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Meteo-Tsunamis 
Wenn der Sturm die Welle antreibt

Den zerstörerischen Tsunami im Indischen Ozean an Weihnachten 2004 haben viele noch in Erinnerung. Er wurde durch ein Erdbeben ausgelöst. Es gibt aber noch eine andere, weniger bekannte Art: den Meteo-Tsunami. Er entsteht bei Stürmen - in der Nordsee ebenso wie vor Neuseeland oder in der Adria.

Von Dagmar Röhrlich |
    Eine hohe Welle trifft auf die Uferpromenade in Ver-sur-Mer in Westfrankreich
    Erreicht eine durch einen Sturm entstandene Tsunami-Welle die Uferzone, kann sie sich auftürmen und gefährlich werden (AFP/ Kenzo Tribouillard)
    Das Wetter in Chicago war wunderbar am 26. Juni 1954. Die Sonne schien, es war heiß. Von dem Sturm, der am frühen Morgen den Nordwesten des Michigan-Sees überquert hatte, war hier nichts zu spüren. Doch kurz nach neun Uhr passierte es: Wie aus dem Nichts schwappte plötzlich eine drei Meter hohe Welle über das Pier, drang 50 Meter landeinwärts vor und riss die Menschen mit sich fort. Sieben ertranken. Ein Meteo-Tsunami hatte bei Chicago einen 40 Kilometer langen Küstenabschnitt getroffen:
    "Ein Meteo-Tsunami entsteht bei Stürmen, wenn beispielsweise bei einem schweren Gewitter die Windgeschwindigkeiten an der Front scharf ansteigt und der Luftdruck massiv abfällt. Der Sturm zieht über die Wasseroberfläche, und dabei bildet sich unter ihm eine Welle, die sich in Sturmrichtung fortpflanzt. Wie schnell die Welle ist, das hängt von der Wassertiefe ab. Wenn beide Geschwindigkeiten, die des Sturms und die der Welle, nahe beieinander liegen, kann der Sturm seine Energie in diese Welle pumpen."
    Auch die Meteo-Tsunami-Welle entwickelt einen starken Sog
    Erreicht eine solche Welle dann die Uferzonen, kann sie sich auftürmen und gefährlich werden, Boote umkippen und Menschen wegreißen, erläutert Eric Anderson vom NOAA Great Lakes Environmental Research Laboratory in Ann Arbor, Michigan. Wie bei einem Erdbeben-Tsunami entwickeln auch die ablaufenden Wellen eines Meteo-Tsunamis einen starken Sog, der mehr als 20 Minuten andauern kann:
    "Von ihren Wellen her ähneln sich Meteo-Tsunami und Erdbeben-Tsunami sehr: Beide breiten sich von ihrem Ursprungsort mit Wellenlängen in der Größenordnung von Kilometern aus und haben Wellenhöhen, die auf dem offenen Wasser kaum wahrzunehmen sind, die sich aber an der Küste zu mehreren Meter auftürmen können. Wir nehmen an, dass Meteo-Tsunami bis zu zehn Prozent aller Tsunami-Ereignisse ausmachen. Vielleicht sind es auch mehr, denn sie sind schwer aufzuspüren."
    Denn die Wellenhöhe der meisten Meteo-Tsunami liegt an der Küste höchstens bei ein paar Zentimetern. Sie lassen sich nur mithilfe genauer Pegelmessungen erfassen. Greg Dusek vom NOAA National Ocean Service in Silver Spring Maryland:
    "Wir haben die Daten von 120 Wasserstandsanzeigern in den gesamten USA über einen Zeitraum von 21 Jahren analysiert und dabei festgestellt, dass Meteo-Tsunami überall häufiger auftreten als gedacht. In den Great Lakes gibt es sie vor allem im späten Frühling und im Frühsommer, wenn die schweren Gewitter durchziehen. An der Atlantikküste entstehen sie neben der Gewittersaison im Sommer vor allem während der Winterstürme."
    Meteo-Tsunami können unabhängig vom Sturm weiterlaufen
    Die Meteo-Tsunamis macht vor allen Dingen eines gefährlich: Dass sie sich von der Schlechtwetterfront lösen und unabhängig von ihr weiterlaufen können - so wie am 13. Juni 2013, als ein schweres Gewitter über Massachusetts eine Welle auslöste, deren Ausläufer über mehr als 2.700 Kilometer hinweg bis ins karibische Puerto Rico verfolgt werden konnten:
    "Wir entwickeln deshalb mit dem NOAA-Tsunami-Warnzentrum und dem Nationalen Wetterdienst ein Frühwarnsystem, das in Anlehnung an das für Erdbeben-Tsunami funktionieren soll. Die Modellrechnungen laufen jedoch aufgrund meteorologischer Daten - und die Vorwarnzeiten sind mit ein oder zwei Stunden viel kürzer. Und um dabei weiterzukommen, werden wir an einem internationalen Workshop in Kroatien teilnehmen, wo auch an einem Frühwarnsystem gearbeitet wird."
    Denn Meteo-Tsunami sind ein weltweit verbreitetes Phänomen, das in der Nordsee ebenso auftritt wie vor Neuseeland oder in der Adria. Wie schwierig eine zuverlässige Frühwarnung ist, zeigt das Beispiel der Balearen. Das System, das dort getestet wird, neigt unter anderem dazu, die Wellenhöhen zu unterschätzen. Und bei der Entstehung gefährlicher Meteo-Tsunamis spielt außerdem die Form der Küste vor Ort eine große Rolle. Und so vermuten die Forscher, dass sich Frühwarnsysteme nicht unbedingt von einem Ort auf einen anderen übertragen lassen.