Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv

Mehltauproblem
Nasses Jahr stürzt Biowinzer in Existenznöte

Schuld an den diesjährigen Ertragsverlusten beim Wein ist vor allem das extrem feuchte Wetter im Frühsommer und die damit verbundene Entwicklung des Pilzes Falscher Mehltau. Gerade Biowinzer trifft dies besonders stark - und ausgerechnet ein von ihnen mit entwickeltes Mittel dürfen sie derzeit nicht anwenden.

Von Anke Petermann | 29.09.2016
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Weinanbau: Der Falsche Mehltau sorgt gerade bei Biowinzern für Probleme. (picture alliance / dpa)
    Reimer: Die Biowinzer sind 2016 besonders betroffen vom Falschen Mehltau. Warum?
    Petermann: Die Biowinzer dürfen in diesem Jahr das Pflanzenstärkungsmittel Kaliumphosphonat nicht mehr einsetzen. Und das wird im Moment als das einzig wirksame Mittel gegen die Falschen Mehltau angesehen. Die EU wertet dieses Mittel seit 2013 als Pflanzenschutzmittel. Und damit muss man dafür eine Neuzulassung für den Bioweinbau beantragen. Und vorerst darf das Mittel dann dort auch nicht verwendet werden.
    Das ist besonders verhängnisvoll in diesem Jahr mit den vielen Starkregenfällen, weil andere im Ökoweinbau zugelassene Mittel von diesen starken Regenfällen abgewaschen werden, also Gesteinsmehl, Backpulver, auch Kupfer, das verwendet werden darf. Hinzu kommt, dass in Deutschland eine Selbstbeschränkung bei der Verwertung von Kupfer besteht. Also, EU-weit dürfen Bio-Weinbauern sechs Kilo pro Hektar und Jahr einsetzen, in Deutschland nur die Hälfte. Das ist insgesamt die Misere. Ironie des Schicksals: Die Biowinzer haben dieses Kaliumphosphonat als Pflanzenstärkungsmittel selbst mit entwickelt. Jetzt dürfen sich die Konventionellen damit gegen Schrumpel-Trauben schützen, die Biowinzer nicht.
    Kaliumphosphonat ist kein Umweltgift, aber es dringt in die Pflanze ein
    Reimer: Wie schädlich ist Kaliumphosphonat für Mensch und Umwelt?
    Petermann: Es ist ein Salz und insofern auch kaum toxisch, Kochsalz vergleichbar. Die Bedenken der EU-Kommission zielen vor allem darauf, das Kaliumphosphonat systemisch wirkt, das heißt, in die Pflanze eindringt und die Pflanze von innen stärkt. Aber dieses Mittel wurde im Öko-Weinbau nur zeitlich begrenzt ausgebracht, also nur bis zum Ende der Rebblüte, sodass sich das nicht in den Trauben einlagern kann. Davon geht jedenfalls der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, BÖLW, aus. Also, insgesamt wird das Mittel in der gesamten Branche – beim Anbauverband Ecovin, beim Bundesverband Naturkost Naturwaren, BNN, und beim BÖLW - als unbedenklich eingestuft.
    Reimer: Gibt es Alternativen?
    Petermann: Es gäbe die Alternative, in Deutschland mehr Kupfer zuzulassen. Aber das ist – weil es sich um ein Schwermetall handelt - nicht der Königsweg. Im Grunde: Was die Öko-Winzer, der Anbauverband, die Lebensmittelwirtschaft sich wünschen, ist, dass Kaliumphosphonat als Pflanzenschutzmittel neu zugelassen wird für den Bio-Weinanbau. Langfristig kommt zum Einsatz, dass pilzwiderstandsfähige Rebsorten gezüchtet werden, wie Regent und Johanniter. Aber da muss man sagen, die sind natürlich vor allem auch im Ausland nicht so beliebt wie der Riesling, der sehr mehltauanfällig ist. Außerdem ist das eine Generationenaufgabe, Rebstöcke rauszureißen und zu ersetzen. Das macht man nicht ad hoc. Das ist eine Sache, die sich nur über Jahre entwickeln kann.
    Reimer: Wie geht's weiter?
    Petermann: Mit dem Bestreben der Ökowinzer, dieses Mittel von der EU neu zugelassen zu bekommen.