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Geflügelpest
Hoffen auf Eindämmung

Vor fünf Wochen wurde der Geflügelpest-Erreger H5N8 erstmals bei verendeten Tieren festgestellt. Inzwischen grassiert der Virus in 14 Bundesländern, rund 500 Fälle wurden registriert. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, haben die Behörden Sperrbezirke eingerichtet und eine Stallpflicht verhängt. Die Maßnahmen stoßen bei Landwirten und Züchtern auf Kritik.

Von Johannes Kulms | 14.12.2016
    Nach dem Ausbruch der Geflügelpest in einem Mastputenbetrieb in Heinrichswalde im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) werden am 07.11.2014 in einem Sperrbezirk von drei Kilometern um das Dorf rund 1000 Hühner, Enten und Gänse von Privathaltern getötet. Hier wird noch lebendes Geflügel in Kisten verladen. In dem Bestand des Mastputenbetrieb in Heinrichswalde war erstmals in Europa ein hochpathogenes Influenzavirus vom Subtyp H5N8 festgestellt worden.
    Noch lebendes Geflügel von einem betroffenen Putenhof in Heinrichswalde im Landkreis Vorpommern-Greifswald wird verladen. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    "Also, sechs bis acht Kilo muss sie sein und dann kann ich sie am 22. kaufen und am 24. ohne einzufrieren fertigmachen….?"
    "Genau." Die Nachfrage nach der Weihnachtsgans - sie ist nicht eingebrochen. Zumindest nicht bei Wolfgang Schlumm: "Die meisten Leute sind eigentlich einsichtig und sehen, dass das nicht ganz so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird…"
    Mit heiß essen meint der 65-Jährige nicht die Weihnachtsgans - sondern den Umgang seiner Kunden mit dem Thema Geflügelpest. Einmal die Woche kommt der Geflügelzüchter von der dänischen Grenze auf den Wochenmarkt am Kieler Blücherplatz. Seine Kundschaft: Eher bürgerlich. Und sauer auf das, was gerade passiert. So etwa Anna Pomikalko:
    "Ich bin hier bei Herrn Schlumm und habe volles Vertrauen. Und außerdem soll es ja gar nicht auf Menschen übergehen. Also, jeder kann mal an irgendetwas sterben. Und Tiere eben auch! Und wenn ein Tier schon älter ist oder irgendwie geschwächt, dann kann es irgendwie über einen Virus auch zu Tode kommen, das geht ja uns älteren Menschen auch so."
    250 Puten und 300 Gänse hält Schlumm auf seinem Hof. Seit dem Ausbruch der Geflügelpest vor knapp fünf Wochen kann er sie nicht rauslassen - doch in einem Sperrbezirk befindet sich Schlumm nicht. Noch nicht.
    Seit fünf Wochen gilt Stallpflicht
    Denn inzwischen wurde der für Vögel hochgefährliche Geflügelpest-Erreger H5N8 flächendeckend in Schleswig-Holstein festgestellt - und auch in 13 weiteren deutschen Bundesländern grassiert er mittlerweile. Für Menschen geht nach derzeitigem Kenntnisstand aber keine Gefahr aus.
    "Ist nur `n bisschen Grippe", sagt Robert Habeck. Der grüne Landwirtschaftsminister kämpft seit fünf Wochen mit der Vogelgrippe. An diesem Morgen zusätzlich noch mit einer menschlichen. Habeck ist sich sicher: Die Einführung einer landesweiten Stallpflicht war und ist richtig:
    "Wir hatten so viele Fälle in den ersten Tagen und Wochen, als das Virus hier war. Und das Virus ist - das ist jetzt mehrfach belegt - hoch ansteckend so hoch wie selten oder vielleicht noch kein Geflügelpest-Virus zuvor. Wenn die Tiere draußen rumlaufen, ist das Risiko, dass die Tiere sich infizieren, enorm hoch."
    Ist die Massentierhaltung Schuld am Grippe-Ausbruch?
    Mit der Stallpflicht und der Einrichtung von Sperrbezirken und Beobachtungsgebieten rund um Fundorte der toten Vögel will Habeck vor allem eines vermeiden: Das Übergreifen auf geschlossene Betriebe. Tatsächlich wurde der gefährliche H5N8-Virus bisher vor allem bei Wildvögeln festgestellt - und "nur" in zwei Geflügelzuchtbetrieben. Die Folge: Sämtliche Tiere wurden getötet.
    "Jetzt haben wir seit einigen Wochen keine neuen Fälle. Und da kann man erst mal auf's Holz klopfen und sagen, hoffentlich bleibt das so." (ab 2:50)
    Doch für eine Entwarnung sei es viel zu früh - meint nicht nur Habeck, sondern auch das Friedrich-Loeffler-Institut das viele der verendeten Vögel untersucht.
    Doch die Stallpflicht sorgt auch für viel Kritik: Schuld am Ausbruch der Geflügelpest in Deutschland seien nicht Zugvögel aus Asien oder Russland - sondern die Massentierhaltung.
    Meinen der NABU oder Wissenschaftler wie der Münchener Ornithologe und Ökologe Josef Reichholf. Dem Minister Habeck ist besorgt über das sinkende Verständnis für die strikten Maßnahmen
    "Jetzt zu sagen, ja, die armen Tiere müssen ja jetzt alle eingesperrt werden, das ist ja voll ungerecht, die brauchen ihren Auslauf, verkennt, dass wenn die draußen rumlaufen würden, ein Großteil der Tiere schon infiziert wäre."
    Weiterer Ausbruch wäre für viele ein Super-GAU
    "Ich bin nicht immer mit Herrn Habeck einer Meinung. Aber ich denke, in diesem Fall können wir froh sein, dass er so denkt." Jürgen Schröder hat als Treffpunkt einen Gasthof nahe Rendsburg vorgeschlagen. Seit dem Ausbruch der Geflügelpest versucht der 51-Jährige Besuch auf seinem Hof zu vermeiden. Zumal dieser in einem Sperrbezirk liegt:
    "Das schlimmste ist, wenn es gerade in einem Betrieb wie bei meinem einschlägt. Und von meiner Betriebsstruktur gibt es noch einige mehr hier im Lande. Und für die ist das der Super-GAU. Deswegen kann man auch nicht vorsichtig genug sein und es ist auch wichtig, dass sich alle an diese Regeln halten."
    Schröders Hof gibt es seit rund 500 Jahren. Heute werden dort 29.000 Legehennen gehalten - in Freiland- Boden- und Biohaltung. Als Massentierhalter sieht Schröder sich nicht. Er hofft darauf, dass die strikten Maßnahmen weiter aufrecht erhalten werden.
    "Meine Freilufthühner, die haben eine Auslauffläche, die ist so sieben bis acht Hektar groß. Die Chance, dass meine Tiere dort in Kontakt zu Wildvögeln kommen oder sei es, dass ein Greifvogel dort kommt, der vorhin an einer toten Ente genascht hat und über diesen Weg meine Tiere infiziert, die ist unendlich viel größer als wenn die Tiere im Stall bleiben."
    Die Sichtweise auf die Geflügelpest ist unterschiedlich bei den Schleswig-holsteinischen Legehennenhaltern und Geflügelzüchtern. Doch ein weiteres Ausbreiten des Virus würde sie alle treffen.