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Medien-ABC
Von "Theobald Tiger" bis "Johannes Gabriel": Das Pseudonym

Texte nicht unter eigenem Namen zu veröffentlichen, ist nicht neu im Journalismus. Ob Furcht vor Verfolgung oder taktische Erwägungen – die Motive für die Verwendung eines Pseudonyms sind unterschiedlich.

Von Michael Borgers |
    Unter dem Pseudonym "Johannes Gabriel" ist in der FAZ ein umstrittener Beitrag erschienen.
    Unter dem Pseudonym "Johannes Gabriel" ist in der FAZ ein umstrittener Beitrag erschienen. (Deutschlandfunk / Michael Borgers)
    Am Tag der Abstimmung über die "Ehe für alle" am 30. Juni 2017 veröffentlicht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) einen Text zu dem Thema. In der Rubrik "Wir verraten alles, was wir sind", kritisiert der Autor die Entscheidung. Spricht von "Selbstverrat" der schwulen Community und "narzisstischer Selbstbefriedigung. Fragt, "ist es wirklich so abwegig, was manche Gegner der Homo-Ehe behaupten, dass adoptierte Kinder ungleich stärker der Gefahr sexuelles Missbrauchs ausgeliefert sind, weil die Inzest-Hemmung wegfällt".
    Geschrieben hat den Meinungsbeitrag ein gewisser "Johannes Gabriel". Als Philosoph und Psychologe berate er Nichtregierungsorganisationen, heißt es. Den Verdacht, es handle sich um ein Pseudonym, bestätigt die FAZ gegenüber dem Branchendienst Meedia. Und erklärt‚ warum der Autor auf die Nennung seines Klarnamens verzichtet hat: Dieser verweise im Text darauf, "wie schwierig das sachliche Argumentieren dieser Angelegenheit in der Gay-Community ist – wer etwas anderes meint, wird gleich als 'Verräter' gebrandmarkt".
    Und wer ist "Johannes Gabriel"?
    Tatsächlich wird der Text in sozialen Netzwerken überwiegend negativ besprochen – und die FAZ für ihre Entscheidung kritisiert, ihn zu veröffentlichen. Via Twitter betont die Redaktion daraufhin, es handle sich um einen Gastbeitrag, der nicht die eigene Meinung widerspiegele.
    Hinweise auf den möglichen Autoren finden sich ebenfalls schnell – doch der bestätigt den Verdacht nicht. Wer sich tatsächlich hinter "Johannes Gabriel" verbirgt, bleibt bis heute (Stand 03.07.2017) unklar.
    Von Tucholsky bis Markwort
    Tarnnamen zu verwenden, hat durchaus Tradition unter Journalisten. Das vielleicht bekannteste Beispiel: Kurt Tucholsky, einer der wichtigsten Publizisten der Weimarer Republik, legt sich gleich drei Pseudonyme zu (Ignaz Wrobel, Theobald Tiger und Peter Panter), um seine große inhaltliche Vielseitigkeit möglich zu machen.
    Ein prominenter Fall der jüngeren Vergangenheit: 2014 räumt der frühere Focus-Chefredakteur und bis heute -Herausgeber Helmut Markwort ein, als "Moritz Rodach" Artikel für Focus Online über den FC Bayern geschrieben zu haben – für den er zu der Zeit im Aufsichtsrat saß. Andere legen sich Kunstnamen für andere publizistische Projekte zu, spielen dabei aber von Anfang mit offenen Karten (wie Hajo Schumacher alias "Achim Achilles").
    Wenn Journalisten weltweit sonst auf ihren eigentlichen Namen verzichten, tun sie das meist aber aus Eigenschutz: vor strafrechtlicher Verfolgung, Angriffen als Folge von Recherchen oder Ansehensverlust in der Gesellschaft.
    Rechtlich zulässig ist der Einsatz von Pseudonymen, unabhängig von der Motivation. Die Standards an das Ergebnis/das puplizistische Produkt bleiben dieselben.