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Liessmann gegen von Borries
Soll die Kunst die Welt retten?

An diesem Wochenende startet die documenta 14 - zwei Monate früher als üblich, und auch nicht in Kassel, sondern zuerst in Athen. Die Wahl des neuen Standorts ist eine bewusste politische Geste. Und auch die Themen der Weltkunstausstellung sind hoch politisch: Kolonialismus, Krise, Krieg, kulturelle Selbstbestimmung.

    Streitkultur: Konrad Paul Liessmann (l.) und Friedrich von Borries debattieren die Frage: "Soll die Kunst die Welt retten?"
    Streitkultur: Konrad Paul Liessmann (l.) und Friedrich von Borries debattieren die Frage: "Soll die Kunst die Welt retten?" (dpa / picture-alliance / imago / Sven Simon / Erwin Elsner)
    Doch Kunst, wenn sie politische Aktion ist, war und ist höchst umstritten, auch beim österreichischen Philosophen Konrad Paul Liessmann, der in der Sendung "Streitkultur" mit dem Architekten und Designtheoretiker Friedrich von Borries die Argumente wetzt: Soll die Kunst die Welt retten?
    Standpunkt Konrad Paul Liessmann
    "Ich weiß gar nicht, warum die Welt gerettet werden soll, denn weder droht uns ein Meteoriteneinschlag, noch steht eine Invasion von Außerirdischen bevor. Der Welt als Welt scheint es nicht allzu schlecht gehen. Die Frage ist natürlich politisch gemeint: was kann die Kunst beitragen zu einer Verbesserung der Welt, und soll sie das tun?
    Meine These ist: die Kunst kann weder zu dem Einen noch zu dem Anderen etwas beitragen, denn die Kunst, um das mal etwas pointiert und provokativ zu formulieren, ist jenseits der Welt, sie ist eine Welt für sich, sie ist tatsächlich eine Sache des Einzelnen für Einzelne. Sie gibt uns einen Begriff davon, was es jenseits unserer politischen, sozialen, ökonomischen, technischen Welt noch geben kann. Von diesem Jenseits her gibt es keine Möglichkeit, in diese Welt zielgerichtet einzugreifen."
    Standpunkt Friedrich von Borries
    "Die Idee von Freiheit - auch die der künstlerischen Freiheit - war und ist immer etwas Politisches. Freiheit ist das höchste Gut, das uns von unserer Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Wir können mit dieser Freiheit machen, was wir wollen. Aber der Grund, warum unsere Gesellschaft der Kunst Freiheit gewährt, ist nicht, dass diese sich selbst genügen solle. Nein, wir gewähren der Kunst die Freiheit aus einem anderen Grund: Die Kunst ist frei, damit sie die Gesellschaft hinterfragen, kritisieren, herausfordern, weiterentwickeln kann.
    Es ist nicht die Aufgabe der Kunst, die Welt zu retten. Aber es eine Aufgabe, wenn nicht sogar eine Verpflichtung der Kunst, sich mit den Wirklichkeiten und den Möglichkeiten unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Das zu tun, ist - sofern es als Kunst und mit den Mitteln der Kunst erfolgt - keine Instrumentalisierung von Kunst für politische Zwecke, sondern Ausdruck von Freiheit: Eine Freiheit, die nie nur eine künstlerische, sondern immer auch eine politische ist."