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Laut Medienbericht
Bundesregierung will sich von Armenier-Resolution distanzieren

Die Bundesregierung will auf Distanz zur Armenier-Resolution des Bundestags gehen. Das berichtet Spiegel Online. Geplant sei eine politische Geste an die türkische Regierung, damit deutsche Abgeordnete die in Incirlik stationierten Bundeswehr-Soldaten wieder besuchen dürfen.

02.09.2016
    Angela Merkel mit Recep Tayyip Erdogan am 23. Mai 2016 in Istanbul. Merkel lächelt, Erdogan klatscht in die Hände.
    Angela Merkel mit Recep Tayyip Erdogan am 23. Mai 2016 in Istanbul (dpa / picture-alliance / Ozan Kose / Pool)
    Das Auswärtige Amt und das Kanzleramt hätten sich darauf geeinigt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Armenier-Resolution des Bundestages distanzieren solle, berichtet "Spiegel Online". Demnach soll Seibert verkünden, dass die Resolution des Bundestags keinerlei bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe: Es handele sich um eine politische Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung.
    Armenier-Resolution und Incirlik

    Am 2. Juni hat der Bundestag die ab 1915 im damaligen Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Massaker als Völkermord eingestuft. Die Türkei verweigert deutschen Abgeordneten seitdem den Besuch bei den auf der türkischen Nato-Basis Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten. Zwischenzeitlich wurde sogar der türkische Botschafter aus Berlin abberufen.

    Die Bundeswehr hat in Incirlik im Süden der Türkei mehr als 200 Soldaten sowie sechs Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie sollen den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Die Regierung in Ankara hatte bereits einem Staatssekretär und mehreren Abgeordneten den Besuch der deutschen Soldaten in Incirlik untersagt.
    Von Notz (Grüne) "Ein unglaublicher Vorgang"
    Konstantin von Notz, Bundestagsmitglied der Grünen, kritisierte eine mögliche Distanzierung scharf. "Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass die Bundesregierung die klare Entscheidung des Bundestages relativieren will", sagte er im Deutschlandfunk. Dies werde sicherlich Diskussionen im Parlament nach sich ziehen. Julia Klöckner, stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, zog die Meldung von Spiegel Online bei Twitter in Zweifel: "Spiegel liegt nicht immer richtig."
    Eine Kursänderung der Bundesregierung bedeutet die Erklärung - wenn es sie geben sollte - aber nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatten hinter den Kulissen immer betont, dass sie die Resolution des Bundestages für keine gute Idee hielten. Steinmeier vermied stets, die Massaker an den Armeniern als Völkermord zu bezeichnen. Merkel hatte an der Abstimmung ebenso wenig teilgenommen wie Vizekanzler Sigmar Gabriel und Steinmeier. Merkel verteidigte das Votum des Parlaments gegenüber Erdogan aber mit klaren Worten.
    Türkei stellte Forderung unmissverständlich
    In den vergangenen Wochen bemühten sich laut Spiegel Online Außenstaatssekretär Martin Ederer und der Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, in Ankara um die Beilegung des Streits. Ihnen sei dabei unmissverständlich mitgeteilt worden, dass die türkische Regierung eine öffentliche Distanzierung von der Völkermord-Resolution des Bundestags verlange.
    Der angeblichen Entscheidung zu der Distanzierung gingen dem Bericht zufolge Gespräche über die Frage voraus, wer für die Bundesregierung die Erklärung abgeben solle. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) habe diese Aufgabe nicht übernehmen wollen. Ein persönlicher Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei nicht in Frage gekommen, weil es als Kotau vor Erdogan gewertet worden wäre, schreibt Spiegel Online. Daher sei schließlich Seibert mit der Aufgabe betraut worden, vor die Presse zu treten.
    Zuletzt hatte die Bundesregierung betont, sie wolle sich im Streit mit der Türkei über das Besuchsverbot nicht unter Druck setzen lassen. Außenminister Steinmeier wies am Montag die Forderung seines türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu nach einer Verknüpfung dieser Frage mit der Armenier-Resolution des Bundestags zurück. "Ich sehe nicht diesen unmittelbaren Zusammenhang und das habe ich dem türkischen Kollegen auch gesagt", sagte Steinmeier in einem Interview für die ARD-Sendung "Farbe bekennen".
    (nch/adi)