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Münchner Kammerspiele: "Caspar Western Friedrich"
Ein Abend ohne Erkenntnisgewinn

Philippe Quesne inszeniert "Caspar Western Friedrich" an den Münchner Kammerspielen. Das geht leider gehörig schief, findet Rezensentin Cornelie Ueding. Ihr Fazit: "Ein erkenntnisfreier Kammerspielabend mit dramatischen Niederungen".

Von Cornelie Ueding |
    Alles sieht nach Theater aus - aber von Theater ist dann wenig zu spüren. Erst sieht man vor dem eisernen Vorhang ein paar Cowboy-Darsteller. Um ein Plastiklagerfeuer gruppiert geben sie country songs von sich. Gedämpftes Glucksen im Publikum. Dann landet man in der halbfertigen Empfangshalle eines im Entstehen begriffenen "Caspar Western Friedrich Museums", in der dieselben Figuren, mittlerweile halb im Maleroutfit, was ‚zusammen machen' wollen: Erstmal die im Bühnenraum verteilten Styroporfelsen nach hinten schleppen, bevor sie, wortlos und so ungeschickt wie möglich, Wände zu streichen versuchen. Leicht animiertes Glucksen. Dann verschwinden sie und aus dem off erklingt eine Stimme, die alle Titel der Bilder Caspar David Friedrichs - und das sind viele - so monoton wie irgend möglich aufsagt.
    Glucksen und Gähnen
    Aus dem Glucksen wird gedämpftes Gähnen. Dann erzählt einer, garantiert pointenfrei, eine Geschichte aus seiner Jugend, die niemanden interessiert. Irgendwann singt ein anderer Eichendorffs "Es war als hätt der Himmel..." so ausdrucksfrei wie möglich - und es beginnt zu dämmern: aha, hier soll der Dilettantismus zur Kunstform erhoben werden, um, ach wie aktuell, einmal mehr die Dekonstruktion kultureller Zeichen zu betreiben. Eine Art hochartifizielle, überaus elaborierte Pointenlosigkeit soll hier Gestalt annehmen.
    Im Programmheft-Interview schwärmt Philippe Quesne, der Erfinder und Regisseur dieser Kunstform, davon, dass sich die Schauspieler in dieser "Landschaftsfabrik" selbst eine Welt schaffen können. Daher wird munter, nein, eher entschieden unlustig, ja geradezu schreiend unkomisch weitergewerkelt, gesungen, rezitiert. Nebelschwaden ziehen funktionslos aber ungemein dicht über die Bühne und sickern in den Zuschauerraum, das Wasser aus der Sprinkleranlage zeichnet schöne Kreise in den Himmel, Hölderlinsätze gleiten als Projektionen über die Rückwand, die wichtigsten gleich mehrfach. Und jeder hat für möglicherweise auftretende Kommunikationsbedürfnisse einen eigenen, mit Mikrofon bestückten Styroporklumpen bekommen: "Und ich kann hier ganz leise sprechen, kann fast flüstern. Und auch wenn ich weg bin, dann habt ihr mich immer noch im Ohr. Ganz nah."
    Mit Poesie gegen Einsamkeit
    Und dann kommt irgendwann auch Caspar David Friedrich ins Spiel. Bisher war er nur auf dem Sweatshirt eines der Cowboys in Erscheinung getreten. Jetzt wird eine wändefüllende Berglandschaft windschief zwischen zwei gigantischen Leitern hochgezogen, festgeklemmt und unten mit Kunstfelsen und Kunstgestrüpp erst zum Podest, etwas später zum Zeltdach drapiert. Die Mehrzahl der Zuschauer hat inzwischen wieder die seriöse Kulturverbrauchermiene aufgesetzt. Schließlich konnte jeder, der sich schon mit dem überaus anspruchsvollen Programmheft vertraut gemacht hatte, wissen, wie plausibel die Verknüpfung von Romantik und Western sei: Einsamkeit, Einsamkeit in Landschaft, Raum und Zeit. Und: Poesie und Sprache seien das einzige Mittel dagegen.
    Schade, dass von beidem dann auf der Bühne so wenig zu spüren ist. Dafür freilich jede Menge (im Programm nun wieder gerade nicht vorgesehener) unfreiwilliger Ironie. Aber allenfalls so wäre dieses von einem ganzen Stab von Designern, Lichtkünstlern und Textern gestylte Künstlichkeitsprodukt zu retten. Als Satire auf den gegenwärtigen westlich-kapitalistischen Theater- und Kulturbetrieb. Tadeusz Kantor und Beckett, auf die man sich hier beruft, haben allerdings gar nichts mit den dramatischen Niederungen dieses absolut erkenntnisfreien Kammerspielabends zu tun.