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Massentierhaltung
Tierwohl in den USA steckt in den Kinderschuhen

Europäische Landwirte gehören nicht zu den Gewinnern bei TTIP und CETA, darüber sind sich verschiedene Experten einig. Denn höhere EU-Standards bei der Zulassung von Pestiziden oder im Tierschutz als in den USA bedeuten auch höhere Kosten.

Von Heike Wipperfürth | 29.12.2016
    Die transatlantischen Freiahndelsabkommen CETA und TTIP stoßen auf großen Potest
    Die transatlantischen Freiahndelsabkommen CETA und TTIP stoßen auf großen Potest. (picture alliance/ dpa/ Stephanie Lecocq)
    Die mächtige US-Fleischbranche sieht ihre über 60 Jahre alten Tierhaltungspraktiken in Gefahr. Denn im US Bundesstaat Kalifornien dürfen seit 2015 nur noch Eier von Legehennen verkauft werden, die ihre Flügel ausbreiten und sich in ihrem Käfig umdrehen können – eine neue Mindestvorschrift, die in der EU längst Standard, aber ein Skandal für sechs US-Bundesstaaten ist. Deren Staatsanwälte legten prompt eine Klage gegen Kalifornien ein und beschuldigten den Bundesstaat, Handelshemmnisse für Eier und andere Agrarprodukte aufzubauen. Es gehe ums Prinzip, sagte vor zwei Jahren Scott Pruitt, bislang erzkonservativer Staatsanwalt von Oklahoma – und zukünftiger Chef der Umweltschutzbehörde EPA unter Donald Trump.
    "Alle Eier, die wir jetzt in Kalifornien verkaufen, müssen aus klimatisierten Käfigen kommen, in denen die Hühner Yoga machen können, denn Kalifornien will uns vorschreiben, wie wir unsere Landwirtschaft betreiben sollen. Wenn das so weitergeht, regelt Kalifornien demnächst auch noch unsere Milchproduktion und Viehzucht – das geht doch nicht."
    Doch die Richter waren anderer Meinung und wiesen die Klage im November ab – zum gleichen Zeitpunkt, als die Einwohner von Massachusetts ihr Herz für Nutztiere entdeckten: Sie stimmten für ein Gesetz, das den Verkauf von Eiern, Kalbs- und Schweinefleisch ab 2022 von Tieren verbietet, die in viel zu engen Käfigen und Halteboxen ihr Leben fristen mussten. Endlich, sagt Paul Shapiro, Mitarbeiter beim US-Ableger der internationalen Tierschutzorganisation Humane Society:
    "Bis jetzt haben zehn andere US-Bundesstaaten Gesetze vorgelegt, um Tiere vor extremer Enge und Verstümmelung zu schützen. Säue werden in 60 Zentimeter enge Kastenstände gesteckt, in denen sie sich ihr ganzes Leben lang nicht ein einziges Mal umdrehen können. Das dürfen wir nicht zulassen."
    Bessere Schutzgesetze für Nutztiere gefordert, aber kein Thema
    Auch die Lebensmittel- und Restaurantbranche setzt sich mittlerweile für mehr Tierwohl ein: Angeführt von der Fastfood-Kette Mc Donalds setzten 175 Großunternehmen Amerikas Eierproduzenten Ende vorigen Jahres mit der Drohung unter Druck, nach einer Übergangsfrist nur noch Eier ohne Käfighaltung einzukaufen. Ein Schritt, den Joanna Swabe begrüßt. Sie leitet das Brüsseler Büro von Humane Society International:
    "Wenn es um bessere Schutzgesetze für Nutztiere geht, liegen die USA weit abgeschlagen hinter der EU zurück. Aber die Situation verändert sich gerade, denn der Verbraucherdruck wächst, sodass Unternehmen freiwillig bessere Standards anstreben. Sie haben begriffen, dass die Konsumenten Wert auf Tierwohl legen. "
    Anders als in den US- Bundesstaaten sind strengere Tierhaltungsstandards im US-Kongress bislang kein Thema. Außer einem Gesetz, das Schmerzen beim Schlachten von Kühen und Schweinen verbietet, gibt es keine bundesweit gültigen Tierwohlverordnungen. Und das erwähnte Schlachtgesetz gilt nicht für die 9 Milliarden Hühner und 250 Millionen Truthähne – obwohl sie 95 Prozent der Schlachttiere ausmachen. Tierschützer beklagen, etwa 1 Million dieser Tiere würden lebend im Wasserbad gekocht, weil das automatische Messer versage, das ihnen die Gurgel durchschneidet.
    Keine Reformen zu erwarten
    Von der Trump-Regierung sind keine Reformen zu erwarten. Mit Terry Branstad als Wunschbotschafter der USA in China, und Butch Otter als möglicher Minister für Landwirtschaft holt sich der Republikaner gleich zwei enge Verbündete der mächtigen US-Fleischbranche in sein Kabinett, die nicht dafür bekannt sind, Missstände in der Nutztierhaltung anzuprangern. William Masters, ein Ernährungswissenschaftler an der Tufts Universität in Massachusetts klagt:
    "Derzeit haben es selbst diejenigen schwer, die nur für ein Minimum an Tierwohl in der Nutztierhaltung eintreten."
    In den USA werden hunderttausende von Hühnern in einem Agrarbetrieb gehalten, weil dies als besonders kostengünstig gilt. Boden- oder gar Freilandhaltung können sich die meisten Landwirte allein aus Konkurrenzgründen kaum leisten.