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Libyen-Heimkehrer: "Die Waffe wird offen getragen"

Dirk Hoffmann, der für eine deutsche Firma in Libyen arbeitete, erzählt von Campieren der Ausreisewilligen am Flughafen, ersten Hamsterkäufen der Bevölkerung - und der eigenen Angst vor der latenten Gewalt im Land.

Dirk Hoffmann im Gespräch mit Peter Kapern | 24.02.2011
    Peter Kapern: 25 Jahre lang war er ganz nah dran an Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi. Er war sein Protokollchef, Nouri al Masmari, der in der vergangenen Woche seine Koffer packte und aus dem System Gaddafi ausstieg. Gestern plauderte er im arabischen Fernsehsender al Jazeera und er berichtete dabei unter anderem über Söldner aus Schwarzafrika, die Gaddafi jetzt auf die Demonstranten schießen lässt.

    Noch sind einige hundert Deutsche in Libyen. Sie versuchen, das Land zu verlassen, auf dem Landweg, was nicht ungefährlich ist, per Fähre, was derzeit das Wetter unmöglich macht, und per Flugzeug, so wie Dirk Hoffmann, der bis vorgestern Abend im Auftrag einer deutschen Baufirma in Libyen gearbeitet hat. Besonders die Situation am Flughafen war für ihn bedrückend. Das hat er mir vor der Sendung erzählt.

    Dirk Hoffmann: Der Flughafen selber ist belagert von vielen Einheimischen beziehungsweise Leuten aus Tunesien oder aus Ägypten, also auf jeden Fall aus arabischen Ländern, die gegebenenfalls wieder in ihre Länder zurück wollten, und es waren natürlich auch relativ viele Europäer dabei, oder eben halt auch Amerikaner. Das Gelände vor dem Flughafen war doch recht voll besetzt und das, was früher halt eine Straße war, ist jetzt eigentlich so mehr Camping, beziehungsweise dass die Leute dort verharren und auf Flüge warten.

    Kapern: Wie viele Menschen sind das, was denken Sie?

    Hoffmann: Also es sind mehrere Tausende, die da vor dem Flughafengebäude warten und ihr Lager aufgeschlagen haben und auch versuchen, in dieses Flughafengebäude selber reinzukommen, weil die Zugänge zu dem Flughafengebäude selber, wo dann der Check-in stattfindet, das ist abgesperrt von Sicherheitspersonal und auch Polizei und Soldaten.

    Kapern: Wie gehen die mit den Leuten um, die da vor dem Flughafen auf Flüge warten?

    Hoffmann: Das ist der Punkt, wo ich sagen würde, dass ich das erste Mal wirklich Angst hatte, weil wenn man sieht, wie die Leute mit den hinzuströmenden Massen umgehen, es werden Schlagstöcke gehoben, die Leute werden von den Eingängen zurückgetrieben, insofern irgendwo ein Funke von Panik aufsteigt, dann greift das eben halt auch auf die anderen Leute, die davor warten, über. Viele Personen vor den Eingängen sind dann auch hingefallen, es stehen Mütter mit schreienden Kindern auf dem Arm und versuchen, in dieses Gebäude reinzukommen, und man wurde auch angesprochen, ob man denen gegebenenfalls mal Wasser geben kann oder so, weil vor dem Flughafengebäude halt nichts vorhanden ist, wo die Leute auch trinken oder essen können.

    Kapern: Sie sind in den Tagen vor Ihrer Abreise auch durch Tripolis gefahren. Was haben Sie da gesehen?

    Hoffmann: Bei der Fahrt durch Tripolis haben wir im Prinzip die Überreste der Protestbewegung gesehen, soll heißen, ausgebrannte Fahrzeuge haben wir gesehen, die halt als Straßensperren benutzt wurden, direkt abgesägte Bäume haben wir gesehen, die auch dann als Straßensperre benutzt wurden, und was man sonst ja eigentlich eher weniger kennt, die ganzen Überreste von so einer Protestbewegung, eingeschmissene Scheiben und die ganzen Geschäfte hatten geschlossen. Es waren Riesenschlangen vor den Bäckerläden, damit die Bevölkerung sich da vielleicht noch das eine oder andere Brot zulegen kann. Das sah schon so aus wie Hamsterkäufe.

    Kapern: Haben Sie was von den gewaltsamen Auseinandersetzungen mitbekommen?

    Hoffmann: Visuell haben wir davon nichts mitbekommen. Wir haben halt diese Sachen teilweise nur gehört, quietschende Reifen, hier und da Schüsse haben wir mitbekommen und, bedingt durch die Mentalität auch der arabischen Frauen, deren Schreie.

    Kapern: Wo ist Gaddafi in Tripolis? Was haben Sie davon mitbekommen? Ist er noch präsent dort?

    Hoffmann: Selber präsent ist er auf jeden Fall, schon alleine dadurch, dass jedes zweite Werbeschild sein Konterfei trägt, und präsent auch dadurch, dass er in der City von Tripolis im Prinzip sein, ich sage mal, Beduinenlager aufgeschlagen hat, hinter diversen Sicherheitsvorkehrungen, die doch recht enorm sind. In Teilbereichen sieht man, die normale Polizeipräsenz ist da und es wird eben halt auch offenkundig die Waffe getragen, offensichtlich Kalaschnikow oder was auch immer, schwer zu sagen, aber die Waffe wird offen getragen.

    Kapern: Wie sieht dieses Privatgelände von Gaddafi in Tripolis aus? Wie muss man sich das vorstellen?

    Hoffmann: Von außen sah es so aus, dass eine, sage ich mal, vier, fünf Meter hohe Mauer rings herum gebaut ist mit Wachtürmen, die stark besetzt sind, und dann halt ein Haupteinlass zu diesem Gelände, der auch sehr stark bewacht wird mit Videokameras und sehr viel Präsenz der Polizei als auch Soldaten.

    Kapern: Haben Sie da Demonstranten gesehen?

    Hoffmann: Vor dem Gebäude von Gaddafi, wo er eigentlich wohnen sollte, da habe ich Leute gesehen, aber das war eine Pro-Gaddafi-Demonstration. Die Leute haben für Gaddafi demonstriert, was auch am Flughafen bei meiner Ankunft so war, dass viele Leute so ein Poster von Gaddafi in ihren Autos hatten, oder die grüne Fahne am Auto. Also es war eine kleine Gruppe, die für Gaddafi davor demonstriert hat und die Autos gestoppt hat und sich halt mitteilen wollten.

    Kapern: Sie waren im Dezember schon einmal in Libyen, um dort zu arbeiten. Gibt es so etwas wie einen atmosphärischen Wechsel?

    Hoffmann: Das würde ich auf jeden Fall so bestätigen, dass schon bei der Einreise die Kontrollen etwas größer sind, auch die Präsenz des Sicherheitspersonals ist noch etwas mehr geworden, also auf jeden Fall auf dem Flughafengelände, und so eine gewisse unruhige Stimmung aber auch für einen selber, wenn man die ganzen Vorberichte liest oder hört oder sieht im Internet oder im Fernsehen. Es ist ein anderes Gefühl wie im Dezember, wo wir da schon mal da waren, also auf jeden Fall.

    Kapern: Dienstagabend hat Gaddafi eine Fernsehansprache gehalten, in der er unter anderem gesagt hat, er werde bis zum Ende gegen die Ratten kämpfen. Damit meinte er die Demonstranten. Glauben Sie, dass er es ernst meint?

    Hoffmann: Also ich gehe davon aus, dass er es ernst meint, und wenn man das in den Medien verfolgt, so wie er sich auch darstellt, oder eben halt auch sein Sohn sich darstellt und sagt, dass bis zum letzten Mann oder bis zur letzten Frau gekämpft werden wird, ich kann mir schon vorstellen, dass der Gaddafi da dieses Land nicht einfach so aufgeben wird.

    Kapern: Ein Gespräch mit Dirk Hoffmann, der bis vorgestern Abend im Auftrag einer deutschen Baufirma in Libyen war.

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