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"Pflanzenrevolution"
Wie Pflanzen unsere Zukunft erfinden

Pflanzen leben auf der gleichen Erde wie Menschen und Tiere. Aber sie haben zur Bewältigung des irdischen Lebens ganz andere Lösungen entwickelt. Aus den Ideen der Botanik kann die Menschheit im 21. Jahrhundert jede Menge lernen, verspricht der einfallsreiche Botaniker Stefano Mancuso aus Florenz.

Von Michael Lange |
    Gemeiner andorn (marrubium vulgare), blühend.
    Gewächse um uns herum halten wir nicht für intelligent - und doch können wir viel von ihnen lernen (imago / Blickwinkel)
    Weil sie sich kaum bewegen und keinen Kontakt mit uns suchen, behandeln wir Pflanzen meist wie eine grüne Dekoration und nicht als Lebewesen. Wir schätzen sie als Gemüse, bewundern ihre Blüten oder schützen sie als Basis der Ökologie. Statt bei Gefahr zu fliehen oder mögliche Gegner anzugreifen, bleiben sie ortsgebunden und reagieren wie in Zeitlupe. Dass die Gewächse um uns herum eine Form der Intelligenz besitzen, kommt uns nicht in den Sinn. Dabei finden Pflanzen Lösungen, auf die wir Menschen nie gekommen wären.
    Netzwerke statt Hierarchien
    Während Mensch und Tier hierarchisch aufgebaut sind, funktionieren Pflanzen als dezentrale Netzwerke aus gleichberechtigten Elementen. Statt das Denken an ein Organ, das Gehirn, zu delegieren, haben Pflanzen eine verteilte Intelligenz entwickelt. Nicht das einzelne Element analysiert, bedenkt und entscheidet, sondern die Gemeinschaft im System. Die Wurzelspitzen stehen miteinander in Kontakt und reagieren als Team auf die Außenwelt.
    Außergewöhnliche Nachahmungen der Pflanzenwelt
    Dieses wissenschaftlich fundierte Pflanzenbild hat Stefano Mancuso bereits in seinem Buch von 2015 "Die Intelligenz der Pflanzen" vorgestellt. Die "Pflanzenrevolution" ist die logische Fortsetzung. Dabei geht es zum einen um naheliegende und außergewöhnliche Nachahmungen der Pflanzenwelt, zum Beispiel in der Technik und der Architektur. Aber auch das Prinzip der pflanzlichen Vernetzung lässt sich nachahmen. Das Internet, das Online-Lexikon Wikipedia oder das Genossenschaftswesen sind Netzwerkstrukturen, die ganz ähnlich funktionieren wie Pflanzen.
    Manipulation der Tierwelt
    Ausgehend von dieser Grundthese schweift Mancuso jedoch immer wieder ab. Anschaulich beschreibt er, wie Pflanzen Tiere manipulieren. Dabei meint er nicht nur Ameisen, die von Akazien mit Zucker versorgt werden, sondern auch Chili-Süchtige, die indirekt zur Paprikaverbreitung beitragen. Er erklärt, warum die Amazonas Riesenrose so stabil auf dem Wasser treibt, dass sie sogar ein Kind tragen kann. Und er präsentiert einige ungewöhnliche Ideen, wie einen Marsroboter nach Pflanzenart, einen Plantoiden. Mancuso hat ihn gemeinsam mit anderen Forschern entwickelt. Der soll nicht wie andere Roboter über den steinigen Marsboden rollen, sondern funktioniert als Netzwerk aus fest verwurzelten Einzelrobotern.
    Begeisterung für Botanik
    Dass Stefano Mancuso die Genialität der Botanik bewundert, ist offensichtlich. Überzeugend kann er darlegen, dass wir die Ideen der Pflanzenwelt brauchen, wenn wir die Zukunft der Menschheit gestalten wollen. Was er jedoch konkret mit "Pflanzenrevolution" meint, bleibt unklar. Vielmehr ist es ein Durcheinander von Fakten und Ideen, was das Buch von Stefano Mancuso auszeichnet. Es steckt voller Geistesblitze, die ungeordnet aufeinander folgen. Zum Glück für den Leser gleicht Mancuso dieses Manko mit Begeisterung für die Botanik aus, und schon die allein macht das Buch lesenswert.

    Pflanzenrevolution: Wie die Pflanzen unsere Zukunft erfinden
    Sachbuch von Stefano Mancuso, aus dem Italienischen übersetzt von Christine Ammann.
    Verlag Antje Kunstmann, 280 Seiten, 24 Euro.