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Mini-Tornados im Himmelreich

Meteorologie.- Die Physik der Wolken bietet Wissenschaftlern noch viele Rätsel. So regnet es im Sommer manchmal schneller, als es Formeln und Modelle wahrhaben wollen. Doch dafür scheinen Atmosphärenforscher jetzt eine Erklärung gefunden zu haben.

Von Volker Mrasek |
    ""Jetzt sind wir auf dem Zugspitzplatt, wo die Hangbahn losgeht. Das ist eine Bahn, die nur zu uns zum Schneefernerhaus raufgeht."

    Auf fast 2700 Metern liegt sie, Deutschlands höchste Messstation, knapp unter dem Gipfel der Zugspitze in den Alpen.

    "Jetzt sind wir schon da. Hier kommt aus dem Nebel das ehemalige Sporthotel Schneefernerhaus, das jetzt Umweltforschungsstation ist."

    Bei Messungen in der alpinen Station haben Atmosphärenforscher jetzt eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Sie schickten grünes Laserlicht in den Himmel und leuchteten damit in Gipfelwolken hinein. Als heftiger Wind aufkam, waren die Wolken plötzlich vollkommen durchlöchert. Raymond Shaw, Augenzeuge des nächtlichen Spektakels und Professor für Physik an der Technischen Universität von Michigan in den USA:

    "Wissenschaftler rannten aufgeregt herum wie Kinder, als sie die Löcher sahen. Es war wie eine Laserlicht-Show: Löcher, die mit der Geschwindigkeit des Windes durch die Wolken tanzten und die wir mit unseren eigenen Augen sehen konnten! So weit wir wissen, ist es das erste Mal, dass jemand so etwas in einer Wolke beobachtet hat."

    Die Auswertung von zweidimensionalen Bildern der Wolke brachte später Details ans Licht. Demnach handelt es sich bei den Löchern im Prinzip um rotierende Mini-Tornados. So beschreibt sie Haitao Xu vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen:

    "Auf den Fotos sieht man, dass diese Lücken typische Durchmesser von fünf bis zehn Zentimetern haben. Sie können sehr lang sein – nach unseren Abschätzungen zehn bis 50 Meter. In den Röhren rotiert die Luft sehr stark - wie bei einem Tornado."

    Auch der Physiker Steffen Risius gehört zu der Göttinger Arbeitsgruppe und ist an dem Projekt auf der Zugspitze beteiligt.

    Die Mini-Tornados entstehen bei besonders starken Wind-Turbulenzen, und die Vermutung der Forscher ist, dass aus Wolken, in denen sie vorkommen, schneller Regen fällt.

    "Diese Wirbel führen dazu, dass die Wolkentröpfchen aus diesen Wirbeln hinausgeschleudert werden. An den Rändern dieser Wirbel gibt's ne höhere Dichte der Wolkentröpfchen. Und dadurch auch 'ne höhere Wahrscheinlichkeit, dass diese Wolkentröpfchen miteinander zusammenstoßen."

    Die dichten Randbereiche der Wirbel könnten so etwas wie Regen-Sturzbahnen in Wolken sein. Auf ihnen bilden Wassertropfen schneller Aggregate, die schwer genug sind, um als Niederschlag aus der Atmosphäre herauszufallen.

    Tatsächlich gibt es Wolken, bei denen die Regentropfen-Bildung rascher abläuft, als man sich es bisher erklären kann. Das, sagt Steffen Risius, gelte für warme Sommerwolken.

    "Also konvektive Wolken, die sich während des Tages dann bilden. So wie man es an der Küste vielleicht beobachten würde. Wenn über dem Meer die warme Luft aufsteigt und sich relativ schnell Wolken bilden, und die dann auch relativ zeitig wieder abregnen im Sommer."

    Die Mini-Tornados könnten dieses Phänomen unter Umständen erklären, glaubt Raymond Shaw. Er sagt das aber mit aller Vorsicht – zumal es bisher nur Beobachtungen vom Zugspitz-Gipfel gibt:

    "Wir reden hier erst einmal nur über ein Ergebnis von Grundlagenforschung, auch wenn es aufregend ist. Aber ich denke: Die Wolkenwirbel könnten durchaus ein Puzzleteilchen sein, das zu einer besseren Regenvorhersage für den nächsten Tag führt."

    Wissenschaftler aus den USA sind dafür bekannt, dass sie ihre Forschungsergebnisse besonders anschaulich vermitteln. So auch Physiker Shaw. Er vergleicht die Wolken auf der Zugspitze mit Schweizer Käse. Der sei genauso löchrig. Aber:

    "Die meisten Wolken sind eher wie Gouda. Nur unter bestimmten Bedingungen wie starker Windturbulenz darf man erwarten, dass dieser schöne, homogene Käse aufreißt und Löcher bekommt."