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Nach TTIP
Sorge um weiteres Handelsabkommen

Die Industriestaaten drängen auf eine stärkere Öffnung ihrer Märkte untereinander. Neben dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP arbeiten Emissäre an einem viel größeren Vertragswerk - nach US-Angaben sind die Grundzüge dafür inzwischen vereinbart. Die EU-Kommission weist Bedenken zurück.

20.06.2014
    Demonstranten vor der australischen Botschaft in Genf protestieren gegen das geplante TiSA-Abkommen.
    Demonstranten vor der australischen Botschaft in Genf protestieren gegen das geplante TiSA-Abkommen. (dpa/ picture alliance / Salvatore Di Nolfi)
    In diesem Abkommen wird das Gros des Welthandels neu vereinbart. Partner sind 50 Staaten, die fast zwei Drittel des globalen Handels mit Dienstleistungen erbringen. Das Abkommen heißt kurz Tisa, ein Akronym für Trade in Services Agreement. Zu diesem Handel gehören Kommunikation, Finanzdienstleistungen, die Versorgung mit Strom und Trinkwasser, Postdienstleistungen und Leiharbeit. Die Verhandlungen darüber kommen offenbar voran. Die Grundzüge für ein solches Vertragswerk seien inzwischen vereinbart, sagte US-Handelsrepräsentant Michael Froman. Kommende Woche startet bereits die siebte Verhandlungsrunde.
    Europäer und Amerikaner haben großes Interesse an diesem Welthandel: In den USA erbringt der Dienstleistungssektor drei Viertel der Wirtschaftsleistung und sichert 80 Prozent der Jobs in der Privatwirtschaft. In der Europäischen Union umfasst der Sektor fast drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts und der Beschäftigung. An den Tisa-Verhandlungen beteiligt sind auch Australien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Hongkong, Israel, Japan, Südkorea, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Panama, Paraguay, Pakistan, Peru und die Schweiz.
    Kritiker der Tisa-Verhandlungen beklagen, dass die Gespräche unter großer Geheimhaltung geführt werden - seit mehr als einem Jahr in der australischen Botschaft in Genf. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet von einem "stillen Poker um Wasser und Kontodaten". Laut NDR und WDR ist das Ziel der Gespräche, in diversen Dienstleistungsbereichen Liberalisierungen durchzusetzen und Regulierung abzuschaffen.
    Die Kritiker befürchten vor allem, dass mit dem Abkommen die Privatisierung von bislang staatlich erbrachten Leistungen zur Grundversorgung der Bevölkerung wie Trinkwasser vorangetrieben und unumkehrbar gemacht werden soll. Außerdem sehen sie die Gefahr, dass die Leiharbeit internationalisiert wird. Das würde es ermöglichen, billige Leiharbeiter in Hochlohnländer zu holen, statt die Produktion in Billiglohnländer zu verlagern.
    EU-Kommission: Tisa bedroht Datenschutz nicht
    Doch die Verhandlungen bedrohen nach Angaben der EU-Kommission weder den Datenschutz noch die Kontrolle der Finanzmärkte. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, das Tisa-Abkommen werde keinem Unterzeichnerstaat verbieten, die eigenen Datenschutzgesetze anzuwenden. Er widersprach dem SZ-Bericht. Darin wird unter Berufung auf die Enthüllungsplattform Wikileaks berichtet, die USA forderten, dass ein Finanzkonzern Informationen in elektronischer Form "in oder aus seinem Gebiet ... transferieren" dürfe. Auch sollten Notfallmaßnahmen bei Finanzkrisen nicht die Marktöffnung einschränken dürfen.
    Dagegen warnte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold in dem Zeitungsbericht, Tisa könne den europäischen Datenschutz gefährden. "Das ist ein Angriff auf den europäischen Datenschutz", sagte Giegold. "Die Gefahr wäre, dass zum Beispiel Kontendaten von Bürgern und Firmen aus Europa abfließen und der US-Regierung und den Geheimdiensten zur Verfügung stehen."
    Der Kommissionssprecher erklärte, im Tisa-Abkommen sollten die gleichen Datenschutzvorschriften enthalten sein, wie sie in dem bestehenden Generellen Abkommen über den Handel (Gats) im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO schon gelten. "Keine der vorgeschlagenen Regelungen im Tisa würde einen Unterzeichner daran hindern, seine Gesetze über den Schutz der Privatsphäre und von Daten anzuwenden." Hinsichtlich des Rechts, Finanzdaten zu transferieren, sagte er: "Das wäre ein Recht, keine Verpflichtung."
    (sdö/tgs)