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Mehr Chancen für Mütter über 40

Je länger die Elternzeit, desto schwieriger die Rückkehr in den Job, sagt Sofie Geisel, Projektleiterin im Netzwerkbüro Erfolgsfaktor Familie beim DIHK. Da es oft an gezielten Förderansätzen für Wiedereinsteiger mangele, verschenken viele Unternehmen das Karrierepotenzial ihrer Arbeitnehmer.

Sofie Geisel im Gespräch mit Kate Maleike | 11.03.2013
    Kate Maleike: Viele, nämlich vier von zehn Frauen, das zeigt nun eine aktuelle Elternbefragung des Bundesfamilienministeriums, fühlen sich offenbar durch die Elternzeit in ihren Karrieremöglichkeiten benachteiligt. Sofie Geisel ist Projektleiterin im Netzwerkbüro Erfolgsfaktor Familie, das beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin angesiedelt ist. Gerade kleine und mittlere Unternehmen werden hier in puncto Vereinbarkeit von Familie und Beruf beraten. Frau Geisel, ist Elternzeit also immer noch ein Karriereknick?

    Sofie Geisel: Also bei der Befragung, die Sie gerade angesprochen haben, haben fast 80 Prozent der Eltern, und das waren überwiegend Frauen, die sich bei der Elternumfrage beteiligt haben, gesagt, Elternzeit ist unproblematisch. Insofern würde ich sagen, ist Karrierekiller vielleicht doch nicht ganz das richtige Wort. Es ist etwas, was es vielleicht in Ansätzen durchaus gibt, dass der Wiedereinstieg nach der Elternzeit nicht immer unproblematisch ist. Das Beispiel, das allerdings gerade genannt worden ist, das muss man jetzt auch sagen, das sind – wir sprechen heute immer mehr auch von Wiedereinsteigerinnen, die schon nach einem Jahr wieder zurückkehren, und da stellen wir fest, dass diese Elternzeit wirklich tatsächlich unproblematisch ist. Schwieriger ist es in der Tat, wenn die Elternzeit lange gedauert hat.

    Maleike: Also gilt die Formel, je länger man weg ist, desto schwieriger wird es – oder frau weg ist?

    Geisel: So kann man das sagen, das gilt übrigens auch bei Männern. Ich hatte neulich erst selbst das Beispiel eines Mannes, der zehn Jahre weg ist und der es in der Tat auch nicht ganz leicht hat, vor allen Dingen, weil er gegen alle Regeln verstoßen hat und so lange weg gewesen ist. Also es ist sowohl für Frauen als auch für Männer schwieriger, je länger sie draußen sind.

    Maleike: Also kommen wir doch noch mal auf die Aussage, die ich eingangs angesprochen hatte, dass sich eben viele Frauen benachteiligt fühlen bei den Karrieremöglichkeiten, vor allen Dingen, wenn sie in der Teilzeit sind. Wie ist das zu erklären?

    Geisel: Das ist in der Tat so, dass viele Frauen sich nach der Elternzeit nur einen Halbtagsjob zutrauen oder auch sogar noch weniger. Sie haben ja ein durchschnittliches Arbeitszeitvolumen von Teilzeitbeschäftigten, das bei 18,5 Stunden liegt, da sind wir ganz am - sozusagen die kleinste Teilzeit wird in Deutschland gemacht, in allen Ländern Europas ist Teilzeit mehr. Also insofern ist da tatsächlich das Problem, dass viele der Teilzeitkräfte, die dann auch Probleme mit der Karriere haben, eben einfach auch ein zu kleines Arbeitszeitvolumen haben.

    Maleike: Wie könnte sich das verändern?

    Geisel: Es gibt mehr und mehr Unternehmen, die zwei Wege gehen. Der eine Weg ist, dass man ganz gezielt die reduzierte Vollzeit, das ist also irgendwas, was sich zwischen 60 und 85 Prozent Arbeitszeitvolumen bewegt, das ist etwas, was immer mehr Unternehmen tatsächlich aktiv angehen, dass sie versuchen, Arbeit so umzuschichten, dass da eben mehr Teilzeitarbeitsplätze in reduzierter Vollzeit entstehen. Damit ist natürlich dann auch, sagen wir mal, deutlich mehr Karrierechance verbunden.

    Das Zweite ist, dass man eben intensiv daran arbeitet, dass tatsächlich dieses eine Jahr Elternzeit auch das eine Jahr ist und dass man eben diese langen Elternzeiten versucht dadurch zu vermindern, dass man eben auch ganz gezielt wirklich den Wiedereinstieg schon plant, wenn sozusagen die Schwangerschaft gemeldet ist gewissermaßen. Das ist ganz wichtig, und wir stellen auch fest, das war auch so eine Zahl, die erstaunlich war bei der Umfrage, es war noch 2007 so, dass 40 Prozent der Mütter nach der Elternzeit nicht mehr zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber zurückgekehrt sind, und heute ist es so, dass 90 Prozent zu ihrem alten Arbeitgeber zurückkehren, wenn der Kontakt gehalten wurde. Das ist auch eine Veränderung, die sich ganz klar abzeichnet, und das hat was damit zu tun, dass Unternehmen verstanden haben, dass sie sich um ihre Wiedereinsteigerinnen auch kümmern müssen.

    Maleike: Wenn Sie jetzt als Netzwerkbüroleiterin sozusagen auf die Unternehmenslandschaft schauen, wie familienfreundlich ist Unternehmerdeutschland inzwischen geworden?

    Geisel: Da gibt es immer mehr Licht, aber es gibt natürlich auch noch Schatten. Und den will diese Studie, glaube ich, den kann diese Studie auch ganz gut zeigen. Es ist natürlich so, dass noch nicht alles getan ist, was wir zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und insbesondere zur Vereinbarkeit von Beruf und Karriere brauchen. Es gibt zum Beispiel bisher nur sehr zarte Ansätze, ganz gezielt eben auch die Frauen zu fördern, deren Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Es gibt noch zu wenige Unternehmen, die sich wirklich damit beschäftigen, wie können wir die Frauen ab Mitte 40 noch mal wirklich auf einen Karriereweg holen und können deren Potenzial endlich auch in der Form aktivieren, wie es da ist.

    Das kann man sich sicher noch wünschen, das ist sicher eine Aufgabe für die nächsten Jahre, das Thema Kinderbetreuung ist, wie gesagt, eine Baustelle, an der intensiv gearbeitet wird, aber an der man auch noch ein bisschen arbeiten muss. Und ebenfalls eine Baustelle, an der wir arbeiten, und das auch sehr intensiv, sind die Arbeitszeiten, die es in Deutschland gibt. Das Thema Arbeitszeitgestaltung ist sehr im Fluss, das Stichwort lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung ist für viele Unternehmen zur Aufgabe geworden, die sie auch wirklich schultern, aber da ist eben auch wirklich noch was zu tun.

    Maleike: Ein Weg wäre, zum Beispiel morgen den Familiengipfel im Ministerium in Berlin anzupeilen, da werden sich unter anderem auch Bundeskanzlerin Merkel, Familienministerin Schröder und ganz viele potente Konferenzteilnehmer treffen noch mal. Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht da im Mittelpunkt. Was legen Sie als Netzwerkbüroleiterin dort auf den Tisch, was muss als Erstes verändert werden, verbessert werden?

    Geisel: Na ja, also ganz neue Themen werden wir da erst mal nicht auf den Tisch legen.

    Maleike: Was ist das Wichtigste für Sie?

    Geisel: Das Thema Kinderbetreuung ist das wichtigste, und das zweite, wo ich mich auch sehr über Ihren Beitrag freue, ist tatsächlich das Augenmerk stärker zu richten auf diejenigen, und die gibt es nach wie vor, wir schätzen, dass es ungefähr eine Million Frauen, überwiegend Frauen gibt in Deutschland, die eben tatsächlich länger draußen gewesen sind, und die eine familienbewusste Aus- und Weiterbildung benötigen, also die sozusagen den Weg zurück zum Job betriebsnah organisieren wollen und die auch ermutigt werden müssen, das zu tun, und wo es auch noch Modelle braucht, wie das besser gelingen kann, eben wie das Ihrem Einspieler gerade auch deutlich geworden ist, so was brauchen wir sehr. Wir haben wenig Beispiele von Unternehmen, die das schon ganz aktiv machen. Es gibt ein paar, und die wollen wir in den nächsten Jahren deutlich bekannter machen, und damit zum nachmachen anregen.

    Maleike: Sofie Geisel, herzlichen Dank! Sie ist Projektleiterin im Netzwerk Büro Erfolgsfaktor Familie beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin! Merci für den Besuch in "Campus und Karriere"!

    Geisel: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.