Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv

"Die Piraten von Penzance" in Nürnberg
Komisch bis 12 Jahre – oder ab fünf Bier

Plattes Comedy-Niveau auf der einen und echter Hörgenuss auf der anderen Seite: Dlf-Kritikerin Franziska Stürz hat "Die Piraten von Penzance" in der deutschen Fassung am Opernhaus Nürnberg gehört. Ein lustig-bunter Nonsens-Abend mit herrlicher Musik.

Von Franziska Stürz | 09.03.2020
    Szene aus "Die Piraten von Penzance" am Staatstheater Nürnberg. Im Bild (v.li.n.re.): vorne links: Wonyong Kang (Samuel, Leutnant), Mitte: Hans Gröning (Richard, Piratenkönig), vorne rechts: John Pumphrey (Frederic, Piratenlehrling) und Ensemble
    Szene aus "Die Piraten von Penzance" am Staatstheater Nürnberg (Staatstheater Nürnberg/ Pedro Malinowski)
    An der Küste Cornwalls feiern Piratenkönig Richard und seine Männer den 21. Geburtstag von Lehrling Frederic und das Ende seiner Lehrzeit. Frederic will allerdings so schnell wie möglich weg von den Piraten, denn die Arbeit widerspricht seinem moralischen Leitstern: Dem Pflichtgefühl.
    Seine 47-jährige Amme Ruth, die ihn einst aus Versehen hier in die Lehre gebracht hat, möchte ihn nun heiraten. Da geht es bereits los mit den Problemen bei der Übersetzung von Gilberts Wortspielereien. Auf Englisch berichtet Ruth von ihrer Verwechslung, der "Pirates" mit den "Pilots" als Ausbildungsstätte für den jungen Frederic. Auf Deutsch heißt es in der Nürnberger Textversion von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting: Er sollte eigentlich zur privaten Ausbildung, landete aber bei den Piraten. Das funktioniert sprachlich auch für den Rest des Stückes ganz gut – das nächste Problem ist allerdings der Subtext.
    Alle Klischees von dödeligen Piraten
    Gilbert nahm 1879 ganz aktuelle, politische und gesellschaftliche Schwachpunkte unter Queen Victorias Regentschaft aufs Korn. Die Figur des quasselnden Generalmajors, die ängstliche Polizei, das sinnlose Pflichtgefühl von Frederic, dessen Geburtstag auf den 29. Februar fällt, weshalb er nach Kalenderzählung erst viereinhalb Jahre alt ist und noch nicht mit der Piratenlehre aufhören kann. Man kann Gilberts Art von Humor vielleicht am besten mit der von Loriot vergleichen, und auch Gilbert sagte: Jeglicher Humor basiert auf einem ernsten und quasi respektvollen Umgang mit dem Lächerlichen und Absurden.
    Eine Gilbert und Sullivan- Operette heute auf die Bühne zu bringen, verlangt folglich von der Regie enorm viel Witz und Gespür für den Subtext, der sich nicht aus der reinen Wiedergabe der Nonsens-Handlung erschließt. Das aber tut Regisseur Christian Brey in Nürnberg: Er bedient mit großer Lust die Klischees von dödeligen Piraten, die samt ihren Marotten wie aus den "Fluch der Karibik"- Filmen entsprungen scheinen, oder von englischen Maiden, die in Jane-Austen-Kleidchen über die mit Schafpuppen bestückte Bühnenschräge trippeln.
    Plattestes Comedyniveau
    Den treudoofen Frederick lässt Brey aussehen, wie Frodo Beutlin aus dem Herrn der Ringe und Hans Gröning als Piratenkönig gleicht Kevin Cline in der bereits 1983 entstandenen extrem schlechten Verfilmung der Operette: schwarze Lederhose, rote Schärpe, weißes Hemd und Brusthaartoupet. (Achtung Wiederholungswitz mit Augenrollen!) Zu sehen ist in Nürnberg plattestes Comedyniveau, das allerdings von allen Solisten und dem Chor in vielen kleinen Details erstaunlich virtuos ausgespielt wird. Besonders der Schauspieler Ronny Miersch zieht als alter, zahnloser Pirat Smee und als Polizeisergeant alle Register auf Monthy-Python-Level – er hat die Degenkämpfe filmreif choreografiert und er singt sogar.
    Dass die ängstlichen Polizisten alle in blauer Bobby-Uniform auftreten, der Generalmajor in roter Paradeuniform und Queen Victorias Konterfei tatsächlich entrollt wird, lässt das Stück trotz aller lustiger Blödelei in der Ausstattung von Anette Hachmann komplett von vorgestern erscheinen. Und das in einer Zeit, die im Hinblick auf britische Schrulligkeit eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten bietet. Schade! Immerhin ist die musikalische Darbietung in Nürnberg ein echter Hörgenuss: Guido Johannes Rumstadt zaubert mit der Staatsphilharmonie Nürnberg einen mal pudrig-weichen, mal schillernden und immer eleganten Orchesterklang.
    Lustig-bunter Nonsens-Abend
    Ein Jammer, dass die beiden gebürtigen Schotten nicht in ihrer Muttersprache singen dürfen. Hans Kittelmann schlägt sich wacker mit dem aberwitzig schnellen Couplet des Generalmajors, aber so richtig komisch kann er in seinem Nachtgewand mit Zipfelmütze doch nicht werden. Ein großer Teil des Nürnberger Publikum ist dennoch hörbar amüsiert, und ja, die Piraten von Nürnberg sind ein lustig-bunter Nonsense-Abend mit herrlicher Musik bei ziemlich wenig Wasser unterm Kiel. Müsste man eine Altersempfehlung abgeben, sie lautet: Achtung: Komisch bis 12 Jahre, oder ab fünf Bier.