Freitag, 10. Mai 2024

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Mexikanische Öl-Plattform explodiert
"Bislang keine unabhängigen Informationen"

Mindestens vier Todesopfer hat die Explosion einer Öl-Plattform im Golf von Mexiko gefordert. Öl sei dabei jedoch nicht ausgetreten, behauptet der Betreiberkonzern Pemex. Larissa Bäumer, Greenpeace-Expertin für Meeresschutz, betonte im Deutschlandfunk, dass es bisher nahezu keine andere Informationsquelle dazu gäbe. Zeitnah wolle Greenpeace aber ein eigenes Team losschicken.

Larissa Bäumer im Gespräch mit Britta Fecke | 02.04.2015
    Britta Fecke: Als die BP-Plattform Deepwater Horizon vor fünf Jahren im Golf von Mexiko explodierte, floss monatelang Rohöl aus dem lecken Bohrloch in die offene See. Die Menge des ausgetretenen Öls wird auf 800 Millionen Liter geschätzt. Es war eine der schwersten Umweltkatastrophen auf hoher See und die schlimmste im Golf von Mexiko. Nun ist dort erneut eine Ölplattform explodiert. Wieder sind dabei Menschen ums Leben gekommen. Das Feuer soll inzwischen gelöscht sein und nach Angaben des Staatskonzerns floss bei diesem Unglück kein Rohöl ins Wasser. Das ist allerdings von keiner unabhängigen Stelle bisher bestätigt worden. Ich bin jetzt verbunden mit Larissa Bäumer, Greenpeace-Expertin für Meeresschutz. Frau Bäumer, bei dieser Explosion einer Plattform, wieder im Golf von Mexiko, steigen vor dem inneren Auge die Bilder der Deepwater Horizon auf und des unendlich großen Ölteppichs. Wie es aussieht, droht aber dieser Unfall nicht zu einer derartigen Katastrophe zu werden, oder?
    Larissa Bäumer: Ja, das sieht zumindest derzeit so aus. Momentan ist die Lage leider noch sehr unklar und wie Sie gerade schon sagten gibt es bislang eigentlich keine unabhängigen Informationen. Alle Infos, die wir bekommen, stammen eigentlich bislang von dem mexikanischen Konzern Pemex, der diese Plattform auch betrieben hat, und die behaupten bislang, dass kein Öl ausgetreten ist. Es scheint so zu sein, dass diese Plattform keine Förderplattform war, also gar nicht selber Öl gefördert hat, sondern nur eine Verarbeitungsplattform war, dass dort nur Öl und Gas getrennt wurden. Pemex behauptet, dass sie rechtzeitig an allen Rohren die Ventile schließen konnten und insofern kein Öl ausgetreten ist. Aber wie gesagt, wir können diese Informationen noch nicht bestätigen. Wir schicken aber gerade ein Team nach Mexiko, was dann versuchen wird, vor Ort unabhängige Informationen zu bekommen und auch einen Überflug zu machen, um zu sehen, ob man vor Ort einen Ölteppich sehen kann.
    Fecke: Das wird wahrscheinlich noch ein, zwei Tage dauern, bis wir da Informationen haben. Was wir aber jetzt schon sehen, fünf Jahre nach der Ölpest, die damals nach der Explosion der Deepwater Horizon passiert ist, wie es an den Küsten und auch auf der See selbst aussieht. Wie haben sich da die Ökosysteme, die inländischen, aber auch die küstennahen, entwickelt?
    "Jahrzehnte kein Leben mehr am Meeresgrund"
    Bäumer: Man muss leider sagen, dass die Folgen vor Ort immer noch sehr stark spürbar sind, und es ist auch eigentlich kaum absehbar, was die langfristigen Konsequenzen sein werden. Und man muss einfach bei Öl sagen: Bloß weil man es zum Teil nicht mehr sehen kann heißt das nicht, dass es nicht mehr vorhanden ist. Es gab gerade eine neue Studie, die hat herausgefunden, dass in der Gegend, wo die Plattform stand, rund um den Ort, wo damals das Öl ausgetreten ist, dass es dort am Meeresgrund in über 1.000 Meter Tiefe einen riesigen Ölteppich gibt von über 3.000 Quadratkilometern, wo das Öl abgelagert ist. Das kann man also nicht mehr an der Oberfläche des Meeres sehen, aber man sieht es am Meeresgrund und dort wird natürlich jetzt über Jahrzehnte kein Leben mehr sein am Meeresgrund, weil dort unter diesem Ölteppich natürlich dann auch kein Sauerstoff mehr verfügbar ist für die Organismen. Wenn man sich jetzt die Strände anguckt im Golf von Mexiko in der Gegend, wo das Unglück passiert ist, das sieht inzwischen natürlich an der Oberfläche wieder schön aus. Aber wenn man ein bisschen tiefer gräbt, dann findet man ganz schnell Öl. Diese ganze Gegend ist ja auch bekannt für die Sümpfe und diese Schilfgebiete, und in diesen Gebieten ist es natürlich noch viel schwieriger, das Öl wieder zu entfernen. Das ist natürlich keine glatte Oberfläche wie ein Strand, sondern ganz schwieriges Gelände, und da findet man nach wie vor immer noch sehr viel Öl.
    Fecke: Welche Arten sind denn dabei für immer ausgelöscht worden in der Gegend?
    Bäumer: Für immer ausgelöscht kann man, glaube ich, noch nicht sagen. Aber wir können nach wie vor sehen, dass die Tierwelt sehr stark beeinflusst ist, natürlich Vögel und Fische besonders, aber auch die Delfine vor Ort. Es heißt, dass man wahrscheinlich absehen kann, dass die Fortpflanzungsraten nach wie vor davon noch sehr stark beeinflusst sind. Bei Vögeln hat man das beobachtet, aber auch bei den Fischbeständen vor Ort. Es werden immer wieder auch zum Beispiel tote Delfine an Land gespült, auch tote Delfin-Babys. Es ist natürlich dann immer ein bisschen schwierig nachzuweisen, ob das wirklich durch diesen Unfall gekommen ist oder nicht. Aber man sieht, die Tier- und Pflanzenwelt vor Ort leidet noch sehr stark.
    Fecke: Welche Regionen, würden Sie sagen, sind besonders gefährdet, wenn dort nach Öl gebohrt wird?
    Bäumer: Wie meinen Sie das, Ökosysteme?
    Fecke: Nein, nicht Ökosysteme, sondern gibt es Regionen, wo die Ölförderung nicht so ganz kritisch ist, weil es küstennah ist, oder desto weiter man auf hohe See geht, desto gefährlicher wird es, oder wie würden Sie das einschätzen?
    Bäumer: Das ist natürlich so: Je tiefer man geht, desto gefährlicher wird es. Diese ganzen Tiefsee-Bohrungen, wie das ja bei der Deepwater Horizon der Fall war, das ist natürlich besonders gefährlich. Und was wir natürlich besonders kritisch sehen ist, dass die Ölkonzerne jetzt zum Beispiel auch in die Arktis vordringen wollen, und in der Arktis haben wir natürlich noch eine viel schwierigere Situation, als wir das in anderen Regionen haben. Da haben wir ganz harsche, schwierige Witterungsbedingungen, wir haben viel Eis vor Ort und diese Gegenden sind auch viel entlegener. Man hat dort auch überhaupt keine Infrastruktur vor Ort, um einem möglichen Unfall zu begegnen. Wenn Sie sich mal überlegen: Bei der Deepwater Horizon, bei dem Unglück waren über 6.000 Schiffe im Einsatz, mehr als 10.000 Helfer, die geholfen haben, das Öl wieder zu entfernen, und in der Arktis haben wir das natürlich überhaupt nicht. Shell plant ja gerade wieder, in die Arktis zurückzukehren zu Probebohrungen, und in ihrem Notfallplan hatten die 2012 zum Beispiel neun Schiffe drinstehen, und das ist natürlich ein Scherz, wenn man sich das überlegt.
    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen, Frau Bäumer, zu der aktuellen Katastrophe im Golf von Mexiko.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.