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Menschenrechte
Bald weniger Kritik an Deutschland?

Das Deutsche Institut für Menschenrechte befasst sich derzeit vor allem mit den Missständen hierzulande. In der Regierungskoalition streiten nun CDU und SPD über die Rechtsform des Instituts. Dabei geht es wohl um mehr, als nur um juristische Definitionen.

Von Michael Castritius | 15.01.2015
    Eigentlich ist es ja nur eine Formalie. Das beschwört zumindest die Direktorin des Institutes, Beate Rudolf.
    "Es geht, wenn ich das mit allem Respekt vor dem Gesetzgeber sagen darf, doch eher um eine Formalie, denn um eine grundlegende Frage."
    Was zu recherchieren wäre. 14 Jahre bereits arbeitet das Institut völlig unabhängig. Das ist international anerkannt, deshalb hat es den A-Status bei den Vereinten Nationen. Und der bedeutet uneingeschränkten Zugang zum UN-Menschenrechtsrat. Da für diesen A-Status formal aber ein nationales Gesetz die Unabhängigkeit garantieren muss, arbeitet die Große Koalition an einem Gesetz-Entwurf. Bis Anfang März sollte der vorliegen, sonst droht die Abstufung auf den B-Status. Justizminister Maas, SPD, hat eine Vorlage fertig, aber die gefällt CDU und CSU nicht. Denn denen geht es keinesfalls nur um ein "weiter so". Erika Steinbach, menschenrechtspolitische Sprecherin der Union im Bundestag, will gleich die ganze Konstruktion des Institutes verändern, das bislang ein e.V., ein eingetragener Verein ist.
    "Vereine haben ihr Eigenleben, die können jederzeit mit ihrer Mitgliederversammlung die Satzung ändern. Und dann wäre all das, was wir für wichtig halten, obsolet. Und da uns auch daran gelegen ist, das dieses Institut insbesondere die nötige Bandbreite hat, brauchen wir eine andere Organisationsstruktur. Dass zum Beispiel der Deutsche Bundestag nach Fraktionsstärke sagen kann: die und die Organisationen sollen mit tun. Die Rundfunkanstalten sind ja auch alle öffentlich-rechtliche Körperschaften und werden nicht gegängelt."
    Öffentlich-Rechtlich also statt Verein. Damit bliebe das Institut zwar formal unabhängig, aber die Beeinflußung von Außen, etwa von den Parteien und ihnen nahestehenden Organisationen, würde zunehmen. Die Direktorin Beate Rudolf kritisiert das – wenn auch mit diplomatischer Zurückhaltung.
    Beck: Ein Versuch, das Institut an die Kandare zu nehmen
    "Der Alternativ-Vorschlag ist problematisch, weil er eben nicht die Unabhängigkeit der Institution gewährleistetund weil er andere Aufgaben vorsieht als die der nationalen Menschenrechtsinstitutionen."
    Zu diesen anderen Aufgaben kommen wir gleich noch. Zuvor Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der Grünen, der die Unionspläne deutlicher attackiert.
    "Frau Steinbach passt die ganze Linie nicht, eine unabhängige Organisation. Dabei darf man doch die jetzige Unabhängigkeit, die wir haben, nicht antasten. Und das ist eben der Versuch von Frau Steinbach, den gesetzgeberischen Vorgang zu nutzen, um das Institut an die Kandare zu nehmen. Und Frau Steinbach will auch nicht so gerne über Menschenrechte in Deutschland reden."
    Das läßt der stellvertretende Fraktionschef der Union, Arnold Vaatz, so nicht stehen: "Die Beobachtungen der Menschenrechtssituation in Deutschland, die sind nicht zu beanstanden. Auch wenn wir ihnen vielleicht nicht in jedem Fall folgen, geht diese Arbeit im Großen und Ganzen in Ordnung."
    Als Nestbeschmutzer sieht er das Institut keinesfalls, wenn von dort etwa Rassismus bei der Polizei, Beschränkungen für Behinderte oder der Umgang mit Asylbewerbern kritisiert werden. Aber der Fokus der Arbeit solle sich stärker auf andere Staaten richten, in denen die Menschenrechte systematisch mißachtet werden. Nordkorea etwa, oder Kuba oder Aserbaidschan, fordern Vaatz und seine Mitstreiterin Erika Steinbach.
    (Vaatz) "In dieser Frage ist leider die Leistung des Instituts bislang gleich Null."
    (Steinbach) "Wir wollen, dass auf das Inland geschaut wird, da beißt keine Maus den Faden ab. Aber wir brauchen auch den Blick aufs Ausland, um die Vergleichsmöglichkeiten zu haben, um zu sehen: wo stehen wir. Deutschland ist in weiten Teilen eine Oase der Menschenrechte."
    Zusätzliche Mittel sind nicht vorgesehen
    Alles ist eben relativ. Im Vergleich zu den menschenrechtlichen Wüsten in Diktaturen steht Deutschland natürlich paradiesisch da. Den Grünen Volker Beck aber macht es wütend, wenn die Lage in Deutschland so relativiert wird.
    "Ich finde solche Diskussionen kennt man eher aus Staaten wie Russland, Kasachstan, der Mongolei, China ... aber nicht aus westeuropäischen Staaten, die Menschenrechte ernst nehmen."
    Zwar könnte des Deutsche Institut für Menschenrechte die Beobachtung des Auslandes verstärken. Dafür bräuchte es aber Kapazitäten: Personal und Geld. Zusätzliche Finanzmittel aus dem Bundesetat fordert Erika Steinbach jedoch nicht.
    "Das sehe ich im Moment nicht, außerdem entscheiden das letzten Endes unsere Haushaltskollegen. Das Institut hat ja auch jetzt schon Mitarbeiter, die sich mit Auslandsthemen beschäftigen. Das kann das Institut selber regeln, wie es gerne möchte."
    Da bleibt nur Plan B: die Beobachtung der Lage in Deutschland reduzieren, um Kapazitäten frei zu machen im Institut. Dann wäre nicht nur die Organisationsform verändert, sondern auch das Arbeitsgebiet verschoben. Weniger Kritik an Problemen in Deutschland, mehr Gewicht auf Menschenrechtsverletzungen weltweit. Für die Union ist dieser Vorgang also alles andere als eine Formalie.