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Nachwuchs-Basketball
Top-Talente geben Deutschland einen Korb

Erfolgreicher und besser ausgebildet als je zuvor: Im deutschen Nachwuchs-Basketball wächst eine hoffnungsvolle Generation an Spielern heran. Die Bundesliga profitiert davon allerdings nicht, die besten Talente versuchen sich im Anschluss an den Jugendbereich zunächst im Ausland. Warum?

Von Thilo Neumann | 02.10.2016
    Basketball-Talent Isaiah Hartenstein (r., damals noch bei den Young Dragons) im Duell mit Tibor Taras (TSV Breitengüßbach).
    Basketball-Talent Isaiah Hartenstein (r., damals noch bei den Young Dragons) im Duell mit Tibor Taras (TSV Breitengüßbach). (imago sportfotodienst)
    Eine Basketballhalle in Mannheim, im April 2016. Vor 2.000 Zuschauern liegen sich die Spieler der deutschen U18-Nationalmannschaft jubelnd in den Armen. Soeben haben sie das Albert-Schweitzer-Turnier gewonnen – die "inoffizielle Weltmeisterschaft", wie das Einladungsturnier unter Experten genannt wird. Einst spielten hier Magic Johnson und Dirk Nowitzki auf, bevor sie zu Weltstars reiften. 2016, im 28. Anlauf, konnte die DBB-Auswahl das Turnier zum ersten Mal gewinnen.
    Strukturen haben sich geändert
    Das sei kein Zufall, meint etwa Marko Pesic, Geschäftsführer und Sportdirektor beim FC Bayern München.
    "Der Eindruck kann nicht täuschen", sagt er, während sich seine Mannschaft im Hintergrund auf ein Spiel einschwört. In den letzten Jahren hätten sich die Rahmenbedingungen für den Nachwuchs im deutschen Basketball kontinuierlich verbessert. "Die Strukturen haben sich geändert. Es gibt jetzt seit einigen Jahren eine nationale U16-Meisterschaft, eine nationale U19-Meisterschaft. Jeder Bundesligist verpflichtet sich, ein Nachwuchsprogramm zu haben, das auch kontinuierlich zu steigern."
    Seit 2006 stellt die Nachwuchs-Basketball-Bundesliga, kurz NBBL, die höchste deutsche Spielklasse für U19-Spieler dar, zwei Jahre später folgte die Jugend-Basketball-Bundesliga JBBL für Jungen bis 16 Jahre. In den Vereinen wird mehr in die Jugend investiert, hauptamtliche Trainer und Koordinatoren gehören mittlerweile zum Standard.
    Zeit und Kompetenz wird investiert
    "Das alles führt zu dem Ergebnis, dass nicht nur sehr viel Geld, sondern auch sehr viel Zeit und Kompetenz in die Jungs investiert wird."
    So Marko Pesic. Eine Entwicklung, die positiv stimmt. Doch profitiert von dem Aufstieg der deutschen Jugend auch die heimische Bundesliga?
    Litauischer Verein fast überrascht über Verpflichtung des Top-Talents
    Letzte Woche in Panevezys, der fünftgrößten Stadt Litauens. Lietkabelis, der ansässige Basketballverein, eröffnet die neue Saison gegen Zalgiris Kaunas, den erfolgreichsten Verein des Landes. Bei den Gästen sitzt ein junger Mann auf der Auswechselbank. 18 Jahre, zwei Meter zehn, 110 Kilogramm. Sein Name: Isaiah Hartenstein. Der Jungprofi gilt als derzeit größtes Talent im deutschen Basketball. Im kommenden Sommer könnte er den Schritt in die NBA wagen, nur wenige Spieler in seinem Jahrgang werden besser eingeschätzt. Sein Trainer bei Zalgiris, Sarunas Jasikevicius, wirkt fast etwas überrascht, dass Hartenstein in seinem Team steht:
    "Er ist ein sehr talentierter Spieler und wir sind sehr froh, ihn unter Vertrag zu haben. Es ist beachtlich, dass unser Verein einen Spieler von seinem Kaliber verpflichten konnte."
    Hartenstein entschied sich im Sommer 2015 für einen Wechsel nach Litauen. Bis dahin lebte der Junge mit seinen Eltern im beschaulichen Quakenbrück, einer 13.000-Einwohnergemeinde nördlich von Osnabrück. Dort durchlief er die Jugendabteilung der Artland Dragons, führte seine Team 2014 zur JBBL-Meisterschaft, machte bei internationalen Auswahlturnieren auf sich aufmerksam.
    Jugendspieler dürfen in Litauen ran
    Im vergangenen Jahr warb dann die halbe Basketballwelt um den damals 17-Jährigen. Barcelona, Vitoria, Bamberg und namhafte US-Colleges wollten das Ausnahmetalent für sich gewinnen. Doch am Ende machte Kaunas das Rennen. Der junge Mann glaubt, sich dort am besten weiterentwickeln zu können, erzählt er dem Deutschlandfunk:
    "In Litauen habe ich es halt gesehen, dass auch Jugendspieler sehr viel gespielt haben."
    Ein Umstand, den er vielen Bundesligavereinen abspricht – zumindest mit Blick auf den Sommer 2015, als er seine Entscheidung treffen musste. Also entschloss sich Hartenstein, den Schritt vom Jugend- zum Profispieler im Ausland zu vollziehen.
    Unterstützung erhielt er dabei von seinem Vater Florian. Dieser war früher selbst Profi, spielte in Deutschland für Gießen und die Artland Dragons, den Heimatverein seines Sohnes. Auch er glaubt, "dass im Ausland den jungen Spielern mehr Chancen gegeben werden, auf hohem Level zu spielen."
    Druck der Sponsoren in Deutschland zu hoch?
    Und er meint auch einen Grund dafür zu kennen: "Ich glaube, dass der Druck von den Sponsoren sehr hoch ist. Ich glaube, dass die Erste Bundesliga immer den Druck hat, gewinnen zu müssen. Man kann keinem jungen Spieler sagen: Komm, spiel mal, und wir sehen, was passiert."
    Das sei bei einem Verein wie Kaunas anders. Was hinzukommt: In der litauischen Liga ist das Leistungsgefälle höher als in der Bundesliga. Branchenprimus Zalgiris feiert regelmäßig Kantersiege und kann es sich leisten, in solchen Partien Nachwuchsspielern Einsatzzeit zu geben. Den ersten Einsatz konnte Isaiah Hartenstein so auch erst am dritten Spieltag feiern, als sein Team nach zwei knappen Partien einen Kantersieg errang.
    Hartenstein ist kein Einzelfall. Auch zwei andere Top-Talente aus dem 98er-Jahrgang entschieden sich zunächst gegen die Bundesliga. Richard Freudenberg lehnte einen Profivertrag bei den Bayern ab und wechselte an ein US-College, Kostja Mushidi schloss sich einem Team in Serbien an.
    Hoffnung, dass Spieler nach Deutschland zurückkehren
    Das sei legitim, sagt Bayern-Sportdirektor Marko Pesic. Er wiederspricht aber der Meinung, dass es in der Bundesliga schwerer sei, als Nachwuchsspieler zum Einsatz zu kommen. Bei den genannten Talenten spiele vielmehr auch deren Umfeld eine Rolle: früher hätten die Nachwuchsspieler direkt mit dem Verein gesprochen, heute gewinnen Berater und teilweise auch die Eltern mehr und mehr an Einfluss.
    "Es ist immer die Frage, welche Ziele diese ganzen Strukturen verfolgen, aber ich bin mir sicher, dass diese Spieler irgendwann nach Deutschland zurückkommen werden."
    Zumindest, sofern es die Jungen nicht in die NBA schaffen, wie es sich Isaiah Hartenstein vorgenommen hat.