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Licht an, Gen aktiv

Genetik. - Die Lichtsteuerung von Genen in Nervenzellen, die sogenannte Optogenetik, ist seit einigen Jahren möglich. Schweizer Forscher haben jetzt mit Hilfe von Licht den Insulinstoffwechsel von Zellen kontrolliert. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange berichtet im Gespräch mit Arndt Reuning über die in "Science" veröffentlichte Arbeit.

Michael Lange im Gespräch mit Arndt Reuning | 24.06.2011
    Reuning: Herr Lange, wie haben die Schweizer das gemacht?

    Lange: Ja, der Wissenschaftler, der diese Arbeitsgruppe leitet, Martin Fussenegger, der gilt in der Schweiz und auch inzwischen weltweit als Konstrukteur von Stoffwechselwegen. Das heißt, da werden in Zellen, in dem Fall auch menschlichen Zellen - er arbeitet mit verschiedenen Säugetierzellen - da werden tatsächlich die komplizierten Stoffwechselwege, diese Kreisläufe und Verzweigungen, sozusagen umgeleitet. Und in diesem Fall hat er zwei wichtige Stoffwechselwege sozusagen wie ein Klempner verknüpft. Das sind einmal Stoffwechselwege aus dem Auge, bekannt auch aus Nervenzellen, und solche aus dem Immunsystem. Und die Kommentatoren in der Fachzeitschrift "Science" die sprechen da sogar schon wieder von einer neuen Forschungszweig, von so genannter synthetischer Physiologie, als Fortschreibung der synthetischen Biologie. Also Forscher konstruieren und untersuchen nicht nur.

    Reuning: Zwei Wege verknüpft, wie genau funktioniert denn diese Fernsteuerung eines Stoffwechselvorgangs?

    Lange: Eine ganz wichtige Sache ist der optische Sensor. Der muss außen auf der Zelle liegen. Das ist in diesem Fall das Melanopsin, das ist ein Sensor für blaues Licht, bekannt auch aus unserer Netzhaut. Und da ist er dafür zuständig, dass der Tagesrhythmus in unseren Zellen reguliert wird. Und diesen Rezeptor, der wird jetzt sozusagen mit dem Zellinneren verknüpft. Da wirkt es über den Calciumspiegel, also bestimmter geladener Teilchen im Zellinneren, da muss der Spiegel steigen. Das wiederum wirkt sich auf Transkriptionsfaktoren aus. Transkriptionsfaktoren sind Moleküle, die am Erbgut ansetzen und die Aktivierung bestimmter Gene steuern. Und das Gen, auf das es letztlich ankommt ist das Gen GLP1, Glucagon-like-peptide 1, dieses wird dann sozusagen angeschaltet durch diesen langen Weg. Und letztlich ist es natürlich der Weg vom Licht über den Rezeptor durch die Zelle zum Gen und dann letztlich auf den Insulinstoffwechsel.

    Reuning: Und funktioniert so etwas letztlich bisher nur im Labor, in der Petrischale, oder auch im lebenden Organismus?

    Lange: Im Grunde genommen funktioniert es nur im Labor. Den Stoffwechsel muss man natürlich in der Zelle konstruieren, der wird nicht im Organismen konstruiert, wo wir natürlich auch verschiedene Teile des Stoffwechsels in verschiedenen Organen haben. Also, es wird in der Zelle konstruiert. Aber Martin Fussenegger ist ein Schritt weiter gegangen und er hat die Zellen, die er so konstruiert hat, implantiert in Lebewesen. In diesem Fall hat er das in Mäuse gemacht. Und hat den Mäusen kleine Kügelchen mit Millionen Zellen unter die Haut gegeben. Und in diesen kleinen Kügelchen da lebten diese von ihm sozusagen maßgeschneiderten Zellen und waren da empfänglich für Licht.

    Reuning: Diese Kügelchen sitzen unter der Haut, wie kommt da das Licht überhaupt an diese Kügelchen ran?

    Lange: Also es kommt genug Licht, wenn sie direkt unter der Haut sitzen, an die Kügelchen ran. Also das Licht kommt tatsächlich durch. Deshalb müssen diese Kügelchen auch nicht da sitzen, wo normalerweise das Insulin gebildet wird, sondern wirklich an der außergewöhnlichen Stelle in der Haut. Es gibt noch einen anderen Weg, man kann es mit Licht..., mit Glasfaserkabeln sozusagen das Licht hinein führen. Das ist eine Technik, die aus der Optogenetik, also bei der Lichtsteuerung von Nervenzellen schon eingesetzt wird, aber hier in diesem Fall hat man es ganz einfach gemacht: Dicht unter die Haut und dann kommt Licht dran.

    Reuning: Und lässt sich das denn auch medizinisch nutzen?

    Lange: Noch nicht, aber Martin Fussenegger denkt bereits daran, das zu nutzen. Und er hat sogar schon ein Konzept sich ausgedacht. Er will das unter die Haut von Patienten spritzen und dann ein Pflaster drauf setzen, damit das Licht von draußen nicht an diese Zellen drankommt. Und dieses Pflaster soll Leuchtdioden enthalten, die man einschalten kann sozusagen, und wenn man dann aufs Pflaster drückt und die Leuchtdioden einschaltet, dann schalten die den Insulinstoffwechsel in den Zellen an. Das ist aber Zukunftsmusik. Ein interessantes Konzept, so weit ist man noch nicht, und das sagt Fussenegger auch selbst. Das kann dann noch zehn Jahre dauern.