Montag, 13. Mai 2024

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Mein Klassiker
"Es ist ein reales Rock'n'RolI-Lied"

Der Bonner Liedermacher Götz Widmann erzählt in der Reihe "Mein Klassiker" über seine Wurzeln, die im Hardrock liegen - bei der Band AC/DC.

Von Daniel Hauser | 25.11.2014
    Guten Tag, ich bin Götz Widmann, und mein Klassiker ist "Ride on" von AC/DC, gesungen von dem göttlichen Bon Scott, dem einzigen AC/DC-Sänger, den es für mich gibt.
    Damals hat man noch Platten gehört, und das war auf der zweiten Seite von der "Dirty Deeds done dirt cheap", und ich war so ein Fan von der ersten Seite, dass ich die zweite Seite fast nie gehört habe. Ich denke, dann so mit Ende 20 habe ich dieses Lied so richtig entdeckt, als ich selber schon so ein bisschen auf Tour war - wahrscheinlich in irgendeiner Liebeskummerphase, weil es da am allerbesten passt.
    Es ist ein abgrundtief depressives Lied, das trotzdem Hoffnung ausstrahlt. Es geht darum, dass ein Mann einsam in einer fremden Stadt ist und total den Blues hat, also man kann ihn sich wirklich so vorstellen: Im Tourbus, verkatert und schon wieder besoffen, einsam. Es ist ein reales Rock'n'RolI-Lied. Irgendwie denken alle immer, Sänger würden überdimensioniert rumvögeln und wären die ganze Zeit immer nur von Frauen umgeben. Die Realität sieht einfach vollkommen anders aus: In den fünf Minuten, nachdem du von der Bühne kommst, ist der Saal leer, und alle sind weg, und du hängst wieder mit deinen Tourkollegen rum und guckst in die gleichen Gesichter, wie schon seit Jahren, und hast eigentlich nur öde Zelt bis zum nächsten Gig vor dir, und dann geht's genauso weiter.
    Und wenn du dann irgendwie den Blues im Kopf hast und gerade eine Frau weg ist, die du liebst, oder sonst irgendwas, dann kann man da schon ganz schön finster draufkommen. Und er beschreibt diesen Zustand und sagt dann "l'm gonna ride on". Auf so eine resignierend ironische Art und Weise sagt er "Ich mach jetzt trotzdem weiter". Das gibt einem, wenn's einem selber schlecht geht, doch ganz schön viel Mut, weil man merkt: Ihm geht's schlecht, er strahlt Selbstmitleid aus, aber versinkt nicht darin, sondern zieht sich an den eigenen Haaren wieder raus. Tolle Moral.
    Es ist auch tolle Musik. Wie das halt bei so englischen Sachen ist: Lieder, die nicht in deiner Muttersprache sind, die kannst du ja auch erst mal gut finden, ohne überhaupt zuzuhören, was der da von sich gibt. Und das war so ein Lied, das fand ich irgendwie toll, schon irgendwie so, und dann je mehr ich es mir angehört habe, je mehr auf den Text geachtet habe, umso toller fand ich's dann erst recht noch.
    AC/DC war für mich schon immer eine Größe, eigentlich seit ich die kenne. Ich glaube, ich war 14, als ich zum ersten Mal AC/DC "Highway to hell" gehört habe, fand ich einfach schon total geil. Und dann ist ja kurz danach der Bon Scott leider an seinem eigenen Erbrochenen erstickt. Das ist, glaube ich, auch nur ein beschönigendes Wort für "Überdosis von sonst irgendetwas", so Plattenfirmen-Englisch. Und damit war sein Werk sozusagen, ich glaube auf fünf Platten oder sechs Platten, limitiert. Und es ist wirklich schade, dass er nicht weitermachen konnte. Aber auf die Art und Weise muss man sich dann, wenn man sich Bon Scott nähern will, seinen paar Songs, die es von ihm gibt, mit der entsprechenden Tiefe nähern. Ich glaube, ich hab kein AC/DC-Lied so oft gehört wie "Ride on", weil man kann es auflegen, auf Repeat stellen und die ganze Nacht laufen lassen, und es versetzt einen in so eine melancholische Aggressivität mit Restlachen, die kein anderes Lied schafft.
    Ja, das ist halt AC/DC, das ist ehrlicher Rock'n'Roll, in 100 Jahren kann man das nicht besser machen Es ist halt kein dummes Rumgedönse. Keine Referenzen an irgendeinen Zeitgeist sind da drin. Besser kann man in diesem Genre nicht operieren.