakteurin Billie - gespielt von Eva Löbau - bietet "Lerchenberg" detaillierte bis klischeehafte Einblicke in den Alltag hinter der Mattscheibe:
    "Du hast Dich vor einer Woche noch lustig nach oben gevögelt und jetzt machst Du hier einen auf Günter Wallraff bei 'Leute heute'. - Günter wer?"
    Vier Folgen gab es bisher, jeweils knapp 25 Minuten kurz. Die zweite Staffel ist gerade im ZDF angelaufen, und alle Folgen sind sogar jetzt schon für Ungeduldige in der Mediathek zu sehen. Und die lohnen sich. Denn "Lerchenberg" ist eine Serie voller kleiner, selbstironischer Spitzen auf den Mainzer Sender.
    "Dass die hier die Kaffeebecher hier immer nur halb voll machen, ja, das ist eine Frechheit."
    Intrigen und Skandale - Anstaltsalltag eben
    Mal abgesehen von den Intrigen und Skandalen, Macht- und Pöstchengerangel, der Besetzungscouch oder notwendigen Parteizugehörigkeit; - und dann immer diese Angst, in einem überdimensionalen Mainzelmännchen-Kostüm zu enden. Anstaltsalltag eben.
    "Guten Nabend!"
    Inszeniert mit den Stammdarstellern der letzten Staffel und jeder Menge ZDF-Stars von Iris Berben:
    "Sascha wurde oft überschätzt. Ne unterschätzt. Ah."
    ... bis Jan Böhmermann:
    "Ich hab keinen Bock, auch nur einen Tag länger in diesem verschissenen Digitalspartenexperiment namens ZDFneo zu versauern."
    "Wo hat der denn den Fummel her? Das zieht ja nicht mal der Gottschalk an."
    Denn sie alle gehen mit großer Spielfreude und ohne Skrupel ihre eigenes Image betreffend ans Werk.
    "Und Pfleger Mischa auszugraben war auch nicht meine schlechteste Idee!"
    "Jaha, hirntod, das kann er."
    Das ZDF kommt alles andere als gut dabei weg
    Sascha Hehn aber ist der Dreh- und Angelpunkt.
    "Sascha Hehn!"
    als von sich selbst eingenommener, eitler Ex-Frauenschwarm:
    "Was heißt hier Ex-Frauenschwarm?"
    ... der sich vor allem dann künstliche Tränen entlocken kann, wenn er sich vorstellt, er halte sich selbst sterbend in den Armen:
    "Es tut mit so leid! Ich hätte viel mehr für Dich da sein müssen."
    "Cut. Danke schön!"
    Dazu gehört Mut, sich so darzustellen, und jede Menge Selbstironie, was man dem ZDF in diesem Fall durchaus unterstellen darf, denn der Sender kommt alles andere als gut dabei weg.
    "Für Deinen Job beim ZDF ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn Du mal mit eigener Hand getötet hast."
    Nachteil: Viele Gags funktionieren nur durch Insiderwissen. Wer Sascha Hehn und seine seichten Fernseherfolge gar nicht kennt, wird es schwerer haben, den Reiz dieser intelligenten und selbstreferenziellen Mediensatire nachzuvollziehen. Ist aber wohl auch nicht das Zielpublikum. "Lerchenberg" ist ein echtes Vergnügen für Fernsehgucker.
    "Du weißt halt, wie's beim Fernsehen läuft. - Von wegen. Dank dem alten Sack bin ich jetzt im letzten Kackjob gelandet. - 'Wetten das..?' kommt wieder?!"