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Logistik
Rasende Pakete – eine Nische für Hochgeschwindigkeits-Güterzüge

Ingenieure und Unternehmen haben immer wieder versucht, Güterzüge schneller fahren zu lassen. Ohne Erfolg. Die Technik war zu kompliziert, die Züge zu teuer. Das Stuttgarter DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte verfolgt in den kommenden vier Jahren ein Projekt, mit dem die Chancen von speziellen Hochgeschwindigkeits-Güterzügen erforscht werden sollen.

Von Sönke Gäthke |
    "Es gibt seit Jahren Interesse auch von anderen Firmen wie KLM, Air France Gruppe, auch von DHL. Es gibt verschiedene Anfragen bei den Herstellern, ob man nicht Hochgeschwindigkeitszüge auch für den schnellen Postverkehr einsetzen kann", erzählt Joachim Winter, Eisenbahnforscher in Stuttgart. Und deshalb verfolgen die Forscher des dortigen DLR-Instituts für Fahrzeugkonzepte gemeinsam mit Kollegen von anderen Instituten die Idee eines eigens entwickelten Hochgeschwindigkeits-Güterzugs für den Paketverkehr.
    "Da wird ein neues Konzept erstellt für einen Hochgeschwindigkeits-Güterzug, der technisch die Anforderungen erfüllt, die der Hochgeschwindigkeitspersonenzug erfüllt, also die 400 Stundenkilometer fahren kann, auch die gleiche Radsatzlast auf die Schiene bringt."
    Die Wissenschaftler orientieren sich bei ihrem Projekt an dem Next Generation Train NGT – dem Zug der nächsten Generation. Das ist ein Forschungsprojekt, an dem sie bereits seit 2007 arbeiten. Eine besonders leichte Architektur für die Waggons, ein mechatronisches Fahrwerk sowie eine besondere Nase mit integrierter Knautschzone und das Design haben sie unter anderem bereits entwickelt. Joachim Winter deutet auf eine Zeichnung des NGT.
    "Von der Form her wird der Cargo ähnlich aussehen, von der 39'25 Waggonlänge kann ich im Augenblick noch nichts sagen, aber im Augenblick haben wir es erst mal so gezeichnet, dass wir da den Radsatz verdoppelt haben, aber die 20 Meter Wagenlänge gelassen haben."
    Auf diese Weise soll ein Güterzug-Waggon bis zu doppelt so viel wiegen können wie seine Personenzug-Variante. Entsprechend mehr Zuladung könnte er verkraften. Um trotzdem bis zu 400 Kilometer pro Stunde und mit der gleichen Beschleunigung über die gleichen Hochgeschwindigkeitsstrecken brausen zu können wie der Personenzug, braucht der Güterzug entsprechend stärkere Motoren. Der Aufwand lohnt sich jedoch - nicht nur für den Frachttransport, so Joachim Winter.
    "Das ist vielleicht eine Lösung, die auch zu einer höheren Nutzung der sehr teuren Infrastruktur von Hochgeschwindigkeitsstrecken führt."
    Der NGT-Cargo könnte so an den Terminals der Paketdienstleister, zum Beispiel an Flughäfen, beladen werden, sich zwischen ICEs einfädeln und im gleichen Takt dahinbrausen, ohne Anwohner stärker zu belasten als diese.
    Joachim Winter:
    "Der wär auch vom Außengeräusch her genauso leise wie ein Personenzug."
    Den besonderen Clou hat sich Joachim Winter aber für die Ankunft ausgedacht: Der Zug soll sich im Güterbahnhof komplett auseinander kuppeln können. Die einzelnen Wagen oder Wagengruppen würden dann ferngesteuert an verschiedene Terminals fahren – ganz ohne Rangierlok.
    "Das würde uns ermöglichen, an die existierenden Terminals ran zu fahren, das hängt jetzt von den Belademöglichkeiten der Waggons ab, möglicherweise haben wir dann auch verschiedene, von der Seite und von oben, je nach dem, welches Konzept man sich da überlegt, aber das Logistikkonzept steht im Augenblick nicht, das wird erst 2015, '16 steht es auf dem Arbeitsplan. Also, das ist jetzt recht spekulativ."
    Das soll aber nicht so bleiben. Die DLR-Forscher prüfen jetzt, welche Fracht sich auf einem Hochgeschwindigkeits-Güterzug tatsächlich gewinnbringend befördern ließe. Dann wird sich zeigen, ob das Interesse der Paketdienstleister wirklich ausreicht, um den Next-Generation-Train Cargo auf einer Referenzstrecke auszutesten.